Frage an Ulrich Kelber bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Ulrich Kelber
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Frage von Heinz L. •

Frage an Ulrich Kelber von Heinz L. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Kelber,

die anhaltend schwierige Situation auf dem Markt für Milch und Milchprodukte nimmt zunehmend existenzgefährdende Ausmaße für die Milchbauern an. Das Interesse der Verbraucher an einer nachhaltigen Milchversorgung ist damit ebenfalls bedroht.
Eine aktuelle STudie von TNS Infatest besagt, dass 79% der befragten Milchbauern bei dem aktuellen Milchpreis die Existenz ihres Hofes gefährdet sehen. Zwei Drittel dieser MIlchbauern rechnen damit, die Milcherzeugung innerhalb der nächsten zwölb Monate einstellen zu müssen.

Deshalb habe ich folgende Fragen an Sie:

(1) Angesichts der Tatsache, dass bis zu 250000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, frage ich Sie: Wie kann die Existenz der Milchbauern langfristig gesichert werden?

(2) Wie kann Ihrer Meinung nach ein Vernünftiger und gerechter Milchpreis für Verbraucher und Milchbauern erreicht werden?

(3) Wie stehen Sie zu einer flexiblen Quotenregelung des Milchmarktes, die einen fairen und existenzsichernden Milchpreis ermöglicht?

(4) Unterstützen Sie die Forderung der Milchbauern, die Milchproduktion und einen fairen Milchpreis durch ein flexzbles europäisches Milchmengensteuerungs-Instrument stabil zu halten?

Nur gemeinsam können die Politik und die Milchviehbauern einen tragfähigen Kompromiss erreichen. Ich baue auf Ihre Bereitschaft zum Dialog.
Mit freundlichen Grüßen

Heinz Landwehr

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Herr Landwehr,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 15. Mai zum Thema Land- und Forstwirtschaft und zur Situation der Milcherzeuger. Sie gibt mir Gelegenheit, auch öffentlich dazu Stellung zu nehmen. Denn ich habe zu diesem hochaktuellen Thema bereits zahlreiche Zuschriften erhalten.

In der letzten Woche habe ich viele Stunden mit den Landfrauen gesprochen, die vor dem Kanzleramt für die Interessen der Milcherzeuger demonstriert haben. Außerdem war der Vorstand des Bunds Deutscher Milchviehhalter (BDM) bei mir zu Gast. Hier wie dort sage ich: Die SPD und ich selbst versprechen nichts, was nicht realisierbar ist. Aber wir stehen zu allen Dingen, die wir zusagen.

Vor 25 Jahren wurde die Quotenregelung in der EU geschaffen, noch länger bestehen Regelungen zur Preisstützung im Binnenmarkt und zur Absicherung der Erzeugerpreise für Milch im Außenhandel. Wir haben die europäischen Märkte abgeschottet und unsere Überschüsse in Drittländer geschickt, zu Lasten der Erzeuger in Entwicklungsländern. Im Innern wurde viel Geld der Steuerzahler, aber auch der Verbraucherinnen und Verbraucher, aufgewendet um möglichst auskömmliche Preise für Milchbauern zu sichern. Das Ergebnis war und ist unbefriedigend, gerade auch für die Milchviehhalter. Für die Fortsetzung dieser Politik gibt es deshalb weder in der EU noch in Deutschland eine Mehrheit, auch wenn manche jetzt unter dem Druck der niedrigen Preise und massenhafter Proteste anderes behaupten. Die europäische Agrarpolitik hat beschlossen, sich schrittweise von ihren alten Instrumenten zu verabschieden, weil sie nicht geholfen haben, die damit verbundenen Ziele zu erreichen.

Es ist zu begrüßen, dass der BDM sich eindeutig gegen die Wiedereinführung der Exporterstattungen ausgesprochen hat, und auch andere direkte Subventionen zur Erleichterung der schwierigen Situation, wie z. B. weitere Steuererleichterungen für Agrardiesel, ablehnt. Unsere Probleme können wir nicht zu Lasten von Entwicklungsländern oder von kommenden Generationen lösen.

Nicht überzeugend ist es allerdings, wenn sich der BDM erhofft, mit einer etwas geänderten Quotenregelung könnte ein deutlich höherer Erzeugerpreis als bisher durchgesetzt werden. In 25 Jahren Quotenregelung war dieser Versuch nicht erfolgreich, obwohl die Konditionen immer wieder neu diskutiert und die Regelungen angepasst wurden. Die Regierungen konnten oder wollten es nicht verantworten, die Milchproduktion noch stärker zu reglementieren: Weil Landwirte in verschiedenen Teilen der EU darauf verweisen können, dass ihre Region nicht ausreichend mit Milch versorgt ist und die Wachstumschancen der Betriebe dennoch behindert werden. Weil man existierenden Betrieben die Produktionsmöglichkeiten weiter beschneiden müsste, ohne sagen zu können, woher denn die zusätzlichen Mittel für notwendige Ausgleichszahlungen kommen oder wie die Betriebe ihr Einkommen erwirtschaften sollen.

Nein, so bitter diese Erkenntnis auch sein mag, weil sie jahrzehntelange Diskussionen um den richtigen Weg mit einer Absage beendet: Es ist richtig, dass die EU beschlossen hat, 2015 aus der Quotenregelung auszusteigen. Gerade im Interesse der Landwirte, die für sich, ihre Familien und ihre Betriebe langfristige Perspektiven benötigen, wäre es fahrlässig den Eindruck erwecken zu wollen, mit einer neu gestalteten Mengensteuerung seien die Probleme zu lösen.

Die Politik kann aber unterstützen und begleiten. Und sie kann das anders tun, als dass CDU/CSU und Deutscher Bauernverband bisher vorschlagen. Sie kann dafür werben und Regelungen treffen, damit die Leistungen der Landwirtschaft für die Gesellschaft und insbesondere auch die der Milchbauern, deutlicher als bisher für Steuerzahler sichtbar werden und vergütet werden. Unsere Mittelgebirgslandschaften sind ohne die Haltung von Milchkühen kaum zu bewahren, Natur und Tourismus vieler Regionen wären ohne die Milchkuhhaltung ärmer. Es gibt eine breite Unterstützung in Deutschland dafür, dies zu erhalten, und die SPD steht mit an vorderster Front, wenn öffentliche Mittel dafür ausgegeben werden sollen.

Faire Preise sind nicht nur in Entwicklungsländern für eine nachhaltige Entwicklung erforderlich, sondern auch bei uns in Deutschland. Sie müssen aber am Markt durchgesetzt werden. Auch in der gegenwärtigen Situation beweisen einzelne Molkereien oder der Ökolandbau, dass es möglich ist, gute Produkte zu einem guten Preis zu verkaufen. Politik kann auch hier nur unterstützen. Sie kann und darf nicht den Eindruck erwecken, dass sie selbst tragfähige Unternehmenskonzepte entwickeln oder langfristige Zusicherungen machen könnte, für die sie keine Durchsetzungschancen sieht.

Ich sichere Ihnen und allen Milcherzeugern zu, dass wir uns mit den Experten und Verantwortlichen in der Bundesregierung intensiv darum bemühen, die vorhandenen Spielräume im Interesse einer nachhaltigen Milcherzeugung in Deutschland zu nutzen.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Kelber