Frage an Stephan Mayer bezüglich Umwelt

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Stephan Mayer
CSU
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Frage von Lieselotte A. •

Frage an Stephan Mayer von Lieselotte A. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Dr. Mayer,
wie stehen Sie zu dem Anliegen des Aktionsbuendnisses "Agrogentechnikfreier Landkreis Altoetting?
( www.zivilcourage.aoe bzw. www.zivilcourage.aoe )
Zu einem Agro-Gentechnikfreien Bayern werden jetzt die Weichen gestellt, ein politisches Ziel, das über Sein oder Nicht-sein der Menschheit entscheiden wird. Agro-Gentechnik ist ja ein Eingriff in die Natur, nicht mehr rueckholbar, schädigend nicht nur für Kleintierwesen und Bienen, sondern auch für uns Menschen. Wuerden Sie das Anliegen im Kreistag zur Sprache bringen und unterstuetzen ?
mfg. Lieselotte Ahammer

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Sehr geehrte Frau Ahammer,

vielen Dank für Ihren Kommentar auf www.abgeordnetenwatch.de vom 15. April 2008 mit der Bitte, mich für den Erhalt einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Deutschland und speziell im Landkreis Altötting einzusetzen.

Für Ihr Anliegen und Ihre Sorge habe ich allergrößtes Verständnis. Die Vorbehalte von Verbrauchern und Landwirten gegen die kommerzielle Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen sind zu respektieren.

Zunächst möchte ist festhalten, dass der Landkreis Altötting gentechnikfrei ist und es meines Wissens nach auch in keiner Hinsicht beabsichtigt wird dies zu ändern. So habe ich nach vielen Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass insbesondere die Landwirte im Landkreis Altötting keinerlei Interesse haben, auf gentechnisch verändertes Saatgut zurückzugreifen. Davon abgesehen lehnen auch die Verbraucherinnen und Verbraucher in großer Mehrheit die Lebensmittel ab, die aus gentechnisch verändertem Saatgut hergestellt werden. Deshalb hat das Thema „Agrogentechnik freier Landkreis Altötting“ in der Praxis derzeit keine praktische Bedeutung. Keiner im Landkreis Altötting will auf gentechnisch verändertes Saatgut zurückgreifen, was meiner Meinung nach durchaus begrüßenswert ist. Davon abgesehen dürfte eine Befassung des Kreistages mit diesem Thema keine bloße „Schaufensterdebatte“ sein.
In diesem Zusammenhang muss man darauf hinweisen, dass nach der derzeitigen Rechtslage und insbesondere angesichts der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes eine Gebietskörperschaft in der Europäischen Union nur auf zivilrechtlicher Ebene verbindlich den Verzicht auf die Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut nur explizit für die Fläche festlegen kann, die im Eigentum der Gebietskörperschaft stehen und die z.B. an Landwirte verpachtet werden. Meine diesbezüglichen Erkundigungen beim Landratsamt Altötting haben ergeben, dass keiner der Landwirte, die die ohnehin nur sehr geringe Flächen, die im Eigentum des Landkreises Altötting stehen, vom Landkreis Altötting gepachtet haben, gentechnisch verändertes Saatgut verwendet.
Meines Erachtens könnte man allerdings durchaus bei der Verlängerung oder dem Neuabschluss eines Pachtvertrages durch den Landkreis Altötting dieses Verbot ausdrücklich in den Pachtvertrag mit aufnehmen. Davon abgesehen verbieten die Regelungen zum Europäischen Binnenmarkt derzeit, dass sich ein Landkreis, ein Bundesland oder auch ein Mitgliedsstaat generell als agrogentechnikfreies Gebiet tituliert. So halte ich es durchaus auch für unterstützenswert, einen Vorstoß gegenüber der Europäischen Kommission zu unternehmen, um es zukünftig lokalen oder regionalen Gebietskörperschaften zu erlauben, für den gesamten Zuständigkeitsbereich die Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut zu untersagen.

Es ist daher unsere Aufgabe, die Wahlfreiheit sowie das dauerhafte Nebeneinander der verschiedenen Bewirtschaftungsformen mit und ohne Gentechnik - die so genannte Koexistenz - einschließlich der ökologischen Landwirtschaft zu garantieren. Eine solche Koexistenz ist auch nach wissenschaftlicher Auffassung für die bisher in der Europäischen Union zugelassenen genetisch veränderten Pflanzen möglich. Zwar ist die Vermeidung von Vermischung - z.B. durch Pollenflug oder in Verarbeitung und Transport - von Frucht zu Frucht unterschiedlich. Sie lässt sich aber durch anbau- und verarbeitungstechnische Maßnahmen soweit verhindern, dass auch künftig ein vielfältiges Angebot an Agrarprodukten ohne Anwendung der Gentechnik möglich ist.

Sofern ein Landwirt sich beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht an Vorgaben und Verordnungen der Bundes- bzw. Landesbehörden hält, liegt ein Verschulden vor und er wird nach dem Verursacherprinzip zum Ausgleich des Schadens herangezogen. Aber auch für den Fall, dass ein Verschulden nicht vorliegt, soll der Nachbar, der durch unbeabsichtigten Eintrag von Gentechnik in seine Erzeugnisse einen wirtschaftlichen Schaden erleidet, diesen verschuldensunabhängig ersetzt bekommen. Eine Abkehr von diesem Prinzip ist nicht geplant.

Der Schutz von Verbraucher und Umwelt ist und bleibt das wichtigste Schutzziel des europäischen und des deutschen Gentechnikrechts. In der Europäischen Gemeinschaft besteht für gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Das regeln verschiedene EG-Richtlinie und EG-Verordnung. Danach dürfen gv-Pflanzen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie dafür nach einer umfassenden Prüfung eine Zulassung erhalten. Diese wird nur erteilt, wenn keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt zu befürchten sind.

Umgekehrt wäre es ein Verstoß gegen europäisches und deutsches Recht, den Anbau von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, die sich in eingehenden Prüfungen als unbedenklich erwiesen haben und deshalb zugelassen wurden, zu verbieten. Beispiele aus der ganzen Welt zeigen uns auch, dass Gentechnik neue Chancen eröffnen kann. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung von Pflanzen für schwierigere Bedingungen, wie Trockenheit oder salzhaltige Böden, sondern auch um solche mit besserer Nährstoffzusammensetzung für Lebens- und Futtermittelzwecke oder für die Verwendung als Grundstoff für Medikamente, die Industrie oder zur Energiegewinnung. Es wäre allerdings nicht verantwortbar, Gentechnik in Deutschland zu be- oder gar verhindern und damit Arbeitsplätze und Einkommenschancen insbesondere in der Forschung und Entwicklung zu vernichten oder ins Ausland zu treiben. Vielmehr muss uns allen daran gelegen sein, dass unser Land einer der führenden Forschungs- und Innovationsstandorte der Welt bleibt. Wir sollten deshalb auch in Deutschland die Forschung zur Grünen Gentechnik voranbringen, allerdings ohne jedes Zugeständnis in Fragen der Sicherheit und Unbedenklichkeit, denen Priorität vor allen wirtschaftlichen Überlegungen zukommt.

Seit Jahren werden in die EU Ölsaaten und eiweißhaltige Futtermittel eingeführt, weil der Selbstversorgungsgrad der EU bei diesen Produkten bei nur etwa 35 % liegt. 2006 erreichten diese Importe ca. 40 Mio. Tonnen, zum einen Sojaschrot mit 22 Mio. Tonnen, zum anderen 15 Mio. Tonnen Sojabohnen sowie 2,6 Mio. Tonnen Maiskleberfutter. Ein Großteil dieser Futtermittel – vor allem Sojaschrot und Maiskleberfutter – stammen von gentechnisch veränderten Pflanzen. 2006 lag der Anteil gentechnisch veränderter Sojabohnen an der gesamten Anbaufläche in den USA bei fast 90 %, in Argentinien nahe zu 100 % und in Brasilien rund 60 %. So kommen natürlich auch gentechnisch veränderte Futtermittel nach Deutschland, die Soja-Einfuhr beläuft sich auf rund 4 Mio. Tonnen jährlich.

Die derzeitige Kennzeichnungsregelung dient nicht der Aufklärung des Verbrauchers, sondern führt ihn in die Irre. Nachdem alles, was durch den Tiermagen gegangen ist, nicht gekennzeichnet werden braucht, ebenso wenig wie gentechnisch veränderten Enzyme, meint ein Großteil der Bevölkerung, dass er mit Gentechnik noch nicht in Berührung gekommen ist. Experten der Lebensmittelbranche dagegen stellen fest, dass bei konsequenter Kennzeichnung über 80 % unserer Lebensmittel als gentechnisch verändert auszuzeichnen wären.

Weithin ist unbekannt, dass auch bei uns Lebensmittel gentechnisch verändert (gv) sind.

Schon jetzt werden gentechnisch modifiziertes Soja-Lecithin für die Weiterverarbeitung zu Schokolade, Emulgatoren und Vitamin E aus gv-Soja und Speiseöl aus genetisch verändertem Mais oder Raps hergestellt. Weitere Möglichkeiten finden sich bei der Herstellung von Futtermitteln, Backwaren umweltschonender Waschmittel. Zur Herstellung von Käse braucht man das im Magen säugender Kälber entstehende Lab bzw. das darin enthaltende Chymosin. Es wäre illusorisch, wollte man die benötigte Menge an Chymosin heute auf diese Art und Weise gewinnen, deshalb wird es weltweit gentechnisch erzeugt.

Der hohe Umfragewert hinsichtlich der Ablehnung der grünen Gentechnik wird immer wieder zitiert. In der Drs. 15/5536 hat der damalige grüne Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger mit Recht darauf hingewiesen, dass die Umfrageergebnisse wesentlich von der Repräsentativität und dem Inhalt der gestellten Fragen abhängig sind. Dafür Beispiele: 78 % der Befragten unterstützen Gentechnik, wenn dadurch Pflanzen entwickelt werden, die in kargen Gegenden der dritten Welt gedeihen könnten (Allensbach 2002).

62 % der Deutschen haben gegen die Einnahme gentechnisch erzeugter Medikamente keine Bedenken, nur 7 % lehnen sie ab (emnid 2002). 66 % der Verbraucher würden einen gentechnisch veränderten Joghurt kaufen, wenn dieser einen Schutz vor Krebserkrankungen bieten würde; 40 % würden gentechnisch verändertes Obst und Gemüse kaufen, wenn es haltbarer wäre (Handelsblatt 2004). Daran kann man sehen, wie sich diese Prozentzahlen durch die Art der Fragestellung ergeben. Natürlich spielt es auch eine erhebliche Rolle, welche naturwissenschaftlichen und biologischen Kenntnisse die Befragten haben.

Selbstverständlich entbindet eine private Absprache mit einem anderen Landwirt den gentechnisch veränderte Pflanzen anbauenden Landwirt nicht, die Koexistenzregeln zu den anderen Nachbarn einzuhalten. Er hat natürlich auch alle anderen Vorschriften für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu beachten. Zwei Landwirte können sich aber auf einen geringeren Sicherheitsabstand einigen, wenn nur der Vertragspartner von dem Anbau betroffen sein kann und er z. B. seinen Mais ohnehin an seine Tiere verfüttert und nicht in den Verkehr bringt. Die Vereinbarung muss der zuständigen Landesbehörde angezeigt werden.

Man verfügt über die Bestimmung des Sicherheitsabstandes für den Anbau von GVO-Mais inzwischen über viele Untersuchungsergebnisse (wenn Sie sich näher informieren wollen: http://www.biosicherheit.de/de/, Stichwort „Koexistenz“). Danach stellen die jetzt festgesetzten 150 m für den konventionellen Mais einen Sicherheitsfaktor von 3 dar, weil aufgrund der Untersuchungsergebnisse ein Abstand von 50 m ausreicht, um die 0,9 %-Schwellenwert einzuhalten. Der Sicherheitsfaktor zu Öko-Mais mit 300 m ist noch einmal doppelt so groß. Nur der Vollständigkeit halber weise ich darauf hin, dass das Gentechnikgesetz der früheren Verbraucherschutzministerin Renate Künast von der Bundestagsfraktion der Grünen keinerlei Abstandsflächen vorsah.

Das sog. „vereinfachte Verfahren“, soll lediglich verhindern, dass eine gentechnisch veränderte Pflanze, die alle vorgeschriebenen Prüfungen durchlaufen hat, an einem anderen Standort noch einmal die gleiche Prozedur durchlaufen muss. Es handelt sich hier ausschließlich um Versuchsanbau, der selbstverständlich den Behörden angezeigt werden muss. Die Prüfung an einem anderen Standort hat zum Ziel, die Pflanze unter anderen Umweltbedingungen zu testen und so die Kenntnisse zu erweitern.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 14.09.2007 ein Gesetz in Oberösterreich, das ein Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen enthielt, für unzulässig erklärt. Danach sind Anbauverbote für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) nicht mehr möglich.

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat zur Frage der Haftung ein Fachgespräch mit namhaften Professoren aus den entsprechenden Fachrichtungen des Rechtsbereiches durchgeführt, dabei waren sich alle Experten einig, dass Verträge oder Vereinbarungen unter der 0,9 %-Schwelle null und nichtig sind.

Hat der GVO Mais- anbauende Landwirt die Regeln der guten fachlichen Praxis eingehalten, ist davon auszugehen, dass der Schwellenwert nicht überschritten ist. Will der Nachbarlandwirt seinen Mais verkaufen und der Verkäufer verlangt einen Test auf GVO-Besatz, dann muss die Kostenfrage zwischen dem Verkäufer und dem Käufer geklärt werden. Das Problem entsteht ohnehin nur, wenn Körnermais verkauft wird, im Fall der Verfütterung ist ein Test auf GVO überflüssig.

Dazu siehe obige Ausführungen. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die Kommissarin für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Frau Marianne Fischer Boel in der Vergangenheit wiederholt betont hat, dass die Deklarierung von gentechnikfreien Regionen gegen das EU-Recht verstößt.

Seien Sie versichert, dass wir in der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, dieses Thema als wichtig erachten und sehr ernst nehmen.

Für eventuelle Rückfragen stehe ich Ihnen natürlich selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Stephan Mayer

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