Sehr geehrter Herr T.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Den Vorschlag zu einer gesetzgebenden Volksabstimmung lehne ich ab. In Deutschland hat man sich nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst dafür entschieden, eine repräsentative Demokratie aufzubauen. Der demagogische und populistische Eindruck aus den Zeiten Weimars und des Dritten Reichs war in den Köpfen der Väter des Grundgesetzes fest verankert. Im Gegensatz zur Schweiz, das von Befürwortern von Volksabstimmungen oftmals herangezogen wird, hat sich in Deutschland eine andere Form der Demokratie entwickelt. Die Opposition hat eine wichtige Kontrollfunktion und Koalitionsregierungen wechseln sich ab. In der Schweiz hingegen ist alles auf Konkordanz, sprich möglichst viele Akteure sollen in den politischen Prozess miteingebunden werden, ausgerichtet. Auch gibt es keine wirkliche Opposition, sondern möglichst viele Parteien sollen im Bundesrat vertreten sein.

Zusammenfassend sehe ich nicht, warum wir unser gut funktionierendes System ablösen sollten. Denn auch in der Schweiz, in der Volksabstimmungen gut funktioniert haben, kam es in letzter Zeit zu immer mehr von Populismus motivierten Volksabstimmungen (Minarettinitiative, Masseneinwanderungsinitiative), die die Regierung vor massive Probleme gestellt haben und das Land im Bereich der Europapolitik in eine Sackgasse manövriert haben.

Herzliche Grüße
Roderich Kiesewetter