Angesichts politischer Initiativen wie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Reicht Zuwanderung aus, um Fachkräftemangel zu lösen, oder müssen Arbeitsbedingungen grundlegend verbessert werden?
Ich beziehe mich mit meiner Frage auf politische Maßnahmen wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, neue Visa-Erleichterungen für Drittstaaten sowie die öffentliche Diskussion, nach der Deutschland „mehr Zuwanderung für den Arbeitsmarkt“ benötige. Gleichzeitig fehlen in vielen Branchen – insbesondere in der Pflege, im Handwerk und im Erziehungsbereich – Arbeitskräfte, obwohl diese Berufe bereits heute stark belastet sind. Deshalb interessiert mich, ob wir uns nicht stärker mit den Ursachen des Fachkräftemangels beschäftigen sollten: nämlich Arbeitsbedingungen, Bezahlung, Vereinbarkeit und Wertschätzung. Meine Frage zielt darauf ab, ob Migration wirklich die strukturellen Probleme lösen kann oder ob wir nur Symptome überdecken.
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich teile Ihre Einschätzung: Bevor Migration als Lösung für den Fachkräftemangel propagiert wird, muss ehrlich analysiert werden, warum bestimmte Branchen überhaupt so große Lücken haben. Diese entstehen nicht zufällig, sondern sind häufig das Ergebnis unattraktiver Arbeitsbedingungen, schlechter Bezahlung, hoher Belastung und fehlender Entwicklungsperspektiven.
Wenn man diese strukturellen Probleme ignoriert und stattdessen allein auf Zuwanderung setzt, löst man nicht die Ursache, sondern verschiebt das Problem. Viele Branchen, die heute händeringend Personal suchen, wurden über Jahre hinweg vernachlässigt – besonders Pflege, Erziehung, Handwerk und Teile des Dienstleistungssektors. Solange Arbeitsbedingungen, Bezahlung und Wertschätzung dort nicht deutlich verbessert werden, kann Migration allenfalls kurzfristig entlasten, aber keine nachhaltige Lösung sein.
Das heißt nicht, dass qualifizierte Zuwanderung grundsätzlich falsch ist. Sie kann sinnvoll sein, wenn sie gezielt erfolgt und Integration realistisch gelingt. Sie darf jedoch nicht als Ersatz für dringend notwendige Reformen im eigenen Land dienen.
Kurz gesagt: Bevor wir Migration weiter vorantreiben, müssen wir Arbeit in den betroffenen Branchen wieder attraktiv machen. Alles andere behandelt Symptome – nicht die Ursachen.
