Frage an Sylvia Kotting-Uhl bezüglich Finanzen

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Sylvia Kotting-Uhl
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Samy Nassif M. •

Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Samy Nassif M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Abgeordnete,

ich lese in verschiedenen Zeitungen (u.a. FTD), dass es derzeit einfach möglich ist, in günstigen US-Dollar Kredite aufzunehmen und mit dem so geborgten Geld Aktien, aber auch recht passable verzinsliche Staatsanleihen (Italien oder Griechenland bsw.) zu kaufen.

Mal abgesehen von evtl. Gewinnen durch den Verfall des Dollars gegenüber dem Euro, wird hier doch Geld aus Geld gemacht, ohne das in der Realwirtschaft wirklich Mehrwert geschaffen wird. Man nimmt einfach einen Kredit mit 1,5% Zinsen auf und kassiert eine Rendite von 3% mit relativ geringem Ausfallrisiko.

Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre - aber ist das nicht genau die Art von Geschäften, die uns die derzeit andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise eingebracht haben? Wieso ist das legal möglich und wieso wird ein solch fatales Treiben nicht durch Gesetze begrenzt - bsw. indem ein Anleger nachweisen muss, dass investiertes Geld in Aktien und Staatsanleihen nicht aus Krediten kommt?
Bei jedem Kredit muss sich ein Kreditnehmer quasi vor der Bank ausziehen und wird alleine schon durch die Anfrage nach einem Kredit bewertet und bei weiteren Anfragen anders eingestuft - was Preisvergleiche bei Krediten faktisch verunmöglicht. Wieso gilt dieselbe Sorgfalt nicht auch bei Investitionen?

Freundliche Grüße,

SNM

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Samy Nassif Makki,

was lange währt, wird dann hoffentlich! wenigstens gut. Ich bitte um Entschuldigung für die lange Wartezeit, aber eine Antwort auf eine Frage, für die ich mich erst kundig machen muss, weil sie nicht nur für mich fachfremd, sondern auch für Fachpolitiker noch spezifisch ist, muss eben warten, bis der kundige Fachpolitiker und ich Zeit dafür finden. In diesem Fall dauerte das allerdings sehr lange, das tut mir wirklich leid.

Bei dem von Ihnen skizzierten Phänomen handelt es sich um die Spekulationsstrategie der sog. Carry Trades. Diese stehen, wie von Ihnen richtig beobachtet, bei entsprechender Marktlage hoch im Kurs. Derzeit ist das nach unserer Einschätzung etwas weniger der Fall, aber das kann sich jederzeit wieder ändern. Ich stimme Ihnen zu, dass sich die Frage aufdrängt, worin die Berechtigung von Anlagegeschäften begründet ist, wenn mit ihnen „Geld aus Geld“ gemacht wird, ohne dass damit ein Mehrwert in der Realwirtschaft verbunden ist. Wir Grüne wollen - das ist Inhalt unseres Programms "Grüner New Deal" - die Finanzwirtschaft wieder in den Dienst der Realwirtschaft stellen. Dazu sind sehr unterschiedliche Maßnahmen nötig - Sie können auf unserer Homepage Details dazu finden.

Was heißt das nun für die Carry Trades? In einem gewissen Maße können Arbitrage-Geschäfte - also das Ausnutzen von Preisunterschieden zwischen verschiedenen Börsenplätzen - auch produktiv sein, um Gelder an die Stelle zu lenken, wo Kapital knapper ist als an anderer Stelle. Dieses Maß ist sicher häufig überschritten. Also gilt es die Regulierung zu verbessern.

Bei Privatpersonen und Kleinanlegern wird darüber hinaus schon heute eine Aufnahme von Krediten zur Finanzierung von Anlagegeschäften durchaus missbilligt. So werden etwa in § 491 Abs. 3 Nr. 2 BGB dem Darlehensnehmer, der gleichzeitig Investor ist, wesentliche Verbraucherschutzrechte verweigert. Hierin ist durchaus eine Wertung zu sehen. Freilich werden es nur in seltenen Fällen Verbraucherinnen und Verbraucher sein, die eine Carry- Trade- Strategie verfolgen. Und wenn doch, dann dürften die Summen nicht geeignet sein, Verwerfungen im Finanzsystem zu bewirken.

Daher ist es von weitaus erheblicherer Bedeutung, den Blick auf die Einschränkung von Spekulationsgeschäften institutioneller Anleger zu richten. Das leistet unter anderem die von uns geforderte Finanzumsatzsteuer. Mit einem geringen Satz soll sie alle Finanztransaktionen belasten. Gerade kurzfristige Transaktionen werden dadurch deutlich teurer, die Ausnutzung minimaler Renditeunterschiede wird weniger lohnend. Carry Trades dürften dadurch im Umfang abnehmen.

Außerdem muss bei den einzelnen Akteuren angesetzt werden. Gerade Hedge- Fonds, die solche Geschäfte häufig durch den extremen Einsatz von Fremdkapital hebeln, ohne dafür ausreichend Sicherheiten bieten zu müssen, sollen künftig nicht mehr in der Weise operieren können. Um das zu erreichen und um sicherzustellen, dass Hedge- Fonds kein systemisches Risiko mehr darstellen, treten wir Grüne bei den Eigenkapitalvorschriften für eine einfache universelle Regel ein, die im Gegensatz zu den bisherigen komplexen Einzelregelungen für alle Akteure gelten soll - ob Bank oder nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl