Frage an Pia Zimmermann bezüglich Gesundheit

Pia Zimmermann, MdB
Pia Zimmermann
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Frage von Michael v. •

Frage an Pia Zimmermann von Michael v. bezüglich Gesundheit

Schon weit unter den deutschen Grenzwerten treten durch den Mobilfunk Krebs und Erbschäden auf, aber auch Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Fruchtbarkeitsstörungen und vieles mehr (https://kompetenzinitiative.com/broschuerenreihe/). Die Grenzwertfestlegung erfolgt unter der Initiative der ICNIRP, die als privater, industrienaher Verein der Mobilfunkindustrie agiert. Dieser Verein wählt seine Mitglieder selbst aus. Das sind sogenannte Wissenschaftler, die behaupten, die Strahlung sei unterhalb der Grenzwerte ungefährlich. Zudem gibt es zwischen dem ICNIRP und dem Bundesamt für Strahlenschutz, der EU-Kommission und der WHO personelle Verflechtungen (https://klaus-buchner.eu/wp-content/uploads/2019/06/FB-Mobilfunk_Web_26-06-19-1.pdf). Wie ist es möglich, dass ein privater Verein mit Nähe zum Mobilfunk tonangebend ist, wenn es um Strahlenbelastung bzw. Strahlenschutz durch Mobilfunk geht? Warum wird dazu kein wissenschaftlich anerkanntes, neutrales bzw. unabhängiges Gremium herangezogen, um die Bevölkerung und deren politischen Vertreter vor Gesundheitsschäden durch Strahlenbelastung zu informieren bzw. zu schützen, zumal durch den geplanten Ausbau von 5G die Strahlenbelastung noch intensiviert wird?

Pia Zimmermann, MdB
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr v. L.,

vielen Dank für Ihre Frage.

DIE LINKE im Bundestag unterstützt die Forderungen nach vollflächiger Versorgung mit 5G-Infrastruktur. Es soll jeder Mensch in jedem Dorf und jeder Stadt in Deutschland diese Technologie nutzen können. Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch ein Recht auf Teilhabe an Kommunikation hat.

DIE LINKE nimmt die Sorgen um die Auswirkungen von hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf Mensch und Natur ebenso ernst. Aus diesem Grund haben wir in einem langjährigen Verfahren dafür sorgen können, dass sich das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) dieses Themas mit einem eigenen Arbeitsbericht widmet. Hier sollen unabhängig aller Beteuerungen des Bundesamtes für Strahlenschutz, nach dem es keine Hinweise auf die Schädlichkeit von HF-Strahlung gäbe, die bekannte Forschung verifiziert und untersucht werden. Der Bericht soll Anfang 2020 abgeschlossen werden.

Bisherige Evaluationen des aktuellen Forschungsstandes durch die Weltgesundheitsorganisation (https://www.who.int/peh-emf/publications/facts/FS193_German_Aug2015.pdf?ua=1) und der Stiftung Warentest (https://www.test.de/Mobilfunk-Wie-riskant-ist-Handystrahlung-Ein-Faktencheck-5509718-0/) kommen zum Ergebnis, dass es keinen Grund gibt, gesundheitliche Schäden durch die Einführung des Mobilfunkstandards 5G zu erwarten. Rein technisch unterscheiden sich ältere Mobilfunkstandards wie 4G ohnehin nicht grundlegend von 5G. Trotz allem glauben wir, dass sich der Forschungsstand zu elektromagnetischen Feldern (EMF) und hochfrequenter (HF) Strahlung weiterentwickeln und der Umgang mit Mobilfunktechnologie kontinuierlich wissenschaftlich begleitet werden muss.

Im gemeinsamen Anspruch von Gesundheitsschutz und Informationsfreiheit fordern wir, den Ausbau mit Mobilfunktechnologie angemessen zu reglementieren. Wichtig ist dabei das Verständnis, dass weniger Mobilfunkstationen nicht zwingend zu weniger Strahlenbelastung führen, wie man es vielleicht erwarten würde. Das Gegenteil ist der Fall: ein einzelner Mast, der ein großes Gebiet versorgen soll, muss mit erheblich größerer Sendeleistung arbeiten als ein Mast, der in einem engmaschigen Funknetz integriert ist. Dasselbe gilt für Mobilgeräte: je weiter der nächste Mast entfernt ist, desto größer ist die Sendeleistung des Gerätes am Ohr und in der Hosentasche. Obwohl es paradox klingen mag, fordern wir deshalb mehr statt weniger Sendemasten.

Wir fordern einen schnellen flächendeckenden Glasfaserausbau, damit keine Wohnung auf mobile Kommunikation angewiesen ist und gleichzeitig die Funkzellen über Glasfaser miteinander verbunden sind. Neben erheblicher Verbesserung der Systemsicherheit, Durchsatz und Latenz lässt sich auch so das Strahlungsniveau reduzieren.
Um Mehrfachbelastungen durch mehrere volkswirtschaftlich unsinnige parallel arbeitende Funknetze zu vermeiden, fordert DIE LINKE bereits seit Jahren, dass ein inländisches Roaming eingeführt wird. So könnte etwa in jedem Bundesland nur noch ein einziger Anbieter zum Ausbau verpflichtet werden, eine vollständige Netzabdeckung zu gewährleisten. Dieses Netz sollen dann alle Nutzer*innen per für sie kostenlosem Roaming mitnutzen können. Im Gegenzug muss der Anbieter in anderen Regionen nicht länger die kostenintensive Vollversorgung anstreben. So wird einerseits Strahlenbelastung durch Mehrfachnetze minimiert und gleichzeitig die Kosten für alle erheblich gesenkt.

Die WHO orientiert sich bei ihrer Einschätzung der Strahlenbelastung als „möglicherweise krebserregend“ an der Klassifizierung der IARC (internationale Agentur für Krebsforschung). Die Klassifizierung "möglicherweise krebserregend" bedeutet hier, dass eines der folgenden Kriterien erfüllt sein muss: 1. Begrenzte Evidenz für krebserregendes Potenzial bei Menschen; 2. Hinreichende Evidenz für krebserregendes Potenzial bei Labortieren; 3. Starke Evidenz, dass der Stoff Merkmale eines krebserregenden Stoffes aufweist (https://monographs.iarc.fr/wp-content/uploads/2019/07/Preamble-2019.pdf). Die Formulierung „begrenzte Evidenz“ meint dabei aber nicht, dass es wenige Studien gibt, die einen Zusammenhang zeigen. Viel mehr ist folgendes gemeint: "Eine kausale Interpretation des Zusammenhangs ist glaubhaft, aber Störfaktoren konnten nicht überzeugend mit Sicherheit ausgeschlossen werden". Das heißt, ein krebserregendes Potenzial bei Menschen ist keine etablierte und zweifelsfreie These, selbst wenn es begrenzte Evidenz für ein krebserregendes Potenzial von Strahlung bei Menschen gibt. Zur Einordnung ist auch noch zu bedenken, dass diese Klassifizierung in Abgrenzung zu "wahrscheinlich krebserregend" steht, welche wesentlich härtere Kriterien beinhaltet. Hierfür müssen zwei der vorhin beschriebenen Kriterien müssen erfüllt sein, zusätzlich müssen Tests mit Menschen oder menschlichem Gewebe positiv ausgefallen sein.

Mit freundlichen Grüßen

Pia Zimmermann