Frage an Ska Keller von Erich-Günter K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Frau Keller,
Als EU-Bürger hätte ich zum Start der Gespräche über ein EU-US-Freihandelsabkommen diese ersten Fragen:
1. Gemeinsame Ziele (aus dem Mandatsentwurf des EU-Rates): „The preamble will recall that the partnership with the United States is based on COMMON PRINCIPLES AND VALUES” - auf welchen Prinzipien und Werten genau? (...)
2. Weiter im Entwurf: It will refer, inter alia, to: SHARED VALUES IN SUCH AREAS AS HUMAN RIGHTS, FUNDAMENTAL FREEDOMS, DEMOCRACY AND THE RULE OF LAW. Da Werte im Prinzip nicht verhandelbar sind, sollte zumindest Klarheit darüber herrschen, welche Rechtsnorm im Streitfall Anwendung findet – EU-oder US-Recht? Bekanntlich unterscheidet sich kontinentaleuropäisches und angelsächsisches US/GB-Recht ganz erheblich z.B. Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern und den Unternehmen.
3. Darstellung unterschiedlicher Positionen zu Kernaufgaben des Staates (Daseinsvorsorge), die -ja/nein- an Privatfirmen vergeben werden können: Öffentliche Verwaltung (s. Arvato in GB, innere und äußere Sicherheit, Nachrichtendienst(s. Booz Allen Hamilton)
4. Verhandlungsdelegationen – Aufgaben, Personen, sind externe Beratungsfirmen und -anwälte involviert?
5. Verhandlungsphasen: sind Sondierung und Vorgespräche abgeschlossen, ist der Rahmen abgesteckt?
6. Verhandlungsfelder – welche Bereiche sind ausgenommen (z.B. Rüstung, Agrar/Ernährung, Forschung, Bildung, Gesundheit, sind bei den vereinbarten Ausnahmen im Sektor „Audio-Visuelles“ auch Bühnen, Theater, Orchester, Tanz mit dabei? Und gelten Sparkassen, Genossenschaften und Körperschaften öffentlichen Rechtes als wettbewerbskonform?)
7. Dilemma: relativ einmütiges Vortragen und Auftreten der USA/GB-Vertreter bei Zielen, Interessen, Positionen. Dagegen schwächere Position der Kontinental-EU-Verhandler bei ungleich höherem Abstimmungsaufwand (27-EU-Staaten) zur Mandatsgestaltung. Wie soll das gehen?
8. Dauer und Kosten des Verhandlungsprojektes
Vielen Dank und
freundlich grüßt
EGK
Sehr geehrter Herr Kerschke,
Vielen Dank für Ihre Fragen an mich!
Leider kann ich die wenigsten Ihrer Fragen beantworten - da müssten Sie sich am besten an die Kommission oder die entsprechenden Mitgliedstaaten direkt wenden, da ich nicht an ihrer Stelle sprechen kann. Viele Informationen sind zudem der Öffentlichkeit vorenthalten.
Was die Verhandlungsphasen anbelangt, so ist die erste Runde am Freitag, den 12.7. abgeschlossen worden. Bislang sind für dieses Jahr zwei weitere Runden geplant, eine im Oktober und eine Ende November. Letzte Woche wurden meines Wissens vor allem Arbeitsgruppen eingerichtet, die nun an konkreten Textvorschlägen für die weiteren Runden arbeiten werden.
Die EU-Kommission und auch die USA betonen, dass sie ein breites Abkommen verhandeln wollen, wo kein Bereich im Vorfeld ausgeschlossen wird. Im Mandat des Rates ist zwar nun zunächst das Verhandeln audio-visueller Dienstleistungen ausgeschlossen. Diese können aber an späterer Stelle doch verhandelt werden, was also bedeutet, dass es keinen wirklichen Ausschluss dieses Bereichs gab. Alle weiteren Bereiche sind Teil der Verhandlungen, außer die USA oder die EU entscheiden sich im Verlauf der Verhandlungen für weitere Ausschlüsse.
Ihren Fragen entnehme ich, dass Sie einige Bedenken mit Hinblick auf divergierende Vorstellungen der USA und der EU haben. Seien Sie sich versichert, dass wir Grünen ebenfalls einige Bedenken haben: Wir wollen keinesfalls, dass EU-Standards im Bereich der Umwelt oder des Arbeitsrechts, des Datenschutzes oder VerbraucherInnenrechts gelockert werden. Ebenfalls problematisch sehen wir, dass es einen Mechanismus zur Beilegung von Investor-Staats-Streitigkeiten geben soll, womit nationale Gerichte umgangen werden und quasi geheime Tribunale diese Streitigkeiten schlichten. Mehr zu unserer Position finden Sie unter anderem auf meiner Webseite (ska-keller.de).
Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte, auch wenn ich nur auf wenige Ihrer Fragen eingehen konnte.
Mit besten Grüßen,
Ska Keller