Frage an Petra Sitte bezüglich Staat und Verwaltung

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Petra Sitte
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Frage von Friedemann M. •

Frage an Petra Sitte von Friedemann M. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrte Frau Dr. Sitte,

Schon seit längerem gibt es Überlegungen zu einer Länderfusion im mitteldeutschen Raum, ohne, dass diese in irgendeiner Weise bislang konkrete Form angenommen hätte. Wie stehen sie zu dem Gedanken, bspw. die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu einem Bundesland Mitteldeutschland zu vereinen, was für Vor- bzw. Nachteile würde diese Maßnahme nach ihrem Ermessen mit sich bringen und halten sie eine solche Reform nach dem derzeitigen politischen Procedere mittelfristig für machbar?

mfg Friedemann Meißner

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Meißner,

herzlichen Dank für Ihre Frage und entschuldigen Sie bitte vielmals, dass Sie so lange auf eine Antwort warten mussten. Gemeinsam mit meinen Mitarbeitern bemühe ich mich, die eingehenden Fragen immer zeitnah zu beantworten, doch Ihr Anliegen ist offenbar irgendwie untergegangen. Das tut mir, wie gesagt, sehr leid.

Nun möchte ich auf Ihre Frage sehr gern antworten. Sie sprechen in der Tat eine langanhaltende Debatte an, die mich schon zu meiner Zeit als Fraktionsvorsitzende im sachsen-anhaltischen Landtag von Zeit zu Zeit begleitete. Grundsätzlich steht DIE LINKE den Fusionsbestrebungen in Mitteldeutschland offen gegenüber.

Es gibt zahlreiche Argumente, die für einen solchen Zusammenschluss sprechen - Kostenersparnisse in der Verwaltung und eine größere Effektivität der Landespolitik durch Bündelung der Kräfte sind vermutlich die Wichtigsten. Beides klingt verlockend. Die Einsparung von Steuergeld in der Verwaltung könnte für soziale Belange oder im Bildungsbereich sehr sinnvoll investiert werden. Eine gemeinsame Wirtschaftspolitik für den mitteldeutschen Raum ist ebenfalls erstrebenswert, da sich dann z. B. Sachsen und Sachsen-Anhalt nicht mehr mit Zugeständnissen überbieten müssten, um Investoren anzulocken - wie in der Vergangenheit ja durchaus zu beobachten war. Gemeinsame Probleme und Anliegen könnten tatsächlich gemeinsam angepackt werden.

Aber es wäre sicher ein Fehler, wenn man eine Fusion der Bundesländer als "Allheilmittel" ansehen würde. Denn es ist erstens durchaus umstritten, ob eine Fusion tatsächlich eine signifikante Geldersparnis mit sich bringen würde. Zwar entstünde eine einheitliche obere Verwaltungsebene (die Landesministerien), doch müssten die untergeordneten Strukturen diversifiziert werden, um in der Fläche weiterhin administrativ präsent zu sein.

Zweitens würde sich die Frage der gemeinsamen regionalen Wirtschaftspolitik nur verschieben. In einem Bundesland Mitteldeutschland würde es zwar von Stendal bis Eisenach und Görlitz eine gemeinsame Landesregierung geben. Aber was ist mit Brandenburg oder dem östlichen Niedersachsen? Gibt es dort fundamental andere Probleme als in den jeweils angrenzenden Gebieten "Mitteldeutschlands"? Die Grenzen von Bundesländern sind in erster Linie Verwaltungsgrenzen und ersetzen keinesfalls eine kooperative Wirtschafts-, Umwelt-, Bildungs- oder Sozialpolitik, über Landesgrenzen hinweg und orientiert an den speziellen Bedürfnissen der lokalen und regionalen Gegebenheiten. Ich habe manchmal die Befürchtung, dass die Debatten um eine Länderfusion hier den Blick zu sehr einengen und unterschlagen, was auch in der bestehenden Gliederung an Kooperation möglich ist.
Ein gutes Beispiel hierfür ist die "Metropolregion Mitteldeutschland". Was einst als ambitionierte Initiative der Vernetzung und Zusammenarbeit im mitteldeutschen Raum begann, scheiterte bisher auch am politischen Unwillen, die nötigen Strukturen zu schaffen. Mein geschätzter Kollege, der Hallesche Landtagsabgeordnete Uwe-Volkmar Köck brachte es 2013 auf den Punkt:

"Die Machbarkeit einer Region hängt auch von der Bereitschaft ab, neue Formen und Strukturen der kommunalen, regionalen und länderübergreifenden Zusammenarbeit zu etablieren und einen Indikativen Ansatz der Raumentwicklung durchzusetzen. [...] Wenn wir es wirklich ernst meinen, kommen wir nicht umhin, von den drei Landtagen als einer gemeinsamen parlamentarischen Plattform aus zu agieren. Der Landtag ist Teil der Governancestruktur der Metropolregion. Er müsste es auf jeden Fall sein. Ergreifen wir also die Initiative, gehen wir auf unsere Kolleginnen und Kollegen in Sachsen und Thüringen zu."
Mein Plädoyer ist an dieser Stelle, sich der Frage von konkreter inhaltlicher Seite zu nähern. Es gibt gemeinsame Probleme in den mitteldeutschen Bundesländern und die sollten gemeinsam bewältigt werden. Sollte dies in den bestehenden Strukturen nicht möglich sein, müssen die Strukturen geändert werden. Ob es dazu einer tatsächlichen Fusion bedarf? Vermutlich nicht, wenn sich alle Entscheidungsträger der Notwendigkeit zur Kooperation wirklich bewusst sind und nicht in Kleinstaaterei verfallen.

Dieser Weg der Neu-Ausrichtung bestehender Strukturen erscheint mir auch ganz praktisch Erfolg versprechender, denn die Hürden für eine Neugliederung des Bundesgebietes sind nicht ohne Grund hoch. Die Fusion zu einem mitteldeutschen Bundesland würde einen Volksentscheid in den drei betreffenden Bundesländern nötig machen. Dass sich die thüringische und sächsische Bevölkerung für einen Zusammenschluss entscheidet, halte ich mittelfristig für eher unwahrscheinlich.

Letztendlich bleibt mein Fazit: eine Fusion von mir aus gern; wichtiger ist aber das Angehen der konkreten politischen Fragen und da ist Kooperation über Landesgrenzen hinweg unverzichtbar.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Sitte

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