Frage an Thomas Kestler bezüglich Bildung und Erziehung

Thomas Kestler
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Günther S. •

Frage an Thomas Kestler von Günther S. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Kestler,

in der Fränkischen Landeszeitung Nr. 216 vom 18.9.2009 wurden Sie in Zusammenhang mit Ihrem Engagement für die Initiative "Arbeiterkind" zitiert: "Wenn man aber das Leistungsprinzip hochhält, muss auch Begabung zählen."

Was wollen Sie konkret für nichtbegabte Schüler/innen aus allen gesellschaftlichen Gruppen tun?

MfG

G. Schmidt-Falck
Geschäftsführung
GEW KV Ansbach

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schmitd-Falck,

vielen Dank für Ihre interessante Frage.

Ich kann Ihr Anliegen sehr gut nachvollziehen, lese aus Ihrer Frage aber auch eine gewisse Skepsis gegenüber dem Begriff "Leistungsprinzip" heraus. Leistung anzuerkennen halte ich für essentiell. Das muss aber nicht bedeuten, dass die Schwachen unter die Räder kommen.

In dem von Ihnen zitierten Zusammenhang ging es darum, dass Kinder aus Arbeiterfamilien bei gleicher Begabung/Leistung deutlich seltener eine Empfehlung fürs Gymnasium erhalten als Kinder aus Akademikerfamilien. Hier plädiere ich ganz klar dafür, dem Leistungsprinzip Geltung zu verschaffen, wobei auch die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der Kinder in Rechnung zu stellen sind. Wenn es ein Kind ohne Nachhilfe und spezielle Förderung, ohne Klavier und Hausbibliothek, zu einem guten Notendurchschnitt schafft, dann ist das in besonderer Weise anzuerkennen- momentan ist genau das Gegenteil der Fall.

Ihre Frage betraf aber die weniger begabten Kinder. Hier plädiere ich nachdrücklich für das von den Grünen und auch der GEW seit langem geforderte gemeinsame Lernen. Das nützt erwiesenermaßen sowohl den begabten, wie auch den weniger begabten Kindern. "Wir wollen, dass alle Kinder mindestens bis zur 9. Klasse gemeinsam lernen. Individuelle Förderung und das Lernen miteinander und voneinander, von dem alle Kinder profitieren, sind der Weg zu mehr Leistung und Chancengleichheit" (Grünes Wahlprogramm, S. 102). Außerdem würde es dem Auseinanderdriften der Gesellschaft vorbeugen (siehe oben).

Abgesehen davon würde ich nicht von unbegabten Kindern sprechen. Jedes Kind verfügt über besondere Begabungen. Diese frühzeitig und individuell zu fördern muss das Ziel der Bildungspolitik sein. Diesem Ziel stehen leider möchtegern-elitäre Abgrenzungstendenzen, ideologische Zöpfe (Mutter = Heim + Kind + Kirche), politischer Kompetenzen-Hickhack und eine zu starke Konzentration auf die höhere Bildung entgegen. Es gibt viel zu tun.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Kestler