Frage an Anja Hajduk bezüglich Gesundheit

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Anja Hajduk
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Frage an Anja Hajduk von Christoph L. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Hajduk,

In anderen EU-Ländern wie z.B. Spanien und Österreich gibt es ein Gesetz, nach dem Unfallopfer automatisch Organspender sind, solange sie nicht ausdrücklich durch einen Ausweis von der Organspende Abstand nehmen. Somit gibt es humane Wartezeiten für Organempfänger.
In Deutschland ist es genau umgekehrt, da jeder seine ausdrückliche Erlaubnis zur Organspende bekunden muß. Das Ergebnis ist, dass kaum jemand einen derartigen Spenderausweis besitzt, dass die Liste der Menschen, die auf ein Organ warten eher steigt als fällt und dass damit erhebliche Kosten für die Krankenkassen anfallen, die durch etwaige Transplantationen erheblich entlastet würden.
Das Essentielle an einer derartigen Gesetzesmodifikation sollte es aber sein, das Leid der auf Spenderorgane Wartenden und ihrer Angehörigen zu mindern und potentiellen Organempfängern wieder eine ganz neue Lebensqualität zu schenken. Ich denke, dass derartiges in einem der reichsten und am weitesten entwickelsten Länder der Welt wie Deutschland möglich sein sollte.
Dieses Thema wird leider viel zu selten in der Öffentlichkeit behandelt, Tausende in Deutschland leiden jedoch unter diesem strikten Organgestzt und seinen Folgen, die auf einfachste Art und Weise zu minimieren wären.
Ich würde gerne von Ihnen wissen, wieso es zu diesem Thema keine Gesetztesinitiative der Grünen gibt?
In Vorfreude auf Ihre Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,

Christoph Lang

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lang,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworte.

Auch ich halte die Zahl der Bundesbürger/innen, die einen Organspendeausweis besitzen - derzeit etwa 12% - für zu gering sowie die durchschnittlichen Wartezeiten für wesentlich zu lang. Betrachtet man die grundsätzlich sehr hohe Organspendebereitschaft in der Bevölkerung (laut Umfragen bei ca. 70%), so wird hier ein Handlungsbedarf deutlich.

Die von Ihnen geforderte gesetzliche Umstellung von der Zustimmungs- auf die so genannte Widerspruchsregelung, wie z.B. in Österreich oder Belgien, halte ich aus unterschiedlichen Gründen nicht für sinnvoll. Aus gesellschaftspolitischen und ethischen Erwägungen ist die ausdrückliche Zustimmung der SpenderInnen bzw. Angehörigen ein wertvolles Gut. Ihre Interessen gilt es ebenso zu wahren und sollte nicht durch den Gesetzgeber vorbestimmt sein.

Ob eine Widerspruchsregelung per se zu einer signifikanten Erhöhung der Organspende führt, ist zudem umstritten. Zwar liegen in europäischen Ländern die Zahlen der Organspender mit Widerspruchsregelungen, wie bspw. Spanien (33,8 Spender pro 1 Mio. Einwohner) und Österreich (23,9), in der Regel höher als etwa in Deutschland (13,8). Auffällig ist hierbei jedoch trotz gleicher gesetzlicher Regelung die erhebliche Differenz zwischen den Spenderzahlen in Spanien und Österreich oder auch Ungarn (16,1). Zum anderen kommen auch Länder, die eine erweiterte Zustimmungsregelung praktizieren, auf wesentlich höhere Spenderzahlen, als in Deutschland erreicht werden (z.B. Irland mit 21,1 Spender).
Ich plädiere aus diesem Grund dafür, auf eine verstärkte Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit zu setzen. Die Menschen müssen dafür sensibilisert werden, welche wichtige lebensrettende Funktion ein Organspendeausweis hat. Die grundsätzlich hohe Spendenbereitschaft zeigt, dass es hier viel Spielraum gibt. Ich bin überzeugt, dass eine Erhöhung der Spenderzahlen auch ohne gesetzliche Änderung möglich ist.

Denn es hat sich gezeigt, dass die Zahl der realisierbaren postmortalen Spenden in hohem Maße von der Zusammenarbeit zwischen Transplantationszentren und Krankenhäusern sowie vom Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abhängt. 2003 engagierten sich beispielsweise nur etwa 40 Prozent der bundesweit ca. 1 400 Krankenhäuser mit Intensivstationen für die Gemeinschaftsaufgabe "Organspende". Vor allem in Kliniken der Grund- und Regelversorgung herrscht hierbei Nachholbedarf. Positiv zu nennen ist hierfür das Beispiel des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Hier gab es im Jahr 2003 mehr postmortale Organspender (25,9) als in Belgien (24,8), wo die Widerspruchsregelung gilt.

Ich glaubee deshalb, dass im Rahmen der bestehenden Regelungen noch viel mehr für die Organspende erreicht werden muss und die Wartezeiten verkürzt werden können, ohne die ethischen Befindlichkeiten einzelner zu verletzten.

Mit freundlichen Grüßen
Anja Hajduk