Frage an Birgit Sippel bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Birgit Sippel
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Frage von Erika K. •

Frage an Birgit Sippel von Erika K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Sippel, durch die Berichterstattung zum TTIP-Freihandelsabkommen zwischen USA und Europa wurde deutlich , wie wenig selbst EU-Abgeordnete über dieses Abkommen informiert sind. Fühlen Sie sich ausreichend informiert über Inhalte und Klauseln? Z.B. hinsichtlich der Einhaltung europäischer Lebensmittelstandards, der Beweislastpflicht des Verbrauchers in den USA oder der Schadensersatzforderungen seitens us-amerikanischer Firmen bei nicht eingetroffenen (fiktiven) Gewinnen?
Sind die geringen positiven Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum das Risiko der Standardabsenkungen in der EU wert?

Interessant dazu die Dokumentation des Senders 3Sat am 20.3.14 "Gefährliche Geheimnisse - wie USA und EU den Freihandel planen".

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Sehr geehrte Frau Krenzer,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage vom 24. März zum Freihandelsabkommen TTIP, das derzeit zwischen der EU und den USA verhandelt wird.

Der bisherige Stand der Verhandlungen ist ernüchternd. Einige wichtige Bereiche scheinen aufgrund der großen Unterschiede zwischen der EU und den USA nicht in das Abkommen integriert werden zu können.

Zum einen ist aus Sicht der Sozialdemokraten die Frage nach der Beibehaltung unserer europäischen Standards ein wichtiger und nicht verhandelbarer Punkt. Generell muss klar sein, dass der Besitzstand der europäischen Gesetzgebungen nicht angetastet werden darf. Eine Marktöffnung und ein erweiterter Wettbewerb dürfen nicht zu Lasten der Verbrauchersicherheit und der Arbeitsbedingungen gehen. Eine Harmonisierung der Standards unter TTIP zum Beispiel in der Maschinenbaubranche oder im Bereich der Lebensmittelsicherheit darf nicht zu einer Aufweichung der Standards innerhalb der Europäischen Union und in Deutschland führen.

Außerdem darf es bei den Regeln für die Sicherstellung der Arbeitnehmerrechte gemäß den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation und bei einem Ausklammern eines außergerichtlichen Investorenschutzes keine Kompromisse geben. Die Gespräche im Bereich des Investitionsschutzes sind auf EU-Seite vorläufig ausgesetzt, um bis zum Sommer eine Konsultation durchzuführen. Wir Sozialdemokraten fordern, dass es für ein sogenanntes Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren keine Perspektive geben darf. Das Handelsabkommen der USA mit Australien, das ohne eine solche Regelung auskommt, soll hierbei als Vorbild dienen.

Eine andere kritisch zu betrachtende Tatsache ist die zu geringe Transparenz, die die TTIP-Verhandlungen aufweisen. Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ist das Europäische Parlament zwar zum Mitgesetzgeber im Bereich der Handelspolitik geworden und wird u. a. vor und nach Verhandlungsrunden vollumfänglich von der Europäischen Kommission über den Stand von EU-Handelsverhandlungen informiert. Der Handelsausschuss des Parlaments hat darüber hinaus denselben und gleichberechtigten Zugang zu Informationen und Dokumenten seitens der Europäischen Union wie die Mitgliedstaaten im Ministerrat. Wir Parlamentarier, insbesondere wir Sozialdemokraten, fordern jedoch entschieden mehr Transparenz mit Blick auf die Verhandlungen zum geplanten Freihandelsabkommen. So sollten uns wirklich alle Verhandlungsdokumente, auch die der USA, zur Verfügung stehen.

Auch dürfen Bürgerrechtsinteressen nicht etwaigen wirtschaftlichen Heilsversprechen zum Opfer fallen. Das Abkommen mit den USA ist ein machtvolles Instrument, das wir zur Stärkung europäischer Bürgerrechte einsetzen müssen. Daher fordern wir das Aussetzen der TTIP-Verhandlungen bis die Verhandlungen über das sogenannte Datenschutz-Rahmenabkommen erfolgreich abgeschlossen wurden und alle vom Europäischen Parlament geäußerten Bedenken angemessen ausgeräumt wurden. Es scheint sinnvoll, die Verhandlungen bis zu den US-amerikanischen Kongresswahlen im November auf Eis zu legen. Sollten sich die US-Amerikaner im Lichte der NSA-Spähaffäre nach wie vor weigern, EU-Bürgern im Datenschutz-Rahmenabkommen entscheidende Grundrechtsgarantien zuzusprechen, muss darüber nachgedacht werden, ob wir mit einem Drittstaat, der die Grundrechte europäischer Bürgerinnen und Bürger nicht billigt, eine derart enge Handelsverbindung eingehen wollen.

Ich hoffe Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen und einen umfassenden Überblick meiner Position gegeben zu haben.

Mit freundlichen Grüßen,

Birgit Sippel

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