Sehr geehrter Herr D.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Es wird leider nie so sein, dass man zu Beginn eines Einsatzes schon genau weiß, was alles passieren wird. Dann würde man den Einsatz auch jeweils anders führen. Ihre Frage zielt vermutlich auf folgendes ab: Ich denke, es war richtig, bei diesem ersten Nato-Bündnisfall zusammen zu stehen und den Einsatz gemeinsam in der Allianz zu führen.

Wir haben 20 Jahre humanitäre Hilfe geleistet. Die Hälfte der afghanischen Bevölkerung kennt die Talibanherrschaft nicht, denn das Durchschnittsalter in Afghanistan liegt bei 18,4 Jahren. Wir haben einer Generation ermöglicht, Bildung zu durchlaufen, eigene Wege zu gehen. Wie wir in diesen Tagen bemerken durften, sind viele Afghaninnen und Afghanen in den letzten Jahren nach Afghanistan ein- und ausgereist. Sie kennen ein ganz anderes Leben, als es unter der Talibanherrschaft jemals möglich war und nun vermutlich sein wird.

Wir dürfen gerade in dieser Lage bei unseren Bemühungen, einige der Errungenschaften zu erhalten, nicht nachlassen. Aus diesem Grund laufen derzeit die Gespräche zwischen einer deutschen Delegation und Vertretern der Taliban in Doha weiter. Wir müssen versuchen, gerade im Bereich der Frauen- und Menschenrechte, zu erhalten, was noch zu erhalten ist. Denn auch eine von den Taliban geführte Regierung wird weiterhin auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen sein. Das ist unser Hebel und den werden wir im besten humanitären Sinne versuchen zu nutzen.

Auch gilt es in meinen Augen, in der nächsten Bundesregierung schonungslos aufzuarbeiten, wie der Einsatz gelaufen ist , und auch Lehren für künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr zu ziehen. Das sind wir uns selbst, unserem Land und allen, die in Afghanistan im Einsatz gewesen sind, schuldig.

Mit freundlichen Grüßen

Aydan Özoğuz, MdB