Frage an Thomas Oppermann bezüglich Kultur

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Thomas Oppermann
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Frage von Norbert T. •

Frage an Thomas Oppermann von Norbert T. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Oppermann,

Sehr geehrter Herr Oppermann, meine Neugier wurde geweckt ob ihrer doch sehr umfangreichen Tätigkeiten, bzw. Mitgliedschaften unterschiedlicher Couleur.

3. Funktionen in Unternehmen
Fagus-Werk, Alfeld,
Vorstand des Kuratoriums, ehrenamtlich

Besonders fiel mir auf, das Sie im Fagus-Werk, Alfeld, Vorstand des Kuratoriums sind!
Ist Ihnen der geschichtliche Hintergrund „Fagus-Werk“ Alfeld bekannt?

Die Nazis hatten offenbar eine besondere Beziehung zu Schuhen, denn es gab das so genannte Schuhläufer-Kommando, eine Strafabteilung im Konzentrationslager, wo die Salamander GmbH, die Firma Freudenberg (Weinheim) und Fagus (Alfeld) beteiligt waren.

Die Autorin Anne Sudrow hat dazu ein Buch geschrieben: Der Schuh im Nationalsozialismus. Habe Sie es schon gelesen?

Zitat Anfang
(…)Bei der Erhebung des Gebrauchswerts sank die Forschung dann aber auf dasselbe Niveau moralfreier Tests wie die Medizin, indem sie sich bedenkenlos der „Schuhprüfstrecke“ im KZ Sachsenhausen bediente, wo die Häftlinge reihenweise zu Tode kamen oder ermordet wurden.

Aber mit der Moral gab die Forschung auch gleich noch die wissenschaftliche Vernunft preis, denn dass es bei Strafe verboten war, die ‚Testpersonen‘ sich subjektiv äußern zu lassen, ja dass die Firmen nicht einmal kontrollierten, ob diese die passende Schuhgröße erhielten, machte die Qualität der Testergebnisse auch in dieser Hinsicht fragwürdig
Zitat Ende

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.als-der-haeftling-die.2a099c2c-4fbd-44e6-8b54-2e7cd906dc71.html

Vielleicht können Sie mir erklären, was der Vorsitzende Kuratorium Fagus-Alfeld für eine Aufgabe hat und ob auch Opferentschädigung für "Schutester" gezahlt wurde und wie passt das alles mit "Weltkulturerbe" zusammen?

Norbert Theyssen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Theyssen,

Ernst Greten, der als Urenkel des Firmengründers seit 1974 Geschäftsführer des Fagus-Werks ist und es mit beeindruckender Energie restauriert hat, setzt sich intensiv mit der Firmen-Geschichte während des Nationalsozialismus auseinander und hat selbstverständlich auch das von Ihnen zitierte Buch gelesen.

Es trifft zu, dass auf der Schuhläuferteststrecke im KZ Sachsenhausen, an der mehrere Unternehmen beteiligt waren, Häftlinge mit z.T. brutalen Methoden gequält wurden.

Wie viele andere Unternehmen beteiligt sich auch das Fagus-Werk am Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter, der im Jahr 2000 auf Initiative der Rot-Grünen Bundesregierung eingerichtet wurde.

Ich habe mich als Vorstand des Kuratoriums dafür eingesetzt, dass das Fagus-Werk auf die UNESCO-Welterbe-Liste aufgenommen wird. Das Fagus-Werk war ein Meilenstein für die ästhetische und soziale Moderne, der Gründer Carl Benscheidt war eine beeindruckende, progressive Unternehmerpersönlichkeit. Ihm war es wichtig, seinen Angestellten gute Arbeitsbedingungen mit viel Tageslicht zu bieten. Er gab dem damals noch völlig unbekannten Walter Gropius die Möglichkeit, ein frühes Meisterwerk zu schaffen, in dem schon alle Elemente und Ideen des Bauhaus-Stils deutlich sichtbar werden.

Wenn Sie sich noch tiefer mit der Geschichte des Weltkulturerbes Fagus-Werk auseinandersetzen wollen, empfehle ich Ihnen die Ausstellung vor Ort in Alfeld und den Band „Fagus – Benscheidt – Gropius“, den ich gemeinsam mit der Kulturhistorikerin Dr. Friederike Schmidt-Möbus im Sommer 2011 im Steidl-Verlag veröffentlicht habe.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann