Frage an Andrea Lindholz bezüglich Soziale Sicherung

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Andrea Lindholz
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Frage an Andrea Lindholz von Inge R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Lindholz,

als Mutter einer schwerstbehinderten Tochter von 30 Jahren bitte ich Sie freundlichst um eine Stellungnahme zu dem geplanten Bundesleistungsgesetz.

Im Ergebnisprotokoll der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom November 2013 kann man (auf Seite 98 ab Zeile 655) nachlesen, dass das geplante Teilhabegeld bis auf einen Selbstbehalt auf die Leistungen der Eingliederungshilfe angerechnet werden soll, wenn der behinderte Mensch weiterhin darauf angewiesen ist.

Gleichzeitig soll der Anspruch der Eltern auf Kindergeld für ihre erwachsenen Töchter und Söhne entfallen (siehe Seite 98 ab Zeile 639). Dadurch entfallen den Eltern die Nachteilsausgleiche, die ein erwerbsunfähiges Kind steuerlich nicht geltend machen kann, die aber trotzdem zustehen bzw. entstehen ( Schwerbehindertenpauschale, Fahrtkosten, außergewöhnliche Belastungen etc). Bei Eltern im öffentlichen Dienst mindert sich obendrein der Familienzuschlag.

Ausgerechnet bei denjenigen, denen absolut kein Selbstbestimmungsrecht zugestanden und das Teilhabegeld auf die Werkstatt- oder Förderstättenkosten angerechnet werden soll, sollen mit der irreführenden Begründung des "selbstbestimmten Lebens" massive finanzielle Kürzungen vorgenommen werden.

Wie stehen Sie zu diesen Empfehlungen und Vorgaben der ASMK?
Und wie werden Sie sich für diejenigen Menschen einsetzen, die an ihrer Situation selbst am wenigsten ändern können und durch das aktuelle Gesetzesvorhaben massive Benachteiligungen erleiden würden?

Mit freundlichen Grüßen
Inge Rosenberger

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Sehr geehrte Frau Rosenberger,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Fragen bezüglich des Bundesleistungsgesetzes (Bundesteilhabegesetz) und dem Ergebnisprotokoll der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister der Länder.

Ich begrüße es sehr, dass mit dem geplanten Bundesleistungsgesetz (Bundesteilhabegesetz) die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland nun einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen bekommen werden. Die UN-Konvention hat die Rechte behinderter Menschen auf ein neues Fundament gestellt, und zwar weg vom Fürsorge- hin zum Teilhabeprinzip. Die Konvention stellt einen wesentlichen Punkt klar: Umfassende Teilhabe in allen Lebensbereichen ist ein Menschenrecht.

Daher soll das neue Bundesleistungsgesetz (Bundesteilhabegesetz) vor allem dem neuen gesellschaftlichen Verständnis für eine inklusive Gesellschaft Rechnung tragen. Diese Inklusion betrachten wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das bedeutet, dass sich alle politischen Ebenen daran beteiligen müssen. Die Aufgabe des Bundes besteht vor allem darin, die Kommunen bei der Umsetzung der Inklusion zu unterstützen und zu entlasten. Deshalb haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Kommunen zukünftig im Rahmen der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes im Umfang von fünf Milliarden jährlich von der Eingliederungshilfe entlastet werden. Damit übernimmt der Bund einen substanziellen Beitrag.

Vor allem dem Wunsch von Menschen mit Behinderungen nach individueller Lebensplanung sowie Selbstbestimmung soll durch das Bundesleistungsgesetz (Bundesteilhabegesetz) Rechnung getragen werden. Die gesellschaftlich überholte Institutionenorientierung wird durch Personenzentrierung ersetzt. Die Eingliederungshilfe wird zu einem modernen Teilhaberecht entwickelt, das den bisherigen Fürsorgegedanken weitgehend ablöst. Das bedeutet, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe auch weiterhin an den individuellen Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet sein müssen, um ein effektives Unterstützungssystem zu gewährleisten. Die Leistungen müssen im Rahmen der Leistungsbemessung in individuelle Bedarfe und anschließend in einen bestimmten Leistungsumfang übersetzt werden. Bei diesem Übersetzungsprozess entstehen Unschärfen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Bedarfe, die sich auf einen grundlegenden Nachteilsausgleich und den Abbau von Barrieren beziehen, nicht in einem klar definierten zeitlichen Umfang bemessen lassen. Hier liegt sicherlich noch ein schwieriges Stück Arbeit vor uns.

Sehr geehrte Frau Rosenberger, das Bundesteilhabegesetz soll keinesfalls die Situation behinderter Menschen verschlechtern, sondern sie ganz im Gegenteil verbessern. Natürlich müssen wir bei der Neugestaltung darauf achten, dass die zusätzlichen Kosten nicht explodieren und der Staat sie über Schulden auf die nachfolgenden Generationen abwälzt. Hier müssen wir erst noch den Gesetzgebungsprozess abwarten. Die Beschlüsse der Landesminister werden sicherlich im Rahmen der noch ausstehenden Diskussionen über das Bundesteilhabegesetz eine Rolle spielen. Das Bundesleistungsgesetzes (Bundesteilhabegesetz) wird aber auch im Deutschen Bundestag behandelt werden. Hier werden wir darauf achten, dass es zu einer effektiven Verbesserung der Situation der Betroffenen kommt im Sinne größere Selbstbestimmung und nicht zu einer Verschlechterung ihrer Situation. Das würde dem eigentlichen Grundanliegen, der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, völlig zuwiderlaufen.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Lindholz, MdB

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