Frage an Siemtje Möller bezüglich Staat und Verwaltung

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Siemtje Möller
SPD
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Frage von Fritz O. •

Frage an Siemtje Möller von Fritz O. bezüglich Staat und Verwaltung

Ich habe eine Grundsatzfrage: Ist es nicht möglich, gewählte Abgeordnete (Bundestag und auch Länderparlamente, vornehmlich aber MdB) einen Eid auf die Verfassung, also auf unser Grundgesetz schwören zu lassen? M.E. müsste dafür das Wahlgesetz oder gar das Grundgesetz geändert werden, richtig?
So wäre es möglich, verfassungsfeindliches Verhalten, resp. verfassunswidrige Äußerungen zu sanktionieren bis hin zur Entfernung der Eidbrecher aus dem jeweiligen Parlament.

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Sehr geehrter Herr O.

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zur Möglichkeit eines Eids auf die Verfassung.

Während der Bundespräsident, die Mitglieder der Bundesregierung sowie die Richter des Bundesverfassungsgerichts bei der Übernahme ihre Amtes einen Eid auf unsere Verfassung ablegen, erklären Bundestagsabgeordnete lediglich beim Wahlleiter, dass sie das Amt und Mandat einer/eines Bundestagsabgeordneten übernehmen. Die Forderung nach einem Verfassungseid für Bundestagsabgeordnete ist nicht neu. Abgeordneteneide waren in der Tat – auch im deutschsprachigen Raum bis zur Weimarer Republik – üblich. Heute sind sie jedoch nur noch in einigen Staaten zu finden. Grund dafür ist im Prinzip das folgende Paradox: Die oder der Abgeordnete wird auf die Verfassung vereidigt, gleichwohl gehört es zu seinen Aufgaben, die Gesetze und damit grundsätzlich auch die Verfassung zu ändern.

Zwar wäre es möglich, durch eine Verfassungsänderung einen Eid auf unser Grundgesetz vorzusehen. Fraglich ist aber, ob dies über einen deklaratorischen Charakter hinaus auch einen sonstigen Mehrwert hätte. Verfassungsfeindliches Verhalten und verfassungswidrige Äußerungen sind bereits strafbar (vgl. 80a StGB ff.). Die Bundestagsabgeordneten genießen außerdem nur Immunität. Anders als bei der Indemnität, schützt die Immunität nicht vor einer Strafe. Die Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Bundestagsabgeordnete wird grundsätzlich erteilt. Somit ist die strafrechtliche Verfolgung von verfassungsfeindlichem Verhalten möglich. Einer/einem Bundestagsabgeordneten kann das Mandat außerdem nur in bestimmten Fällen entzogen werden: bei ungültigem Erwerb der Mitgliedschaft, bei Neufeststellung des Wahlergebnisses, beim Wegfall der Wählbarkeitsvoraussetzungen oder gemäß § 46 Abs. 4 Bundeswahlgesetz bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei durch das Bundesverfassungsgericht. Angesichts unserer parlamentarischen Geschichte, glaube ich, dass es auf der Hand liegt, warum die Hürde für einen Mandatsentzug so hoch ist.

Sehr geehrter Herr Oeltermann, ich kann nachvollziehen, warum ein politischer Eid für Abgeordnete vorteilhaft aussieht. Ich glaube aber nicht, dass eine politische Eidesformel auch eine normative Kraft entfaltet. Ein Eid auf die Verfassung wäre also nur eine feierliche Erklärung, ohne dass daraus zusätzliche Pflichten hinzukommen.

Mit besten Grüßen
Siemtje Möller

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