Frage an Anette Kramme bezüglich Recht

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Anette Kramme
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Anette Kramme von Wilfried M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Kramme,

unlängst weilte Frau Ministerin Zypries in der Bayreuther Eremitage. Sie soll im Kreis der regionalen SPD- Verantwortlichen über die "Neue Justizpolitik" im Jahr 2005 referiert haben.

Dazu habe ich drei Fragen:

Was sind die für die Bürger aus Ihrer Sicht wichtigsten Eckpunkte der NEUEN Politik? Aus dem SPD- Programm kann ich als relativer Laie hierzu nichts entnehmen.

Welche Unterschiede bestehen insbesondere zu der CSU- Position, wie sie der CSU- Kandidat für das Bayreuther Bürgermeisteramt, Herr Dr. jur Hohl, vertritt? Demnach würde von Ihrem politischen Gegner (wenn Sie nicht doch einmal koalieren) eine Reformbestrebung in Richtung angloamerikanisches Rechtssystem gehen, jedenfalls bezüglich des Modethemas "Mediation".

Meine dritte daran anschließende Frage ist, ob Sie als Juristin und politische Gegnerin der (via "Nordbayerischer Kurier") werbenden Begründung des genannten Anwaltskammerpräsidenten folgen, durch einen solchen Reformbaustein ließen sich Kosten sparen.

Der Laie befürchtet ja, "Mediatoren", zumal Juristen unter ihnen, könnten auch etwas kosten und durch ihren Einfluß bzw. ihr Geschick ein erhöhtes Risiko mit sich bringen, daß der Laie von solchen Experten nicht immer so sicher davor bewahrt wird, "über den Vergleichstisch gezogen" zu werden. Hier ist womöglich die Rechtssicherheit der meisten Wähler stärker tangiert als der Hohl schen Vision zufolge vorgestellt.

Natürlich interessieren mich auch Ihre ganz persönlichen Standpunkte zu den anderen Fragen des "Kandidatenwatch".

Mit freundlichem Gruß
W. Meißner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Meißner,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

In der Tat referierte Frau Bundesjustizministerin Brigitte Zypries am 26.07.2005 zum Thema „Rechtspolitik 2005 - Reformen für eine moderne Gesellschaft“ in Bayreuth. Zu dieser Veranstaltung waren nur einige SPD-Verantwortliche eingeladen, im Übrigen haben wir ausschließlich Vertreter der lokalen und regionalen Justiz (Rechtsanwälte, Notare, Richter, etc.) zu diesem Fachgespräch gebeten.

Eckpunkte der Rechtspolitik in den vergangenen Jahren waren die Hilfe für Schwächere (Reform des Betreuungsrechts, des strafrechtlichen Sanktionssystems und Strafverfahrens, Anpassung des Jugendstrafrechts und Jugendstrafverfahrensrecht), die Moderniesierung von Verfahren und Institutionen (Reform der Binnenstruktur der Justiz, des Gesetzes der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, des Rechtsberatungsgesetzes) und die Mithilfe bei der Modernisierung im wirtschaftlichen Bereich (Umsetzung der Empfehlung der Regierungskommission "Corporate Governance", Reform des Bilanzrechts, des Versicherungsvertragsrechts und Modernisierung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb).

Ich will hier nur einige Beispiele aufführen, die mir persönlich am Herzen lagen und natürlich liegen. Mit dem Gesetz zum verbesserten Opferschutz werden die Interessen der Opfer im Strafverfahren stärker berücksichtigt. Dabei sollen die Belastungen für das Opfer so gering wie möglich gehalten werden. Die Rechte von Opfern sollen in drei wesentlichen Punkten gestärkt werden: Vermeidung von Mehrfachvernehmungen, Verbesserung der Möglichkeiten, bereits im Strafverfahren Schadensersatz zu erlangen (Stärkung des Adhäsionsverfahrens) sowie stärkere Einbindung des Verletzten in die Verfahrensabläufe und bessere Information durch weitergehende Mitteilungen und Benachrichtigungen.

Mit dem Gewaltschutzgesetz haben wir bereits in der 14. Legislaturperiode eine Rechtsgrundlage geschaffen, die bei häuslicher Gewalt oder unzumutbaren Belästigungen eine Schutzanordnung des Zivilgerichts gegen den Täter ermöglicht. Damit haben wir die Situation auch von Stalking-Opfern verbessert. „Stalking“ ist ein Verhaltensphänomen, bei dem der Täter einer anderen Person nachstellt, sie verfolgt, belästigt, bedroht. Mit einer neuen Strafvorschrift wollen wir den Schutz von Stalking-Opfern weiter ausbauen.

Mit dem am 1. Juli 2005 in Kraft getretenen 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz haben wir die Situation hilfebedürftiger Menschen verbessert. Ein Kernpunkt der neuen Regelung war die Stärkung der Vorsorgevollmacht. Hier sieht das Gesetz nicht nur Verbesserungen bei der Beratung vor. Vorsorgevollmachten können ab sofort auch von den Betreuungsbehörden beglaubigt werden. Wir wollen die Bereitschaft der Menschen fördern, in „gesunden“ Tagen eine Person ihres Vertrauens zu bestimmen, die im Falle einer später eintretenden Betreuungsbedürftigkeit in ihrem Namen handeln kann. Mit Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Patientenverfügung werden wir die erforderliche Rechtssicherheit für Patienten, Betreuer und Ärzte weiter ausbauen.

Das aus dem Jahre 1977 stammende Unterhaltsrecht wird den gewandelten Lebensformen nicht mehr gerecht. Mit einem neuen Unterhaltsrecht wollen wir auf den stetigen Anstieg von Scheidungen und die damit verbundene Zunahme von Zweitfamilien sowie eine steigende Anzahl von Kindern, die in nicht ehelichen Lebensgemeinschaften oder bei einem alleinerziehenden Elternteil leben reagieren. Zentrales Anliegen ist die Förderung des Kindeswohls, die wir dadurch gewährleisten wollen, dass wir dem Anspruch auf Kindesunterhalt Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen einräumen. Den zweiten Rang sollen alle kinderbetreuenden Elternteile einnehmen, und zwar unabhängig vom Familienstand. Die nicht verheiratete Mutter soll also zukünftig gleichberechtigt neben verheirateten und geschiedenen Müttern stehen. Das Unterhaltsrecht soll zudem einfacher und übersichtlicher werden.

Seit der Regierungsübernahme hat die SPD-Bundestagsfraktion viel für die Opfer von Sexualstraftaten - also vor allem Frauen und Kinder - getan. Wir haben in der Hälfte der Zeit in diesem Bereich mehr für Opfer getan, als die vorherige Bundesregierung in 16 Jahren. Mit der Reform des Sexualstrafrechts haben wir insbesondere Strafrahmen im Bereich der Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung angehoben sowie bisher vorhandene Strafbarkeitslücken geschlossen. Auch die neuen Möglichkeiten, die das Internet zur Begehung von Straftaten in diesem Bereich bietet, z.B. Verbreitung kinderpornografischer Schriften, können nun besser bekämpft werden. Wir haben außerdem die gesetzlichen Grundlagen für die vorbehaltene sowie die nachträgliche Sicherungsverwahrung geschaffen. Die Sicherheit unserer Kinder und anderer Opfer war für uns eine vorrangige Aufgabe und sie wird es auch bleiben.

Die DNA-Analyse, der so genannte „genetische Fingerabdruck“, ist eine effektive Methode zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten. In der beim Bundeskriminalamt geführten Gendatei sind bereits rund 300.000 Personen erfasst. Seit Inkrafttreten der Novellierung des Sexualstrafrechts am 1. April 2004 kann das DNA-Identifizierungsmuster bei jeder Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung gespeichert werden. Vor kurzem haben wir weitere Änderungen vorgenommen, wie zum Beispiel einen erweiterten Anlasstatenkatalog geschaffen, wonach auch sonstige, wiederholt begangene Straftaten, die insgesamt genommen im Unrechtsgehalt von erheblicher Bedeutung sind, zu einer Aufnahme in die Gendatei führen können. Geschaffen haben wir auch eine gesetzliche Regelung für sogenannte Reihengentests.

Konfliktlösungen der Zukunft werden – da bin ich mir ziemlich sicher – von Streitschlichtungs- und Mediationsverfahren geprägt sein. Mediation ist ein freiwilliges, außergerichtliches Verfahren zur Konfliktlösung. Sie ist eine besondere Art des Schlichtungsverfahrens. Die Konfliktparteien versuchen bei der Mediation unter Einschaltung eines neutralen Dritten, dem Mediator, einen Streitfall beizulegen, indem sie im Gespräch miteinander eine für alle Beteiligten befriedigende, interessengerechte Problemlösung erarbeiten. Im Unterschied zum gerichtlichen Verfahren liegt das Ergebnis des Verfahrens allein in den Händen der Beteiligten. Der Mediator ist dabei nur Vermittler, der den Gesprächsrahmen schafft. Der Mediator verfügt über keine Entscheidungskompetenz. „Über den Verhandlungstisch“ kann daher keine Partei gezogen werden.
Dieses außergerichtliche Instrument der Konfliktbewältigung birgt durchaus Vorteile. Dies gilt hinsichtlich der Justizentlastung und -modernisierung genauso wie für die Zeit- und Kostenersparnis bei den Parteien, vor allem aber auch im Hinblick auf die höhere Rechtszufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. Die Mediation gibt den Parteien mehr Flexibilität und soziale Autonomie bei der Entscheidung, was sie gemeinsam und selbständig regeln wollen und wofür sie – subsidiär – die Dienstleistung des Gerichts in Anspruch nehmen wollen.

Selbstverständlich ist eine Mediation nicht kostenlos. Die Kosten des Mediators werden im Mediationsvertrag festgelegt. Üblich ist eine Abrechung nach Stunden, die Stundensätze richten sich dabei nach der Qualifikation des Beraters und dem Gebiet der Mediation. Häufig werden die Kosten des Mediationsverfahrens hälftig geteilt.

Mit freundlichen Grüßen

Anette Kramme

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