Frage an Agnieszka Brugger

Portrait von Agnieszka Brugger
Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen
79 %
26 / 33 Fragen beantwortet
Frage von Ines R. •

Frage an Agnieszka Brugger von Ines R.

Sehr geehrte Frau Brugger,

können Sie mir einen Überblick über den aktuellen Stand des Fracking Gesetzentwurfes geben.

Im Herbst 2015 wurden die Beratungen abgebrochen oder verschoben.

Vielen Dank für kurze Rückmeldung

Portrait von Agnieszka Brugger
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Frau Rückert,

vielen Dank für Ihre Frage vom 10.4.2016 zum Thema Fracking.

Die grüne Bundestagsfraktion lehnt den Einsatz der Fracking-Methode zur Erdöl- und Erdgasgewinnung entschieden ab. Daher haben wir im Juli 2014 in der grünen Bundestagsfraktion den Beschluss „Kein Gas durch Fracking“ ( http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/Beschluss_Kein_Gas_durch_Fracking.pdf ) gefasst. Bereits im Mai 2013 habe ich als Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Ravensburg gemeinsam mit den Kreisbürgermeistern des Landkreises und auch mit dem damaligen Landtagsmitglied Manne Lucha ein klares Fracking-Verbot gefordert ( http://www.agnieszka-brugger.de/hauptmenue/presse/presse/datum/2013/06/05/entgegen-anderslautender-bekundungen-in-der-region-ist-klar-geworden-die-cdu-ist-fracking-partei/ ). Meine Heimatregion Oberschwaben ist eine der Regionen in Deutschland, in denen sich Unternehmen damals bereits um Erkundungsrechte für Fracking bemühten. Auch der Regionalverband Oberschwaben von Bündnis 90/Die Grünen erteilte den Frackingplänen für die Region eine klare Absage ( http://www.gruene-oberschwaben.de/component/content/article/2-uncategorised/17-kein-fracking-mit-den-gruenen-nirgends ).

Am 19. Dezember 2014 gaben Bundesumweltministerin Hendricks und Bundeswirtschaftsminister Gabriel ihre Pläne zur „Regulierung“ von Fracking bekannt. Diese sehen vor, dass Fracking auf einem Großteil der Landesfläche ermöglicht wird, sogar in ausgewiesenen Naturschutzgebieten (EU-Natura 2000 Gebiete). Es ist insbesondere vor dem Hintergrund der großen Gefahren für unsere Umwelt völlig unverständlich, warum Schwarz-Rot diese Risikotechnologie in Deutschland überhaupt anwenden will. Union und SPD setzen sich damit über die breite Ablehnung von Fracking in der Bevölkerung hinweg. 61 Prozent der Befragten einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap sprachen sich für ein Verbot von Fracking aus. Die Ergebnisse der Umfrage vom April 2015 können sie unter https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/fracking_infratest_2015.pdf einsehen. Und die Zahl der Gegnerinnen und Gegner wächst: In einer EMNID-Umfrage von Mitte April 2016 sprachen sich, selbst unter den Wählerinnen und Wählern von Union und SPD, über 80 Prozent der Befragten eindeutig für ein Fracking-Verbot aus ( https://blog.campact.de/wp-content/uploads/2016/04/camp_w14_1-3.pdf, Seite 9).

Beim Fracking wird Gestein unter hohem Druck mithilfe von teils giftigen Chemikalien aufgebrochen, um Erdgas oder Erdöl aus dichten Gesteinsschichten herauszulösen. Dies ist mit Risiken für Mensch und Umwelt, wie Wasserverschmutzung, Bodenverseuchung und die ungeklärte Entsorgung der Abwässer, verbunden. Fracking steht zudem im Verdacht, Erdbeben auszulösen. Für die Energiewende brauchen wir kein Fracking, denn es verlängert lediglich das fossile Zeitalter. Das von der Bundesregierung geplante Fracking-Gesetz eröffnet dagegen neue Möglichkeiten, noch die letzten Reste von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen umweltschädlich aus dem Boden zu pressen. Damit untergräbt die Regierung ihr eigenes Versprechen, dem Schutz von Gesundheit, Klima und Trinkwasser höchste Priorität einzuräumen. Denn was jetzt vorliegt, ist, entgegen der Regulierungsbehauptung der Bundesregierung, nichts anderes als ein Fracking-Erlaubnisgesetz:

- Fracking zur Gewinnung von Tight-Gas (Gas aus Sandstein) wird ausdrücklich erlaubt.
- Forschungsbohrungen mit Fracking-Einsatz in Schiefer- und Kohleflözgesteinen werden erlaubt.
- Die Erlaubnis für kommerzielles Fracking in Schiefer- und Kohleflözgesteinen wird bereits ab 2018 in Aussicht gestellt.
- Die Bewertung der Gefährlichkeit von Fracking wird an eine Expertenkommission ausgelagert. Damit schiebt die Bundesregierung ihre Verantwortung einfach ab, statt sich klar zum Fracking zu positionieren. Da die Expertenkommission nach Mehrheitsprinzip entscheiden soll, besteht die Gefahr, dass diejenigen, die Fracking eher kritisch sehen, einfach überstimmt werden.
- Der Einsatz schwach wassergefährdender Frac-Fluide (beim Fracking eingesetzte Flüssigkeiten) wird erlaubt.
- Die Gebiete, in denen Fracking verboten werden soll, reichen nicht, um Gefahren für Mensch, Natur und Trinkwasser durch Fracking auszuschließen.

Das Fracking-Gesetzespaket ging am 1. April 2015 ins Bundeskabinett. Im Mai 2015 befasste sich der Bundesrat mit den Vorschlägen. Die grünen Umweltministerien, die im zuständigen Umweltausschuss des Bundesrats unabhängig von ihrem Koalitionspartner (Ressortprinzip) agieren können, haben dem kompletten Frackingverbot eine Mehrheit verschafft. Dies war ein Antrag aus den Ländern Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Leider hat dieser Antrag im Plenum des Bundesrates keine Mehrheit gefunden. Neben diesem weitreichendsten Antrag haben die grünen Umweltminister eine ganze Reihe von weiteren Anträgen eingebracht, um Fracking effektiver einzuschränken. Viele haben eine Mehrheit auch im Bundesratsplenum bekommen. Sie können das Protokoll der Sitzung unter http://www.bundesrat.de/SharedDocs/downloads/DE/plenarprotokolle/2015/Plenarprotokoll-933.pdf?__blob=publicationFile&v=2 lesen.

Wie Sie richtig in Ihrer Frage erwähnen, mussten die Beratungen über das Fracking-Erlaubnispaket im Bundestag aufgrund der Uneinigkeiten innerhalb der Großen Koalition zunächst verschoben werden. Mit ihrem Pro-Fracking-Kurs ist die Regierung auch in den eigenen Reihen vorerst gescheitert. Seit Herbst 2015 liegt das Vorhaben bei den Vorsitzenden der CDU/CSU- und SPD-Fraktion auf Eis. Offensichtlich können sich Union und SPD in zentralen Punkten nicht einigen. Es ist aktuell nicht vorhersehbar, ob noch in dieser Legislaturperiode mit einer Verabschiedung durch die Koalitionsfraktionen zu rechnen ist oder nicht.

Wir Grüne haben im Februar 2016 einen eigenen Gesetzesentwurf für ein klares Fracking-Verbot eingebracht ( http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/075/1807551.pdf ). Am 28.4.2016 fand die namentliche Abstimmung über unseren Antrag im Bundestag statt. Die Regierungskoalition hat unseren Antrag abgelehnt und ich bin verärgert, wie die Bundesregierung die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger und die deutlichen Gefahren des Frackings ignoriert. Die Debatte war sehr lautstark und viele Abgeordnete der Koalition weigerten sich, endlich Farbe zu bekennen. Dass sich 40 SPD-Abgeordnete und drei CDU-Politiker enthielten und sogar sechs Regierungspolitiker für unseren Antrag stimmten (die Ergebnisse können Sie unter https://www.bundestag.de/blob/418776/5279142ee84ec15546212895c59ad2d1/20160428_1-data.pdf einsehen), zeigt einmal mehr wie uneins die Regierung ist. Wir Grüne wollten endlich Klarheit schaffen und das Fracking-Verbot beschließen lassen, auf das die Betroffenen in den Regionen seit Jahren warten. Für ein echtes Bekenntnis zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen hätten die Abgeordneten der Regierungsfraktionen unser Fracking-Verbot unterstützen müssen. Die Große Koalition sollte die Zeit nutzen, ihre Vorschläge grundlegend zu ändern. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland will kein Fracking. Auch viele Betriebe, insbesondere im Lebensmittelbereich, lehnen Fracking ab, da die Gefahr besteht, dass ihre Produkte belastet werden. Wir brauchen endlich eine Regelung, die Fracking rechtssicher unterbindet und außerdem striktere Auflagen für die Erdgas- und Erdölförderung ohne Fracking vorsieht. Unsere Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch, die Koalition kann sich an den Vorschlägen aus unseren Anträgen orientieren. Die Handlungsunfähigkeit der Großen Koalition und der fehlende Wille, Mensch und Umwelt vor den Gefahren zu schützen, nur weil man einer kontroversen Debatte aus dem Weg zu gehen versucht, halte ich für völlig verantwortungslos.

Freundliche Grüße

Agnieszka Brugger

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Agnieszka Brugger
Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen