Die katholische Kirche akzeptiert Art 3(2) GG (Gleichberechtigung) für Ihre Arbeit nicht. Trotzdem leisten alle Finanzämter Hilfe beim Einzug der Kirchensteuer. Wie wird das begründet?

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Frage von Friedrich H. •

Die katholische Kirche akzeptiert Art 3(2) GG (Gleichberechtigung) für Ihre Arbeit nicht. Trotzdem leisten alle Finanzämter Hilfe beim Einzug der Kirchensteuer. Wie wird das begründet?

Die Praxis der Kirche wird wohl durch Weitergeltung des Art 137 der Weimarer Verfassung erlaubt. Danach darf sie auch Steuern erheben.
Ich finde aber im GG nichts, das den Staat dazu zwingt, menschenrechtswidrige Zustände durch die praktizierte Amtshilfe zu fördern.

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Sehr geehrter Herr Friedrich H.,

vielen Dank für Ihre spannende und anspruchsvolle Frage, die ich gerne beantworte.

Da Sie u.a. auf die Weimarer Verfassung anspielen, folgendes vorab:

Die „Staat-Kirche-Trennung“ über das Staatskirchenverbot des Art. 137 I WRV ist als Emanzipation aus dem seit der Reformation historisch gewachsenen staatlichen Herrschaftsanspruch über die Kirche zu verstehen. Die Weimarer Reichsverfassung als republikanische Staatsordnung hat sich von der kirchlichen Subordination hin zu Religionsfreiheit im individuellen und kooperativen Sinne gewendet.

Dabei wurde den Kirchen ein echtes Besteuerungsrecht eingeräumt, das an die Angehörigkeit oder Mitgliedschaft einer natürlichen Person zur jeweiligen Kirche anknüpft. Das deutsche Kirchensteuerrecht besteht aus einem sehr komplizierten Gefüge verfassungsrechtlicher, staatskirchenrechtlicher sowie bundes-, landes- und kirchenrechtlicher Vorschriften. Die Kirchensteuererhebung selbst findet grundsätzlich über die Steuerverwaltungen der Bundesländer statt. Dabei gelten die jeweiligen Landeskirchensteuergesetze nebst entsprechender Ausführungsverordnungen.

Mit Ausnahme Bayerns haben aufgrund der Gesetze die Kirchen als Steuergläubiger von dem ihnen eingeräumten Recht Gebrauch gemacht, die Verwaltung der Kirchensteuer gegen „angemessenes Entgelt“ auf staatliche Behörden zu übertragen. Allerdings verbleibt den Kirchen vielfach eine Restzuständigkeit im Besteuerungsverfahren, z.B. bei Stundung, Erlass und im Rechtsbehelfsverfahren. Für die Kirchensteuerverwaltung fließen nach meiner Kenntnis zwischen 2% und 4% des Kirchensteueraufkommens als Verwaltungsvergütung an den Fiskus. Die Deutsche Bischofskonferenz verlautbart dazu aktuell, dass durch diese Vergütung eine Überkompensation zugunsten des Staates entstehe, die die allgemeinen Kosten der Finanzverwaltung reduziere. Die Kirchen wiederum müssten keine eigene Kirchensteuerverwaltung aufbauen und so handele es sich insgesamt um eine Win-win-Situation.

Unterstellt dieses Szenario entspricht den Tatsachen, erklärt sich so die bisher geübte und weitgehend fraglose Praxis der Übernahme der kirchlichen Steuerverwaltung durch den Staat. Das Spannungsfeld, welches Sie in diesem Zusammenhang skizzieren gibt es, wäre aber nicht zwingend in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übernahme der kirchlichen Steuerverwaltung durch den Staat zu sehen. Nach meiner Beobachtung und Einschätzung verlieren sich im allgemeinen kirchlichen Arbeitsrecht, befeuert auch durch gesellschaftlichen und zum Teil politischen Druck, etwaige Privilegien in den letzten Jahren zusehends. Dazu hat sicher auch die obergerichtliche Rechtsprechung, z.B. im Arbeitsrecht, beigetragen. Gleichwohl liegen Sie grundsätzlich richtig, wenn Sie andeuten, dass es im kirchlichen Bereich ein tradiertes und binnenrechtlich fundiertes Sonderarbeitsrecht gibt, das sich freilich in die Grenzen unserer Rechtsordnung und insbesondere des Grundgesetzes einzufügen hat. Zu nennen wäre aus dem von Ihnen angesprochenen katholischen Bereich vor allem die sog. Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO), die vom Leitbild der sogenannten Dienstgemeinschaft ausgeht und daraus besondere Rechte und Pflichten ableitet. Zuletzt gab es hier 2015 eine größere Anpassungsreform. Die Caritas führt dazu aus, dass im Bereich des individuellen Arbeitsrechts die kirchenspezifischen Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst den vielfältigen Veränderungen in der Rechtsprechung, Gesetzgebung und Gesellschaft angepasst worden seien. Ausdrücklich werde in der Grundordnung darauf hingewiesen, dass es keine Verstöße gegen Loyalitätsanforderungen gibt, die in jedem Fall ohne weiteres eine Kündigung rechtfertigen.

Sie sehen also, sehr geehrter Herr Fragesteller, vieles ist aus unterschiedlichen Gründen im Bereich Kirche und im Verhältnis Staat zu Kirche und umgekehrt im Fluss. Soweit ich die Intention Ihrer Frage richtig einschätze, zu Ihrem Wohlgefallen.

Weitergehende und zielführende Reformen werden und würden sich vor allem im Dialog der Kirchen mit ihren Mitgliedern anstoßen lassen. Im Bereich der katholischen Kirche in Deutschland wäre derzeit vor allem der Synodale Weg anzusprechen. Von diesem ausgehend versprechen sich viele Katholiken und Mitchristen eine offene Diskussion und nachfolgend spürbare Veränderungen im Raum der Kirche. Dabei geht es auch um eine Gleichstellung von Frauen und Männern, hin bis zum Verkündungsamt. Dies führe ich aus, weil Sie auch Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz angesprochen haben.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen gedient zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Ihr Albrecht Glaser

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