Frage an Aydan Özoğuz von Barbara U. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Özoguz
Ich habe gerade von "compact" eine Mail bekommen und man bittet um meine Unterschrift.
Es geht um das CETA-Abkommen:
"Monsanto und Exxon verklagen europäische Staaten auf Milliardensummen, weil diese Gen-Food oder Fracking verbieten – dieser Albtraum droht uns mit dem TTIP-Abkommen zwischen den USA und der EU. Aber während die Verhandlungen dazu andauern, haben die EU und Kanada ein anderes Investitions- und Handelsabkommen schon ausgehandelt: CETA. Mit ihm kommt TTIP durch die Hintertür. Konzerne müssten nur eine Tochterfirma in Kanada eröffnen – und könnten mit CETA Deutschland vor konzernnahen Schiedsgerichten verklagen, sobald ein Gesetz ihre Gewinne schmälert.
Gestern wurde bekannt: Das Abkommen ist fertig verhandelt. Jetzt soll beim EU-Kanada-Gipfel am 25. September der Startschuss für die Ratifizierung von CETA fallen..."
Müssen wir jetzt befürchten, dass wir Gen- Food hinnehmen müssen und Kinder jetzt damit aufgezogen werden sollen? Auch das Fracking ist doch extrem umstritten und gilt als sehr umweltschädlich. Wird unser Trinkwasser demnächst unbezahlbar?
Sehr geehrte Frau Uduwerella,
vielen Dank für Ihre Mail. Ich verstehe Ihre Besorgnis und glauben Sie mir: Ich bin die Letzte, die möchte, dass unsere Kinder mit „Gen-Food“ aufgezogen werden. Alle von Ihnen genannten Risiken oder Drohszenarien sind der SPD natürlich bekannt und werden nicht auf die leichte Schulter genommen. Wir beobachten natürlich auch den Widerstand gegen Abkommen wie CETA oder TTIP innerhalb der Bevölkerung und versuchen, die Verhandlungen kritisch, aber dennoch konstruktiv zu begleiten. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass das CETA Abkommen differenziert und sorgfältig betrachtet werden sollte, um zu erkennen, was tatsächlich im Fokus dieses Abkommens steht.
Die Bundesregierung hat von Anfang an das Ziel unterstützt, mit Kanada ein modernes und in seinen Standards ehrgeiziges Freihandelsabkommen zu schließen. Ein gestärkter Freihandel bietet Chancen für mehr Wachstum und Arbeitsplätze. CETA soll die Kosten für den Austausch von Waren und Dienstleistungen senken und den Zugang zum kanadischen Markt besonders für kleine und mittlere europäische Unternehmen erleichtern. Von dem vorgesehenen, weitgehenden Abbau von Zöllen und überflüssigen nichttarifären Hindernissen – also etwa unterschiedlicher, aber vergleichbarer Genehmigungsverfahren – für Industriegüter würden auch viele Unternehmen abseits der großen Konzerne profitieren. Das Handelsabkommen mit Kanada ist dabei deutlich kleiner gefasst als ein mögliches TTIP Abkommen mit den USA.
Es ist aber auch klar, dass ein Abkommen wie CETA nicht ausschließlich Wirtschaftswachstum – und das um jeden Preis – anstreben darf. Bestehende Standards zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Umwelt müssen abgesichert, wenn nicht gar ausgebaut werden. Ich glaube, dass in dieser Hinsicht Freihandelsabkommen auch eine Chance bieten, wenn penibel darauf geachtet wird, dass nicht der kleinstmögliche Nenner, sondern der höchstmögliche Anspruch bei der Festlegung gemeinsamer Schutzstandards Berücksichtigung findet.
Ich möchte mich auch kurz noch zum Weg der Beschlussfassung äußern. Neben dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament müssen auch die nationalen Parlamente dem Abkommen zustimmen. Ein Abschluss allein durch die EU kommt daher nicht in Betracht. Zudem können Investoren in Deutschland auch durch CETA nicht erfolgreich gegen das dem Allgemeinwohl dienende Gesetz klagen. Im Hinblick auf den Marktzugang scheidet sogar die Anrufung eines Schiedsgerichts aus. Der gesetzgeberische Handlungsspielraum zum Schutz öffentlicher Interessen wie der nationalen Sicherheit, dem Umweltschutz, der öffentlichen Gesundheit und ähnlichem ist damit gewahrt.
Ich gehe davon aus, dass die kommenden Wochen und Monate zunächst intensiv genutzt werden, um noch offene Punkte im CETA-Entwurf zu klären. Da CETA in derzeitiger Fassung nach Auffassung der Bundesregierung ein sogenanntes gemischtes Abkommen ist, wird der Beschluss im Europäischen Rat einstimmig fallen müssen. Die sich anschließende Beschlussfassung im Europäischen Parlament wäre nicht vor Ende 2015 zu erwarten. Danach würde der Ratifizierungsprozess in den 28 EU-Mitgliedsstaaten nach Maßgabe der jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften folgen, d.h. in Deutschland durch Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Auch dieser Prozess dauert erfahrungsgemäß mindestens zwei Jahre. Schließlich würde das Abkommen durch einen Beschluss des Rates formal für die EU ratifiziert werden.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Besorgnis lindern und Ihnen einen Einblick in die vorgesehenen Ratifizierungsprozesse gewähren.
Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoğuz, MdB