Ich habe ihren Wahlprogramm entnommen, dass sie eine gigantische Steuersenkungen bei den Wohlhabenden (1%), die sich ganz massiv auf die Gesamtsteuereinnahmen (-88.000 Millionen) auswirken, vorhaben.

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Thomas Sattelberger
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Frage von Daniel Z. •

Ich habe ihren Wahlprogramm entnommen, dass sie eine gigantische Steuersenkungen bei den Wohlhabenden (1%), die sich ganz massiv auf die Gesamtsteuereinnahmen (-88.000 Millionen) auswirken, vorhaben.

Wieso stellen sie sich als Volkspartei dar, betreiben allerdings neoliberale Politik, bei denen nur sehr sehr wenige Bürger (und sie selbst) profitieren und zudem unser System (Stichwort: Ungleichverteilung) an den Rand des Kollaps geführt wird.

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Sehr geehrter Herr Z.

die großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, können nur mit einer neuen wirtschaftlichen Dynamik bewältigt werden. Deshalb sind Steuererhöhungen oder gar die Erhebung einer Vermögensteuer oder -abgabe der völlig falsche Weg aus der Krise. Darauf hat jüngst auch der Wissenschaftliche Beirat von Bundesfinanzminister Olaf Scholz hingewiesen.

Die positive Wirkung von Steuersenkungen auf das wirtschaftliche Wachstum stellt besonders überzeugend eine aktuelle Studie des Münchner ifo-Instituts vom 23. August (https://www.ifo.de/publikationen/2021/aufsatz-zeitschrift/wie-beeinflussen-steuerentlastungen-die-wirtschaftliche) heraus. 

Demnach führt eine Senkung der Körperschaftsteuer-Einnahmen um 1 Euro zu zusätzlichen privaten Investitionen von 1,10 Euro; die Lohnsumme steigt um 1,53 Euro, der private Konsum um 1,34 Euro und das Bruttoinlandsprodukt sogar um 2,79 Euro. Dagegen würgen Steuererhöhungen die Wirtschaft ab: eine Erhöhung der Einkommensteuer-Einnahmen um 1 Euro führt zu einem Rückgang des BIP um 3,59 Euro.

Dies führt dazu, dass Steuersenkungen aufgrund ihrer Wachstumswirkungen langfristig für die öffentlichen Haushalte sogar aufkommensneutral sein können (so etwa laut Berechnungen des ifo-Instituts eine Kombination einer Senkung der Körperschaftsteuer um fünf Prozentpunkte mit beschleunigten Abschreibungsregeln).

Das ifo-Institut sieht Steuersenkungen als Investition in die Zukunft: „Langfristig wäre das Steueraufkommen nicht niedriger als ohne die Reform, für eine Übergangszeit gibt es allerdings Steuerausfälle. Diese wären als Investition des Staates anzusehen, um künftig höhere Löhne, mehr Beschäftigung und ein höheres Konsumniveau zu ermöglichen.“

Für die Zwischenzeit, bis sich die Wachstumswirkungen voll entfaltet haben, können die Steuerausfälle durch die existierenden hohen Rücklagen des Bundeshaushalts von über 70 Mrd. Euro, durch Privatisierungserlöse und nicht zuletzt durch eine gezielte Kürzung auf der Ausgabenseite kompensiert werden. So hat meine Fraktion in den Beratungen für den Bundeshaushalt 2021 insgesamt 527 Änderungsvorschläge gemacht und dabei u. a. den Abbau schädlicher oder unnützer Subventionen wie etwa des Baukindergelds oder der E-Auto-Prämie (ca. 6,8 Mrd. Euro) vorgeschlagen. Mit einem flexibleren und effizienteren Rentensystem könnten pro Jahr rund 7,5 Mrd. Euro im Bundeshaushalt gespart werden. Viele weitere Beispiele ließen sich anführen.

Die Inflationswirkungen stärkeren Wirtschaftswachstums sind – so sehr uns die anziehende Inflation aus gesamtwirtschaftlichen Gründen auch besorgt – für den Bundeshaushalt unproblematisch, denn bei steigender Inflation steigen die Steuereinnahmen meist sogar überproportional an. Dieses Problem der sogenannten kalten Progression im Steuersystem kritisiert meine Fraktion bereits seit Jahren.

Und auch auf einen weiteren Aspekt der FDP-Steuersenkungsvorschläge möchte ich Sie gern hinweisen: Da die weitere Erhebung des Solidaritätszuschlags nach unserer festen Überzeugung dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung verfassungswidrig ist, ist es selbstverständliche Aufgabe jeder künftigen Koalition, ohne diese Einnahmen auszukommen. Die Verfassungsbeschwerde der FDP-Abgeordneten gegen den Soli ist weiter in Karlsruhe anhängig.

Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen versprechen, dass es – mit der Ausnahme digitaler Großkonzerne wie Amazon und Google – mit der FDP keine Steuererhöhungen geben wird und dass wir die Schuldenbremse nach Ende der Corona-Krise wieder einhalten werden.

Mit freundlichem Gruß

Thomas Sattelberger