Frage an Thomas Oppermann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Thomas Oppermann
SPD
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Frage von Matthias M. •

Frage an Thomas Oppermann von Matthias M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Oppermann,

ich frage mich, wie es sein kann, dass in unserer Bundesrepublik - vorgeblich eine Demokratie und ein Rechtsstaat - noch immer die Wehrpflicht und die damit faktische (nicht nur behauptete!) Wehrungerechtigkeit existieren. Wieso benachteiligt ein so fortschrittlich-soziales Land mit Antidiskriminierungsgesetz und im GG verankertem Gleichheitsgrundsatz jedes Jahr aufs Neue derart viele junge Männer, während andere aus „medizinischen Gründen“ ausgemustert werden? Es kann daraus nur folgen: Wenn Wehrpflicht, dann alle (alle Männer und alle Frauen, ohne Ausnahme)! Eigentlich ist - und das wissen alle - der in den westlichen Industriestaaten einzigartige deutsche Zwangswehrdienst, währenddessen die Wehrpflichten wie ein Stück Dreck behandelt werden, längst überfällig. Wieso wird Art. 12a GG nicht endlich um der Gerechtigkeit willen abgeschafft oder aber seine Vollstreckung ausgesetzt? Als Demokrat kann ich die aktuelle Praxis nicht akzeptieren.
Vielen Dank für eine Stellungsnahme!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Moog,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Wehrpflicht bzw. Wehrgerechtigkeit.

Auch wir sehen die Probleme bei Wehrgerechtigkeit und Planbarkeit. Auch wir sehen, dass der Wehrdienst in seiner jetzigen Form der gewandelten Studien- und Berufswelt nicht mehr gerecht wird.

Aus diesem Grund hat die SPD auf ihrem letzten Parteitag beschlossen, die Wehrpflicht den veränderten Bedingungen anzupassen.

Die allgemeine Wehrpflicht soll auf ein ganz neues Fundament gestellt und so dem sicherheitspolitischen als auch gesellschaftlichen Wandel gerecht werden.

Unser Ziel ist es eine Kultur der Freiwilligkeit und des sozialen Engagements zu etablieren. Der Grundwehrdienst soll eine von mehreren freiwilligen Dienstleistungen sein, die junge Menschen für gemeinnützige Zwecke erbringen können.

Dabei müssen wir es zur Normalität machen, dass sich eine junge Frau oder ein junger Mann zwischen dem Freiwilligen Sozialen Jahr, dem Grundwehrdienst, dem Freiwilligen Ökologischen Jahr, dem Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit und weiteren freiwilligen Engagements entscheidet. Dies verfolgt die SPD schon seit einiger Zeit unter dem Motto "ehrenamtliches Engagement fördern".

Erste Voraussetzung dafür ist, diese Grundidee in die Bevölkerung zu tragen. Weiterhin müssen diese Dienstleistungen natürlich attraktiver und vorteilhafter gestaltet werden. Neben mehr Geld als Vergütung greife ich jetzt nur beispielhaft Vorteile bei Berufsausbildung oder Studium, erhöhte Anrechnung bei der Rente und den Sozialversicherungssystemen heraus.

Es ist nicht unser Ziel, die Wehrpflicht abzuschaffen, denn wir sehen die Wehrpflicht immer noch als die bessere Wehrform. Die Wehrpflicht ist für uns ein gesellschaftliches Signal, gemeinsam die Verantwortung für die Sicherheit Deutschlands zu tragen.

Auch wenn die wahrscheinlichsten Einsätze der Bundeswehr heute und in Zukunft Auslandseinsätze sind, so bleibt der Schutz Deutschlands sowie der Einsatz bei Naturkatastrophen und in gesetzlich geregelten Notfällen weiterhin Auftrag der Bundeswehr. Hierzu werden keine zusätzlichen Kräfte vorgehalten. Grundwehrdienstleistende leisten hierbei unbestreitbar einen unverzichtbaren Dienst und stellen eine große Unterstützung dar.

Und schließlich steht die Wehrpflicht auch dafür, dass sich unsere Gesellschaft in ihrer gesamten sozialen Breite und mit ihren unterschiedlichen weltanschaulichen Überzeugungen in der Bundeswehr widerspiegelt.

Wenn es uns gelingt, den Grundwehrdienst neben anderen freiwilligen Dienstleistungen auf eine breite Basis in der Gesellschaft zu stellen, werden wir mit den Freiwilligenzahlen keine Probleme bekommen. Wenn nur die Hälfte eines Geburtenjahrgangs sich für einen solchen Dienst entscheidet und die Bundeswehr dabei proportional berücksichtigt, ist der Bedarf gedeckt. Und damit würden "Ungerechtigkeiten", wie Sie sie anprangern nicht mehr entstehen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position näher bringen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Thomas Oppermann