Frage an Silvia Klingenburg-Pülm bezüglich Finanzen

Silvia Klingenburg-Pülm
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Götz B. •

Frage an Silvia Klingenburg-Pülm von Götz B. bezüglich Finanzen

Lt. Aussage der Grünen, soll das Steuersystem so umgestellt werden, das wir als Besserverdiender (Angestellte) bis zu 600,- mehr Steuern im MONAT zahlen sollen. Sagen Sie mir doch mal bitte, warum ich NUR allein aus diesem Grund die Grünen wählen sollte und was vor allem mit dem Geld passiert, wenn ich lese, wie Banken und Griecheland davon saniert werden. Geld für unseres eigenes Bildungssystem aber nicht da ist und regelmäßig die Diäten ( auch von Ihnen erhöht werden).

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Brune,

vielen Dank für Ihre Nachfrage. Manche Medien schüren derzeit die Sorge, dass auf die Bürgerinnen und Bürger erhebliche Belastungen zukommen werden. Dies ist nicht der Fall. Im Gegenteil: Bd 90/Die Grünen wollen geringere und mittlere Einkommen entlasten.

Die von Ihnen genannte Mehrbelastung in Höhe von 600 Euro monatlich kann ich nicht nachvollziehen. Im Anhang und im Internet auf http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/steuern/PDF/FAQ_Einkommensteuer.pdf finden Sie eine Übersicht, wie hoch die Entlastungen und Belastungen bei monatlichen Einkommen von 1.000 Euro bis 10.000 Euro bei der Grünen Einkommensteuer wären. Selbst bei einem monatlichen Einkommen von 10.000 Euro belaufen sich die Belastungen nicht auf 600 Euro, sondern auf 281,86 Euro.

Wir achten darauf, dass niemand überfordert wird, denn die Grundlage unserer finanz- und steuerpolitischen Reformen ist eine transparente Finanz- und Haushaltspolitik, die die Gesamtbelastung der Bürgerinnen und Bürger beachtet.

Wir haben bei der Entwicklung und Umsetzung unserer Reformen auf Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit geachtet. Entlang dieser Maßstäbe haben wir unsere steuerpolitischen Reformen überprüft und werden dies auch in Zukunft tun.

Wir wollen Schulden abbauen, den Verfall der öffentlichen Infrastruktur stoppen, in Bildung, Betreuung, in Gerechtigkeit und in die Energiewende investieren. Weil wir nichts versprechen, was wir nicht halten können, sagen wir ehrlich, wie wir das finanzieren wollen. Dabei haben für uns Ausgabenkürzungen an anderer Stelle und Subventionsabbau Vorrang vor Steuererhöhungen. 65 Prozent unserer Vorschläge sind Ausgabenkürzungen und Subventionsabbau. So wollen wir u.a. auf teure und unsinnige Rüstungsprojekte, das Betreuungsgeld und die steuerliche Bevorzugung von schweren Dienstwagen verzichten. Damit können wir Milliarden einsparen.

Aber auch die Einnahmeseite des Staates muss verbessert werden, denn die öffentliche Hand ist trotz guter Steuereinnahmen mit mehr als 2 Billionen Euro tief verschuldet. Seit zehn Jahren investiert der Staat weniger als zum Erhalt der Infrastruktur notwendig wäre. Sie können es am Zustand der Schulen und Straßen bei sich vor Ort direkt sehen. Um Deutschlands Bildungsausgaben auf ein international vergleichbares Niveau zu heben, bräuchten wir mehr als 20 Mrd. Euro. Doch ohne höhere Einnahmen werden die Länder künftig auch bei der Bildung kürzen müssen, um die Schuldenbremse einzuhalten.

Bei unseren Vorschlägen haben wir darauf geachtet, dass die breite Mittelschicht nicht belastet wird. Zur Mittelschicht zählt, wer heute in Deutschland als Ledige/r zwischen 18.000 € und 48.000 € brutto im Jahr verdient. Ein Mittelschicht-Haushalt mit zwei Kindern hat aktuell ein Bruttojahreseinkommen zwischen 32.000 € und 80.000 €. Diese Zahlen entsprechen der Mittelschichtdefinition, wie sie z.B. bei Analysen der Forschungsinstitute verwendet wird.

Wir wollen den Grundfreibetrag von derzeit 8.130 € auf 8.712 € erhöhen, damit bleibt ein höherer Anteil Ihres Einkommens steuerfrei. Der Spitzensteuersatz beträgt aktuell 42% ab rd. 53.000 € zu versteuerndem Einkommen. Für darüber liegende Einkommen wollen wir den Satz allmählich bis auf 49% ansteigen lassen. Er greift dann für zu versteuerndes Einkommen, das oberhalb von 80.000 € liegt. Das entsprechende Bruttoeinkommen, ab dem der Spitzensteuersatz greift, liegt aber deutlich höher. Denn vom Bruttoeinkommen können Sie verschiedene Kosten abziehen, die ebenfalls steuerfrei bleiben. Das sind z.B. die Kosten für Fahrten zur Arbeit, Krankenversicherungsbeiträge aber auch Kinderbetreuungskosten, Spenden an gemeinnützige Organisationen, Ausbildungskosten oder auch Ihre private Altersvorsorge durch Riester- und Rürup-Rente. In der Gesamtwirkung entlasten wir alle Singles mit einem Brutto-Einkommen bis zu rund 67.000 €. Aber auch darüber steigen die Belastungen erst moderat an. So fallen bei einem Einkommen von 70.000 € nur 50 € pro Jahr höhere Steuern an. Ein Single mit einem Bruttoeinkommen von 90.000 € trägt heute pro 100 € Einkommen etwa 30 € zur Finanzierung unseres Gemeinwesens bei. Mit unseren Reformen werden es 31,60 € sein. Übrigens: Abgeordnete des Deutschen Bundestags müssten nach dieser Reform 170 €/Monat mehr an Steuern zahlen!

Wir wollen in Bund, Länder und Kommunen über 10 Mrd. Euro mehr für Hochschulen, Ganztagsschulen und Kitas investieren. Außerdem investieren wir 3,5 Mrd. Euro in die Energiewende und in den Klimaschutz. So entstehen neue Arbeitsplätze. Die Vermögensabgabe baut jedes Jahr 10 Mrd. Euro Schulden ab, zusätzlich planen wir 7 Mrd. Euro in Bund, Ländern und Kommunen für die Haushaltskonsolidierung ein. 6 Mrd. Euro investieren wir in bessere Sozialleistungen, wo es am nötigsten ist: wir finanzieren damit den Einstieg in die Kindergrundsicherung, einen verfassungsfesten ALG II Satz, höhere Leistungen für arme Kinder und die Garantierente als Schutz vor Altersarmut. Das heißt: Über 40 Prozent der neuen Spielräume werden in Bildung und Betreuung investiert, 25 Prozent in die Haushaltskonsolidierung und 21 Prozent in gerechtere Sozialleistungen.

Und wir wollen die Familienförderung in Deutschland neu ausrichten. Wir wollen Kinder, nicht Ehen fördern. Wir wollen insgesamt mehr Geld zur Förderung von Kindern investieren und die bestehenden Instrumente maximal auf die Förderung von Kindern umstellen. Das Ehegattensplitting nützt aber jedem vierten Kind gar nichts, da sie in Alleinerziehendenhaushalten oder bei unverheirateten Paaren aufwachsen. Wir wollen das Ehegattensplitting ersetzen. Wir wissen aber, dass viele Frauen nicht von heute auf morgen eine Arbeit aufnehmen können. Viele Haushalte sind deshalb auf das Ehegattensplitting angewiesen. Deshalb bauen wir das Splitting sozialverträglich und schrittweise ab. Wir begrenzen in einem ersten Schritt den Steuervorteil eines Ehepaars auf maximal 1.500€. Berührt werden durch diese Reform nur Ehen, in denen die Einkommen sehr ungleich zwischen den Partnern verteilt sind und in denen das Hauptverdienereinkommen sehr hoch ist. Zusammen mit der Reform des Ehegattensplittings leiten wir den Systemwechsel zur Kindergrundsicherung ein. Alle Einnahmen aus dieser Reform werden wir Cent für Cent in bessere Kitas und Schulen und den Aufbau einer Kindergrundsicherung investieren. Die Kindergrundsicherung bedeutet eine Umstrukturierung des Familienlastenausgleiches. Derzeit werden Kinder aus einkommensstarken Haushalten durch den Kinderfreibetrag mit der höchsten Summe gefördert. Wir sagen: jedes Kind ist gleich viel wert. Als ersten Schritt zur Kindergrundsicherung wollen wir Kindern aus Gering- und Normalverdiener-Familien besser fördern, der Kinderfreibetrag bleibt bei seiner jetzigen Höhe. Eine Familie mit zwei Kindern und einem Einkommen von 45.000€ erhält so 528 Euro pro Jahr mehr als heute, eine Familie mit einem Kind 264 Euro.

Die Antwort ist etwas länger ausgefallen. Ich hoffe, damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Silvia Klingenburg-Pülm