Frage an Renate Schmidt bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Renate Schmidt
MLPD
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Frage von Joachim W. •

Frage an Renate Schmidt von Joachim W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Schmidt,

ersteinmal mein Dank für die unglaublich ausführliche Beantwortung meiner Frage. Man spürt die Intensität, mit der Sie Ihre Standpunkte vertreten.

Das Entfallen eines praktizierten Gegenentwurfs einer "sozialistischen" Gesellschaftsordnung hat ja in der Tat Konsequenzen auf unser aller Leben gehabt. Die Globalisierung in der Form, wie wir sie heute alle erleben können, wäre vermutlich in einer "zweigeteilten" Ost/West-Welt in dieser Intensität, also allein nur im damaligen Westen, nicht möglich gewesen.

Meine Frage: Was meinen Sie, wie lange wird es dauern, bis es wieder einen gesellschaftsfähigen Gegenentwurf der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung geben wird? 2, 3, 4 Generationen? Zu unser beider Lebzeiten kann ich mir das eigentlich nicht vorstellen.

Freundliche Grüße

Antwort von
MLPD

Hallo Herr Wald,

Sie stellen wirklich interessante Fragen und ich beantworte sie gerne. Wie lange wird es dauern bis eine neue Gesellschaftsordnung sich durchsetzt? Weil niemand hellsehen kann, muss ich auch auf diese Frage etwas ausführlicher eingehen.
1. Der Verrat am Sozialismus (Revisionismus) und die Restauration (Wiederherstellung) des Kapitalismus (getarnt als Sozialismus) - diese historische Niederlage des Sozialismus hat die kommunistische Bewegung auf der ganzen Welt um Jahrzehnte zurück geworfen. Schon ab 1976 (nach dem Tod von Mao Tsetung / China) gibt es weltweit keinen praktizierten Gegenentwurf einer sozialistischen Gesellschaft. Dieser Verrat am Sozialismus von innen heraus, ausgehend von der Veränderung der Denkweise der führenden "Kommunisten", und der anschließende Rückfall in den Kapitalismus - das mußte in der kommunistischen Weltbewegung erst einmal erkannt, analysiert, verarbeitet und Konsequenzen gezogen werden. Dieser Rückfall hat auch die kommunistischen Parteien weltweit gespalten, zerstört und regelrecht atomisiert. Dieser Verarbeitungsprozeß ist in den revolutionären Parteien und Organisationen weltweit im Gang. Wir bezeichnen die MLPD auch als eine marxistisch-leninistische Partei "neuen Typs", weil wir die Lehren aus diesen geschichtlichen Erfahrungen gezogen haben. Nehmen Sie an, Sie wären ein Flugzeugingenieur, Sie haben Ihr erstes Flugzeug gebaut und es fliegt tatsächlich, die Sache klappt gut, aber nach einiger Zeit stürzt Ihr Flugzeug doch ab. Was würden Sie tun? Natürlich, Sie würden den Fehler suchen der zum Absturz geführt hat und den Fehler beheben und überhaupt das ganze Flugzeug durchcheken, die bewährten Sachen übernehmen, andere verändern, neue Ideen einbringen. Und Sie würden ein neues, verbessertes Flugzeug starten. Oder würden Sie nach den ersten Versuchen gleich aufgeben und sagen: Seht ihr, der Mensch fliegt nie??? 2. Sie haben vollkommen recht: Ohne den Zusammenbruch der Sowjetunion und ihres Machtbereiches wäre die "Globalisierung" so nicht möglich gewesen. In unserem Buch "Götterdämmerung über der ´neuen Weltordnung`" (erschien 2003) wird diese Neuorganisation der internationalen Produktion analysiert. Im Vorwort dieses Buches heißt es: "Mit der Neuorganisation der internationalen Produktion als ökonomischem Kern der gesellschaftlichen Veränderungen haben sich eine Vielzahl verheerender Krisen, Kriege und Zusammenbrüche ergeben. Die revolutionären Produktivkräfte drängen nach weltumspannender Entfaltung - und ersticken im Korsett überlebter gesellschaftlicher Strukturen des Imperialismus. Weil das kapitalistische System diese Probleme nicht lösen kann, beschleunigt sich sein Niedergang. Doch in ihm reifen zugleich alle materiellen Vorbereitungen für eine wirklich neue Weltordnung...." Die Zuspitzung der Widersprüche im Kapitalismus, der krasse Widerspruch zwischen moderner Produktion, Wissenschaft, Technik, Reichtum und Möglichkeiten und dem dass kein Menschheitsproblem gelöst wird und überall nur Krisen sind - das ist die Grundlage dafür dass es in Richtung revolutionärer Weltkrise geht. Müßte auch nur ein Kind verhungern? Könnte man die Energiewende nicht längst weltweit planen und umsetzen? Mit der modernen Kommunikationstechnologie könnte man weltweit planmäßig produzieren entsprechend den wirklichen Bedürfnissen der Menschen und in Einheit mit der Natur. Warum muss es Kriege geben um Öl, Wasser, Rohstoffe, Macht- und Einflusssphären? Schon heute haben wir doch überall Massenkämpfe, Hungeraufstände, Volkserhebungen, Arbeiterstreiks, Jugendrebellion überall auf der Welt. Kein Tag vergeht, ohne dass irgendwo demonstriert, gestreikt, gekämpft wird. In Deutschland mag es derzeit noch relativ ruhig sein, aber das bleibt nicht so. Unser Standpunkt ist ohnehin: es gibt keine Revolution ohne oder gegen die Volksmassen. 3. Eine sozialistische Revolution, die unserer Meinung nach (auf der Grundlage der heute internationalisierten Produktion) einen internationalen Charakter haben muss, fällt nicht vom Himmel. Sie muss systematisch vorbereitet, geführt und organisiert werden. 2011 hat die MLPD das Buch herausgegeben: "Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution". Darin wird die Strategie und Taktik entwickelt, wie heute ein weltweiter neuer Anlauf und Weg zum Sozialismus organisiert und geführt werden muss. Im Grunde ist dieses Buch die Antwort auf Ihre Frage. Die internationale Industriearbeiterklasse sehen wir als die führende und entscheidende Kraft an. Wie kommt die Arbeitereinheit über Ländergrenzen hinweg zustande? So unterstützen wir tatkräftig z.B. internationale Automobilarbeiterkonferenzen, im März dieses Jahres war in Peru die erste internationale Bergarbeiterkonferenz. In Venezuela war 2011 die erste internationale Frauenkonferenz der Basisfrauen. Unsere Betriebsgruppen organisieren konzernweite Zusammenarbeit u.s.w. Im Jahr 2010 wurde die ICOR gegründet, das ist eine neue revolutionäre Weltorganisation mit 44 revolutionären Parteien in 4 Kontinenten. Mit der ICOR soll Schritt für Schritt revolutionäres internationales Bewußtsein geschaffen werden und die Arbeiter-, die Frauen-, Umwelt-, Jugendbewegung weltweit geeint und Richtung Sozialismus voran gebracht werden. Die MLPD hat außerdem 810 internationale Kontakte in 98 Ländern.
4. Die Menschheit hat ohnehin keine Wahl. Sie muss die Diktatur des internationalen Finanzkapitals stürzen und den Sozialismus aufbauen, sonst geht sie zugrunde an Kriegen, Elend, und vor allem in der Umweltkatastrophe. Wussten Sie, dass weltweit die meisten Menschen im Kampf zur Rettung der Umwelt aktiv sind? Wir haben analysiert, dass sich die Erde mitten im Übergang zu einer globalen Umweltkatastrophe befindet mit jetzt schon irreversiblen Schäden. Klimakatastrophe, die Verschmutzung der Weltmeere, radioaktive Verseuchung, rücksichtslose Plünderung der letzten Rohstoffe, die Abholzung der Regenwälder, das Artensterben, regionale Umweltkatastrophen - unsere Kinder und Enkel werden es mit Problemen zu tun bekommen, von denen wir uns noch kein Bild machen können. Wir müssen den Öl-Multis, den Automonopolen, den Kohle- Kernkraft- und Energiekonzernen, den Chemie- Lebensmittel- und Pharmakonzernen u.s.w.(die alle mit den Großbanken verflochten sind) das Handwerk legen und eine Gesellschaft aufbauen, in welcher alle Fähigkeiten, Arbeitskraft, Herzen und Hirnschmalz für die Lösung der Probleme der Menschheit, die Rettung von Mutter Erde und die Bedürfnisse der Massen eingesetzt wird. Viele Generationen hat die Menschheit allerdings nicht mehr Zeit, um das Ruder herumzureißen! Unsere Grundlinie ist: Rettet die Umwelt vor der Profitwirtschaft! 5. Wie lange das alles gehen wird? Der Prozeß ist doch längst in Gang! Arabischer Frühling, Türkei, Griechenland, China, Russland - überall stehen die Menschen entschlossen und mutig auf. Aber wohin soll die Reise gehen? Welche neue Ordnung soll kommen? Funktioniert das mit dem Sozialismus? Die Frage wird überall gestellt und diskutiert. Die revolutionären und marxistisch-leninistischen Parteien die solch einen Prozess fördern und führen, sind allerdings noch relativ schwach. Das ist ein Problem. Wir sehen gerade in der Stärkung und Ausweitung der ICOR den Schlüssel. Ob wir beide den Sozialismus noch erleben werden? Das ist schwer zu sagen, aber sicher ist: wir gehen unruhigen, revolutionären Zeiten entgegen. Der Sozialismus lebt auch heute schon in den Kämpfen der Massen und in den Revolutionären der Welt. Er ist als Theorie auf die heutige Zeit ausgearbeitet, der Marxismus-Leninismus wird immer weiter entwickelt und es sind alle materiellen Voraussetzungen vorhanden. Langer Rede, kurzer Sinn: "Der Kommunismus ist das einfache, das schwer zu machen ist." (B. Brecht)

Mit freundlichen Grüßen Renate Schmidt