Frage an Sascha Raabe bezüglich Finanzen

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Sascha Raabe
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Frage von Zinon H. •

Frage an Sascha Raabe von Zinon H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Raabe

Unter den Nachrichten der letzten Zeit findet sich die Meldung über immer neue und höhere Schulden, besonders die Neuverschuldung des Bundes (aktuell über 1,5 Billionen Euro!)
Bei dieser Gelegenheit habe ich mir einmal folgende Frage gestellt:
Bei WEM hat die Bundesrepublik eigentlich diese Schulden?

(Ich möchte hier auch einmal anmerken, dass es wohl Jahrhunderte dauern würde, diese Schulden auf "herkömmlichen" Wege abzubezahlen).

Wenn diese Schulden bei Banken eingetragen sind/sein sollen, dann frage ich mich weiterhin:
Es gehen doch gerade auf Grund der Wirtschaftkrise viele Banken pleite bzw. fordern staatliche Untersützung. Wenn jetzt aber der Staat bei solchen Banken Schulden hat:

Wieso wird dann nicht z.b. vereinbart dass bei staatlicher Hilfe Schulden oder Kreditforderungen erlassen werden?

Ich erwarte dankend Ihre Antwort

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Sehr geehrter Herr Heck,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich kann sehr gut verstehen, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Monate bei vielen Bürgern Fragen zu unserem Finanzsystem aufgeworfen hat. Da sich die wirtschaftliche Lage zunehmend verschlechterte, war es notwendig, dass der Staat eingriff. Mit verschiedenen Maßnahmen, wie den Konjunkturpaketen I und II, leistete er einen großen Beitrag, um die negativen Folgen abzumildern und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Wie Sie richtig anmerken, hat dieser Einsatz eine Kehrseite: Die Staatsschuld ist stark angestiegen. Das Staatsdefizit, das die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben angibt, hat sich in den letzten Wochen und Monaten deutlich vergrößert. Die Gründe hierfür sind zwei gleichzeitig ablaufende Entwicklungen: Einerseits nimmt der Staat weniger ein, andererseits muss er aber -- etwa für das Konjunkturpaket II -- mehr ausgeben. Erfreulich anzumerken ist jedoch, dass dieses Defizit in den ersten beiden Quartalen des Jahres geringer ausgefallen ist als erwartet. Dennoch muss dieses Defizit ausgeglichen werden, was zur von Ihnen angesprochenen hohen Neuverschuldung des Bundes und dem höheren Schuldenstand führt.

Wir Sozialdemokraten haben uns daher besonders dafür stark gemacht, dass eine Schuldenbremse im Grundgesetz verankert wurde. Damit wird die Aufnahme neuer Schulden in Zukunft wirkungsvoll begrenzt. Zentral ist dabei die Beschränkung der Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in konjunkturell normalen Zeiten. Dies entspricht pro Jahr etwa 8 Milliarden Euro. Defizite im Abschwung müssen künftig durch Überschüsse im Aufschwung ausgeglichen werden.

Um Ihre Frage, bei wem die Bundesrepublik denn Schulden hat, zu beantworten, muss ich etwas weiter ausholen. Die deutschen Staatsschulden setzen sich zusammen aus den Schulden von Bund, Ländern und Kommunen. Diese Schulden werden überwiegend durch Wertpapiere finanziert. Das funktioniert folgendermaßen:
Ein Anleger leiht dem Staat Geld und erhält im Gegenzug dafür einen Schuldschein oder eine Bundesanleihe -- zu festen Zinssätzen. Nach einer vereinbarten Laufzeit zahlt der Staat dem Anleger das geliehene Geld zurück. Anleger sind -- neben Privatpersonen -- meist Banken, Versicherungen und Investmentfonds.
Bei den Bundeswertpapieren handelt es sich liquide Mittel ohne Kursrisiko, da der Zinssatz ja fest ist. Sie sind jederzeit durch den Anleger wieder veräußerbar. Für die Bürgerinnen und Bürger ist es durchaus attraktiv, der Bundesrepublik Geld zu leihen, denn Deutschland zählt zu den sichersten Schuldnern der Welt.

Nun zu Ihrem Vorschlag, lieber Herr Heck, dass die Banken der Bundesrepublik, wenn ich Sie richtig verstehe, als Gegenleistung für die Finanzhilfen, die Schulden erlassen könnten. Diese Maßnahme würde aus meiner Sicht der gesamtwirtschaftlichen Situation wenig nutzen. Das Ziel der Finanzhilfen für die Banken ist, dass diese zahlungsfähig bleiben und somit Kredite an Unternehmen gewähren. /Das ist nötig, weil es /das Überleben deutscher -- vor allem kleiner und mittlerer -- Unternehmen sichert. Sie benötigen Kredite, um genügend liquide Mittel zur Finanzierung von Investitionen zur Verfügung zu haben. Nur so ist wirtschaftlicher Aufschwung möglich. Verleihen die Banken nicht mehr genug oder gar kein Geld -- wie momentan -- wächst die Gefahr einer Kreditklemme. Diese schadet der wirtschaftlichen Entwicklung und bringt weitreichende Konsequenzen für Verbraucher, Unternehmen und die gesamte Wirtschaft.

Die Politik ist sich dessen bewusst. Daher greift der Bund unterstützend ein: Mit dem so genannten Wirtschaftsfonds stellt die Bundesrepublik bis 2010 insgesamt 75 Milliarden Euro für Bürgschaften und 40 Milliarden für Kreditprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bereit. Das sichert die Kreditversorgung der Wirtschaft. In diesem Zeitraum entlastet der Bund die Haus- und die Bürgschaftsbanken im Risiko bei Investitions- und Betriebsmittelfinanzierungen. Oder anders ausgedrückt: Der Staat übernimmt mittels der Bürgschaften einen Teil der Absicherung, den die Banken nicht leisten können. Bei Zahlungsunfähigkeit steht der Bund dann für die Verbindlichkeiten der jeweiligen Institutionen ein. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass es sich bei den Finanzhilfen des Bundes überwiegend um Bürgschaften handelt und somit kein direkter Mittelabfluss stattfindet. Das Programm des Bundes sorgt für Sicherheit in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Es entlässt die Banken keinesfalls aus ihrer Verantwortung, die Wirtschaft ausreichend mit Krediten zu versorgen.

Damit die einfachen Steuerzahler nicht auf den Kosten der Bankenkrise hängen bleiben, hat die SPD-Bundestagsfraktion beschlossen, dass mögliche Defizite bei den Bürgschaften und Hilfen für einzelne Banken am Ende durch eine Sonderabgabe vom gesamtem Bankensektor ausgeglichen werden müssen. Damit wollen wir Sozialdemokraten erreichen, dass der Steuerzahler nicht den Schaden zahlen muss, den hoch bezahlte Bankmanager angerichtet haben.

Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen einen Einblick in das sehr umfangreiche und komplexe Thema Schulden und Staatshilfen geben und damit Ihre Frage beantworten konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Sascha Raabe