Frage an Peter Biesenbach bezüglich Recht

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Peter Biesenbach
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Frage von Blaise Francis E. •

Frage an Peter Biesenbach von Blaise Francis E. bezüglich Recht

Ich habe eine Frage an Sie in Ihrer Funktion als Justizminister des Landes NRW. Konkret geht es um den NRW-Erlass des Ministeriums der Justiz vom 17.03.2020 (Az.: 6274 – Z.6). Darin heißt es laut Angabe eines Oberzwangsvollstreckers, dass lediglich besonders dringende Zwangsvollstreckungsaufträge ausgeführt werden sollen. Ich halte die Weisung für eine verfassungswidrige Einschränkung des im Grundgesetz verankerten Justizgewähranspruch, der auch die Vollstreckung von Urteilen umfasst, zumal es sich bei dem Erlass noch nicht einmal um ein formelles Gesetz handelt, sondern um eine Verwaltungsrichtlinie. Gerade auch in Krisenzeiten muss der Rechtsstaat funktionieren. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?

Im Einzelnen:

Ich bin leider Opfer eines sog. Einmietbetruges (sog. Mietnormadentum) geworden, bei dem neue Mieter vor ca. einem Jahr in eine Wohnung deren Eigentümer ich bin, eingezogen sind und von Beginn an keine Miete oder Kaution gezahlt haben. Ich habe vor Gericht vor vielen Monaten eine Räumungsklage eingereicht, woraufhin die Beklagten zur Räumung der Wohnung durch das Gericht verurteilt wurden. Mit dem Titel bzw. Urteil habe ich Anfang März 2020 die Vollstreckung beim Gerichtsvollzieher in Auftrag gegeben. Die Antwort die ich vom Obergerichtsvollzieher erhalten habe, schockierte mich vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips sehr.

Der Obergerichtsvollzieher antwortete, dass er den Zwangsvollstreckungsauftrag auf unbestimmte Zeit nicht durchführen werde. Grundlage hierfür sei ein Erlass des Ministeriums der Justiz vom 17.03.2020 (Az.: 6274 – Z.6) vor dem Hintergrund der Coronakrise nach dem ausschließlich bei "absoluten Eilfällen" tätig zu werden sei. Daneben enthält das Schreiben als weitere Begründung lediglich den obrigkeitstreuen Hinweis: "Die Anweisung der Landesregierung sind bekannt." (NRW)

Ganz unabhängig von dem Umstand, dass vorliegend meines Erachtens ein dringender Eilfall vorliegt, da sich mein finanzieller Schaden monatlich durch den Ausfall der Miete und die rechtswidrig besetze Wohnung erhöht, verstößt der Erlass des Ministeriums der Justiz vom 17.03.2020 (Az.: 6274 - Z.6) meines Erachtens eklatant gegen den verfassungsrechtlich verankterten Anspruch auf Justizgewähr. Danach besteht für den Gesetzgeber die Pflicht, den Rechtsweg so auszugestalten und zu strukturieren, dass Verfahren in angemessener Zeit nicht nur begonnen, sondern auch beendet und titulierte Ansprüche vollstreckt werden können. Diese Pflicht des Staates und der Anspruch der Bürger sind dabei eine zwingende Konsequenz der Friedenspflicht des Bürgers, des Selbsthilfeverbots des Bürgers und des staatlichen Gewaltmonopols. Dieser Pflicht kommt der Gesetzgeber an sich auch durch die Regelungen der Zivilprozessordnung nach.

In Abweichung der Vorschriften aus der Zivilprozessordnung wird nunmehr jedoch auf der Grundlage eines Erlasses des Ministeriums der Justiz, also der Exekutive die Durchführung von Zwangsvollstreckungsaufträgen auf unbestimmte Zeit ausgeschlossen, soweit kein absoluter Eilfall vorliegt. Somit wird der verfassungsrechtliche Justizgewähranspruch auf unbestimmte Zeit außer Kraft gesetzt.

Eine Einschränkung des verfassungsrechtlich garantierten Justizgewährungsanspruchs ist jedoch aufgrund des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes nur auf der Grundlage eines formellen Gesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar. Bei dem Erlass des Ministeriums der Justiz vom 17.03.2020 (Az.: 6274 – Z.6) handelt es sich hingegen jedoch nur um eine bloße verwaltungsinterne Richtlinie des Ministeriums. Es handelt sich dabei nicht um ein formelles Gesetz und auch noch nicht einmal wenigsten um eine Rechtsverordnung. Eine bloße Verwaltungsrichtlinien bildet keine verfassungsrechtlich zulässige Grundlage, um die durch die Verfassung niedergelegte Garantie auf Justizgewähr einzuschränken oder gar wie vorliegend durch den Erlass des Justizministeriums auf unbestimmte Zeit außer Kraft zu setzen.

Auch der Verweis auf Weisungen der Landesregierung rechtfertigt den Eingriff nicht. Denn auch Weisungen der Landesregierung, also der Exekutive, sind selbstredend keine formellen Gesetze und können den verfassungsrechtliche garantierten Justizgewähranspruch nicht einschränken.

Auch aus der NRW-Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO) vom 22. März 2020 ergibt sich kein Gebot den vorliegenden Zwangsvollstreckungsauftrag nicht durchzuführen. Denn das Kontaktverbot gilt ausdrücklich nur in der Öffentlichkeit, nicht jedoch auf meinem privaten Grundstück in meinem privaten Mehrfamilienhaus.

Ich finde es erschütternd, dass unser Staat - der ein Gewaltmonopol - bereits jetzt kapituliert und faktisch keinen Rechtsfrieden mehr sicherstellt, in dem er per Verwaltungsrichtlinie eines Ministeriums, die Durchsetzung von Urteilen in weiten Teilen auf unbestimmte Zeit außer Kraft setzt.

Über eine Stellungnahme würde ich mich sehr freuen.

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Antwort ausstehend von Peter Biesenbach
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