Frage an Wolfgang Kubicki bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Wolfgang Kubicki
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Frage von Kerstin P. •

Frage an Wolfgang Kubicki von Kerstin P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kubicki,

Ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin für Finnisch-Deutsch-Finnisch, zur Zeit aber nur in Finnland, noch nicht in Schleswig-Holstein vereidigt/ermächtigt. Finnland ist EU-Mitglied und daher haben Finnen nicht so große Probleme mit der Integration. Dennoch unterstütze ich die Initiative des Dolmetschertreffens und finde es an der Zeit, einen Kommunalen Dolmetschdienst einzurichten.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang folgende Fragen an Sie:

Wie stehen Sie zur Einrichtung eines solchen Kommunalen Dolmetschdienstes?
Die Anforderung im Grundgesetz, dass niemand wegen seiner Sprache diskriminiert werden darf, könnte auf diese Weise eher durchgesetzt werden, finden Sie nicht auch?
Könnten unsere Behörden mit Hilfe eines kommunalen Dolmetschdienstes nicht auch ihrer Beratungspflicht für alle Bürger besser nachkommen?
Könnte man so nicht durch so einen Dolmetschdienst Missverständnissen nach falsch gedolmetschten Gesprächen, z. B. mit Patienten, vorbeugen und dadurch letzlich Kosten einsparen, weil die Folgekosten solcher „Missverständnisse“ für die Allgemeinheit erheblich höher sind?
Finden Sie nicht auch, dass nicht nur kriminelle Ausländer ein Anrecht auf einen Dolmetscher haben sollten?

ich freue mich auf eine Antwort,
mit freundlichen Grüßen

Kerstin Poschmann

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Sehr geehrte Frau Poschmann,

die Idee eines solchen kommunalen Dolmetschdienstes finde ich ganz grundsätzlich gut und verfolgenswert, gerade vor dem Hintergrund des von Ihnen erwähnten Diskriminierungsverbotes in Art. 3 unseres Grundgesetzes.

Da die Amtssprache laut Verwaltungsverfahrensgesetz Deutsch ist, bedarf es entsprechender Dolmetscherleistungen für die Betroffenen, für die diese aber bislang in der Regel selbst sorgen oder zahlen müssen. Wenn einzelne Kommunen den von Ihnen beschriebenen Dolmetschdienst einrichten wollen und finanziell dazu in der Lage sind, würde ich das natürlich sehr begrüßen. Ich befürchte allerdings, dass die wenigsten Kommunen sich in der gegenwärtigen haushaltspolitischen Situation einen solchen Dienst leisten können. Bedenken Sie bitte, allein für wie viele Sprachen die Kommunen Übersetzer vorhalten müssten!

Würden wir als Land diesen Dienst verpflichtend für die Kommunen festlegen, müsste Schleswig-Holstein aufgrund des Konnexitätsprinzips die notwendigen Kosten dafür tragen. Ich sage Ihnen ehrlich, dass dafür leider einfach kein Geld vorhanden ist. Die Kosteneinsparungspotenziale, die Sie sehen, kann ich nicht erkennen.
Dass „nur kriminelle Ausländer ein Anrecht auf einen Dolmetscher haben“, wie Sie es nennen, liegt schlicht und ergreifend daran, dass nun einmal Deutsch die vom Gerichtsverfassungsgesetz festgelegte Gerichtssprache ist, Beschuldigten und Angeklagten jedoch ein faires menschenrechtswahrendes Strafverfahren zu garantieren ist. Dies setzt zumindest einmal voraus, dass alle Beteiligten verstehen, worum es geht. Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert jeder Person „die unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht“. Hinter dieser Grundsatzforderung der EMRK stehe ich nicht nur als Strafverteidiger, sondern auch als Liberaler.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Kubicki

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