Frage an Steffi Lemke bezüglich Bildung und Erziehung

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Steffi Lemke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Juliane H. •

Frage an Steffi Lemke von Juliane H. bezüglich Bildung und Erziehung

6.1 Was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?
6.2 Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?
6.3 Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?
6.4 Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die Schulentwicklungsverordnung des Landes vom 30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.
6.5 Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern

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Bündnis 90/Die Grünen

6.1 Was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?

Der demografische Wandel ist eine Zukunftsherausforderung von besonders großer Reichweite, welcher nicht nur ökonomische Fragen, sondern ebenso tief greifende Fragen von Lebensentwürfen, Freiheit und Anerkennung berührt.
Aus meiner Sicht lassen sich drei wesentliche Ursachen für den demografischen Wandel feststellen:

1. Eine veränderte Lebens-/Werteeinstellungen in der Gesellschaft, welche nicht nur für Sachsen-Anhalt sondern generell bundesweit gilt.
2. Eine problematische Arbeitsmarktlage und daran anknüpfend die fortwährende Abwanderung junger Menschen vor allem in den 1990er Jahren.
3. Eine Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen. Dies hat zur Folge, dass sich viele Menschen von einem Kurzzeit-Job zum nächsten hangeln. Sie sind praktisch permanent in der Probezeit und können kaum die nötige Sicherheit für ihre Lebensplanung gewinnen.

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind deshalb eine familienfreundliche Unternehmenskultur, Qualifizierungsangebote sowie gute Rahmenbedingungen für alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze notwendig, um dem demografischen und Abwanderungsbedingten Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt zu begegnen. Dezentralität und Subsidiarität sind für uns dabei wichtige Grundprinzipien.

Der demografische Wandel kann aus Sicht von uns auch eine Chance sein, um neue Wege zu gehen und unser Land Sachsen-Anhalt attraktiv zu gestalten. Neben dem politischen Willen sind intelligente Lösungen für z. B. einen Umbau der Infrastruktur, der Schaffung neuer Formen des öffentlichen Verkehrs sowie der Sicherung der Gesundheitsfürsorge und vieles mehr gefragt. Mit der Sicherung des
Hochschulstandortes Sachsen-Anhalt bleiben wir attraktiv für Studierende sowohl aus anderen Bundesländern als auch aus dem Ausland. Nach ihrer Ausbildung können sie zu einem wirtschaftlichen Erfolg in Sachsen-Anhalt beitragen und zu einer Abschwächung des Bevölkerungsverlustes beitragen.

6.2 Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?

Der ländliche Raum steht durch die Prozesse des demografischen Wandels vor einer besonderen Herausforderung. Die Politik für den ländlichen Raum gleicht dabei noch immer weitgehend dem Muster, das seit 1990 aus den alten Bundesländern übernommen wurde. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten diese Politik des „Weiter so“ gegenüber den Menschen, die im ländlichen Raum leben, für nicht fair, da ihnen damit die Chance genommen wird, für ihre konkreten Lebensumstände rechtzeitig und ausreichend Vorsorge zu treffen. Es ist an der Zeit, entschieden umzusteuern.
Es muss endlich damit begonnen werden, moderne intelligente Versorgungsstrukturen im Bereich Gesundheit, Pflege, Verkehr und Einzelhandel aufzubauen. Die Versorgungsstrukturen werden sich mittelfristig in den dünn besiedelten Gebieten nur durch gezielte Anreiz- und Steuerungsmaßnahmen und unter konsequenter Nutzung aller verfügbaren neuen Medien und Informationstechnik (zum Beispiel
Telematik) aufrechterhalten lassen. Dies erfordert aber weit mehr Know-how als konventionelle Versorgungsstrukturen. Ein Schwerpunkt muss deshalb auf die Kooperation unterschiedlicher Berufsgruppen gelegt werden. Infrastrukturentwicklung unter solchen Vorzeichen kann auch in den Ministerien des Landes nur ressortübergreifend durchgeführt werden. Daher müssen über Pilotprojekte
im Bereich Tele-Medizin und -Pflege, Transport und Einzelhandel neue Formen der Zusammenarbeit mit allen Betroffenen entwickelt und eingeübt werden. Die Mittel aus dem Europäischen Fonds für ländliche Entwicklung wollen wir auf diese neuen Herausforderungen ausrichten, damit hierfür ein Mindestmaß an finanziellen Ressourcen zur Verfügung steht. Liebgewordene Dorfverschönerungsaktionen
müssen vor den essentiellen Herausforderungen im Hinblick auf die Lebensfähigkeit des ländlichen Raums zurückstehen.

Auf Bundesebene werden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN z. B. die aktuelle Förderstruktur auch mit Blick auf die Nachhaltigkeitskriterien auf den Prüfstand stellen. Die Kommunen, Regionen und Länder bestärken wir darin, fair gehandelt und ökologische Produkte zu kaufen. Mit Hilfe von Fördermitteln und Regionalfonds können die verschiedenen AkteurInnen aus einer Region zusammenarbeiten und die Möglichkeiten ihrer Region gemeinsam stärken. Die Wertschöpfung wollen wir in der Region halten, etwa durch Regionalsiegel.

6.3 Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?

Die geplante Schließung von Grundschulen wird sich nachhaltig auf den ländlichen Raum auswirken. Grundschulen sind die Seele im Ort, insbesondere im ländlichen Raum. Die Landesregierung will 200 der 2.000 Stellen bei den Lehrerinnen und Lehrern streichen und nimmt damit Schulwege von bis 45 Minuten pro Strecke billigend in Kauf. Durch solche Maßnahmen können zwar unter Umständen Kosten eingespart werden, dennoch steht dieser mögliche Spareffekt in keinem Verhältnis zu den Auswirkungen
für die betroffenen Gemeinden und für die Grundschülerinnen und Grundschüler.
Darüber hinaus bedeutet eine Schulschließung für die betroffenen Gemeinden in der Regel einen harten Einschnitt, denn eine Schulschließung geht auch immer einher mit dem Verlust der Lebendigkeit von Gemeinden. Der ländliche Raum wird durch die Schließung von Grundschulen erheblich an Attraktivität verlieren und die Abwanderung von jungen Familien nur weiter verstärken.

6.4 Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die Schulentwicklungsverordnung des Landes vom 30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.

Es ist richtig, dass wir in Sachsen-Anhalt sehr viele kleine Grundschulen haben. Es ist auch unumstritten, dass im Schulnetz der Grundschulen Handlungsbedarf besteht. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN plädieren allerdings dafür, jede Entscheidung über eine Schulschließung individuell abzuwägen. Zudem muss sichergestellt werden, dass der Entscheidungsprozess transparent und unter Einbindung aller Betroffenen organisiert wird. Wir halten die Entscheidung der Landesregierung durch eine schrittweise Anhebung der Mindestschülerzahl, Grundschul-schließungen herbeizuführen für einen
falschen Schritt. Aus diesen Erwägungen halten wir es für richtig, die Schulentwicklungsverordnung aufzuheben und gemeinsam mit den Schulträgern einen neuen Verordnungsentwurf zu erarbeiten.

6.5 Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern.

Grundschulen sind die Basis der schulischen Bildung. In den Grundschulen wird das Fundament für den späteren Bildungserfolg eines Kindes gelegt. Daher lehnt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die von der Landesregierung geplante willkürliche Schulschließung ab. Statt auf eine willkürliche Schließung von Grundschulen zu setzen, favorisieren BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sogenannte Grundschulverbünde, d.h. Grundschulen mit mehreren Standorten. Dies wäre ein innovativer Weg, um ein dauerhaft finanzierbares und wohnortnahes Schulangebot auch bei weiter zurückgehender Schülerzahl zu erhalten und den Kommunen Planungssicherheit zu geben. Dies ist allerdings mit der derzeitigen Landesregierung nicht durchsetzbar.

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