Frage an Annette Widmann-Mauz bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Annette Widmann-Mauz
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Frage von Nicola Marcus K. •

Frage an Annette Widmann-Mauz von Nicola Marcus K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,

Ich habe Ihre Antwort zur Frage von Herr Beyer gelesen.

Da CETA, oder TTIP einen Freihandelsvertrag darstellen und sogenannte Handelshemmnisse abbauen sollen, erschließt es sich mir nicht, wie Sie als Vertreterin des Souveräns sich nur auf die Aussagen von Frau Malmström verlassen können, ohne die Verträge selbst gelesen zu haben. Gerade in Bezug auf Ihr Studium und Ihre Vorbildung ist diese Aussage eigentlich ein Schlag ins Gesicht für jeden Bürger und insbesondere für mich als Betriebswirt.

Als Betriebswirt mit dem Schwerpunkt auf Außenwirtschaft, ist es für mich unverständlich, wie es sein kann, dass man Schiedsgerichte benötigt, da diese Schiedsgerichte eigentlich dafür gegründet worden sind, um Firmen eine gewisse Rechtssicherheit in politisch instabilen Regionen und Ländern zu geben. Wenn Sie mir natürlich bestätigen, dass die EU und auch die USA Regionen sind, in den wenig bis gar keine Rechtssicherheit besteht, wäre dies natürlich nachvollziehbar.
Normen und Erleichterungen können auch ohne große Probleme durch Abkommen, die nicht im Geheimen verhandelt werden, vereinbart werden. Was wiederum Sinne des demokratischen Gedanken wäre.

Es ist für mich ein Unding, dass deutsche Abgeordnete nur unter erschwerten Bedingungen in das Vertragswerk von TTIP Einblick nehmen können. Wie stehen Sie dazu? Warum kann der deutsche Bürger nicht auch in das Vertragswerk Einblick nehmen? Immerhin geht es um eine Umgestaltung unseres sozialen, wirtschaftlichen und demokratischen Lebens, sprich es betrifft jeden Bürger in der BRD, wie auch der EU, und nicht nur die Verhandlungsführer der EU-Kommission. Dies stößt sich mit meinem Verständnis von Demokratie. Wie sehen Sie dies?
Anders gefragt: Würden Sie ein Hypothekendarlehen aufnehmen, ohne dass Ihnen Einblick in die Vertragsunterlagen gewährt wurde und Sie diese mit einem Rechtsbeistand, oder einem Experten gegen geprüft hätten?

Im Voraus bedanke ich mich für Ihre Antwort.

N. Knapp

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Sehr geehrter Herr Knapp,

für Ihre Nachfragen zu den Freihandelsabkommen TTIP und CETA bedanke ich mich.

Was den Vorwurf von Geheimverhandlungen betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass die TTIP-Verhandlungen inzwischen ein Ausmaß an Transparenz erreicht haben, wie es bei keinem der zahlreichen EU-Handelsabkommen in der Vergangenheit jemals erreicht worden ist. Die EU-Kommission informiert regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d.h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Damit ist gewährleistet, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen bei den Verhandlungen informiert sind. Überdies werden alle wichtigen EU-Verhandlungsdokumente durch die EU-Kommission veröffentlicht. Gerne können Sie sich informieren unter:

http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm.

Aus den dortigen Informationen geht auch hervor, dass die Freihandelsvereinbarungen weder unser wirtschaftliches, soziales noch unser demokratisches Leben umgestalten werden. Aus den mir vorliegenden Unterlagen sehe ich keinen Anhaltspunkt für derartige Behauptungen.

Für eine verbesserte Transparenz sorgt auch der seit Februar 2016 erfolgte Zugang für alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie für Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates zu den sog. konsolidierten Verhandlungstexten. Diese Dokumente bestehen aus EU- und US-Textvorschlägen.

Zugleich muss aber auch bei TTIP in einem bestimmten Umfang die Vertraulichkeit von Verhandlungen gewährleistet sein. Das ist auch in Demokratien eine völlig normale und legitime Vorgehensweise. So ist es im Deutschen Bundestag und in anderen demokratisch gewählten Parlamenten absolut üblich, dass die Fachausschüsse, in denen Gesetzgebungsvorhaben im Detail beraten werden, nicht öffentlich tagen. Ein weiteres Beispiel sind Tarifverhandlungen, die ebenfalls nicht-öffentlich stattfinden. Zunächst werden die Positionen der Tarifparteien ausgetauscht. Dann gibt es die nicht-öffentlichen Verhandlungen, deren Ergebnisse anschließend den Mitgliedern der Tarifparteien zur Entscheidung vorgelegt werden. Da gab es jüngst auch Beispiele, dass die Gewerkschaftsmitglieder nicht einverstanden mit den Ergebnissen waren. Genauso läuft es auch bei TTIP und anderen völkerrechtlichen Verträgen. Die Verhandlungsparteien verhandeln nicht-öffentlich und das Ergebnis wird anschließend den demokratisch legitimierten Institutionen - d.h. insbesondere den Parlamenten – zur Genehmigung vorgelegt. Daran ist nichts Skandalöses, sondern dies ist eine völlig normale und legitime Vorgehensweise.

Was den Investitionsschutz betrifft, so ist die Bundesregierung der Ansicht, dass spezielle Investitionsschutzvorschriften in einem Abkommen zwischen der EU und den USA nicht erforderlich sind, da beide Partner hinreichenden Rechtsschutz vor nationalen Gerichten gewähren. Die EU-Kommission und viele andere EU-Mitgliedstaaten wollen jedoch Investitionsschutzbestimmungen in TTIP aufnehmen. Nach meiner Meinung sollte, abgesehen vom bestehenden Verwaltungsgerichtsweg, kein außergerichtlicher Klageweg eröffnet werden, falls Investoren mit kommunalem Verwaltungshandeln nicht einverstanden sein sollten. Die endgültige Entscheidung darüber, ob und wie der Investitionsschutz in das Abkommen aufgenommen wird, wird erst nach Abschluss der Verhandlungen und nach Evaluierung des Verhandlungsergebnisses durch die Mitgliedstaaten erfolgen. Bundesregierung und Bundestag werden in jedem Fall sicherstellen, dass Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen, die rechtsstaatlich und demokratisch zustande kommen, nicht durch den Investitionsschutz ausgehebelt werden.

Abschließend darf ich nochmals darauf hinweisen, dass der Text von TTIP nach Abschluss der Verhandlungen dem Europäischen Parlament und – da es sich bei TTIP europarechtlich gesehen mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein sogenanntes gemischtes Abkommen zwischen der EU und den Mitgliedsländern handeln wird - auch den nationalen Parlamenten aller 28 EU-Mitgliedstaaten zur Genehmigung vorgelegt wird. Ohne deren Zustimmung wird TTIP nicht in Kraft treten. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht also ein ausreichendes Maß an demokratischer Kontrolle.

Mit freundlichen Grüßen

Annette Widmann-Mauz MdB

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