Frage an Aydan Özoğuz von Mariusz R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Özoguz,
in einem Interview in der WAS vom 13.4.2014 stellen Sie fest:
„Deutsch ist aber auch eine verdammt schwere Sprache! Es gibt genug Zuwanderer, darunter viele Fachkräfte, die wieder das Land verlassen, weil sie es mit unserer Sprache nicht hinbekommen. Es ist wirklich etwas anderes, als mal eben Englisch zu lernen.“
Als jemand, der mit 10 Jahren im Jahre 1968 ohne ein einziges Wort Deutsch zu kennen nach Deutschland gezogen ist und in der Schule und im Beruf auch die englische Sprache erlernen musste, möchte ich Sie fragen:
1.Wie kommen Sie darauf, dass man „mal eben“ Englisch lernen kann, jedoch dass es „etwas ganz anderes“ ist, Deutsch zu lernen, insbesondere wenn man in deutschsprachiger Umgebung lebt und arbeitet und somit überall die Gelegenheit hat, seine Deutschkenntnisse zu üben und zu erweitern ? Können Sie mir das plausibel erklären ?
2.Können Sie mir konkret ein Beispiel für einen Beruf nennen, welchen man als „Facharbeiter“ bezeichnen kann, bei welchem man jedoch in einer deutschen Umgebung dieses Berufes nicht in der Lage ist, die Landessprache zu erlernen, insbesondere wenn man hier seinen Lebensmittelpunkt hat ?
Mit freundlichem Gruss
Mariusz Rejmanowski
Sehr geehrter Herr Rejmanowski,
meine Aussage beruht vor allem auf den Erfahrungen vieler Menschen, die mir im Rahmen meiner Arbeit davon berichten, als wie schwer sie es empfinden, die deutsche Sprache zu erlernen. Für Zuwanderer nach Deutschland trifft es häufig zu, dass sie vor Absolvieren eines Sprachkurses seltener Vorkenntnisse im Deutschen haben. Bei der englischen Sprache sieht das häufig anders aus, da zumindest in vielen Fällen bereits Schulkenntnisse vorhanden sind.
Zudem hält die deutsche Grammatik einige Tücken parat, die es in dieser Form nicht in der englischen Sprache gibt. Alleine bei Betrachtung der geschlechtsspezifischen Artikel („die Kirche“), die sich dann aber je nach Verwendung „scheinbar wahllos“ ändern können („ich war in DER Kirche“), erscheint mir diese Sichtweise recht plausibel.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ich spreche von Fachkräften, z.B. aus dem technischen Bereich (Ingenieure, Elektroinstallateure etc.) oder auch im medizinischen Sektor (sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte etc.), die natürlich über lange Zeit auch im beruflichen und privaten Umfeld Deutsch lernen würden, aber gar nicht erst so weit kommen aufgrund sprachlicher Barrieren, wie zum Beispiel dem Erlernen von Fachbegriffen, die im Alltag nicht vorkommen. Auch solche Fälle sind mir bekannt.
Natürlich und glücklicherweise gibt es Tausende in unserem Land, die es gut hinbekommen haben, aber das darf uns nicht dazu verleiten, weniger Angebote zur Erlernung der deutschen Sprache bereitzustellen. Gerade berufsbegleitende Sprachkurse werden in einem Maße wahrgenommen, wie wir es selbst nicht voraussehen konnten. Deshalb bin ich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles dankbar, dass sie kurzfristig noch rund 34 Millionen für den Erhalt der berufsbezogenen Sprachkurse in diesem Jahr beigesteuert hat.
Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoğuz, MdB