Ist die Verletzung des absoluten Folterverbots im Zuge illegaler Pushbacks an der EU-Außengrenze Thema im Ausschuss LIBE?

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Birgit Sippel
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Frage von Theresa D. •

Ist die Verletzung des absoluten Folterverbots im Zuge illegaler Pushbacks an der EU-Außengrenze Thema im Ausschuss LIBE?

Sehr geehrte Frau Sippel, die illegalen Pushbacks in Griechenland und die dabei verübten, teilweisen schweren Misshandlungen von wehrlosen Schutzsuchenden bereitet mir große Sorgen. https://www.amnesty.de/sites/default/files/2021-06/Amnesty-Bericht-Griechenland-Asyl-Migration-Flucht-Violence-and-Push-Backs-Juni-2021.pdf. Solche Misshandlungen werden im aktuellen Bericht des CPT dokumentiert https://rm.coe.int/1680aabe2b. In Griechenland sind die geschilderten Fälle von Folter und Misshandlung bislang nicht juristisch untersucht und geahndet worden. Ich würde mich sehr über nähere Informationen freuen, welche Maßnahmen Sie im Ausschuss LIBE zur Beendigung der rechtswidrigen Behandlung von Schutzsuchenden in Griechenland planen.

Mit freundlichen Grüßen
Theresa D.

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Sehr geehrte Frau D.,

vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich direkt eingehen möchte.

Der LIBE-Ausschuss hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen beschäftigt, insbesondere auch zu Berichten aus Griechenland. So wurde kürzlich die Schiffskatastrophe vor der griechischen Küste am 6. Juli, die Berichte der New York Times zu Pushbacks in Griechenland am 5. Juni im Ausschuss debattiert. Auch die mögliche Beteiligung von Frontex an Menschenrechtsverstößen wurde im Beisein der Journalisten am 10. Mai 2021 besprochen, die an der Berichterstattung beteiligt waren. Auch bei der Anhörung der potenziellen Kandidat:innen für den Führungsposten von Frontex am 30. November 2022 wurden Berichte über Pushbacks ebenfalls intensiv besprochen. Aufzeichnungen dieser Sitzungen können sie hier anschauen: https://www.europarl.europa.eu/committees/de/libe/meetings/webstreaming

Die zahlreichen Probleme, die zum Beispiel der Jahresbericht für 2022 des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) identifiziert hat, sind noch in vielen weiteren Debatten zur Sprache gekommen. Auch in nicht-öffentlichen Verhandlungsrunden zur Asyl- und Migrationsreform kommen die vom CPT hervorgehobenen Missstände regelmäßig zur Sprache. Dies gilt insbesondere für mich als Berichterstatterin des Vorschlags für eine Screening-Verordnung, die einen Grundrechte-Überwachungsmechanismus einführen soll. Unserer sozialdemokratischen Fraktion ist sehr daran gelegen, diesen Überwachungsmechanismus möglichst stark auszugestalten, womit wir unter anderem auch die Punkte 98-104 des CPT-Jahresberichts adressieren. Darüber hinaus war ich persönlich in den letzten Jahren in Griechenland um mir vor Ort ein Bild der Lage zu machen und mich mit den lokalen Behörden und der Zivilgesellschaft und Nicht-Regierungs-Organisationen vor Ort auszutauschen. Ich kann Ihre Sorgen daher nachvollziehen und teile sie.

Der LIBE-Ausschuss hat sich in seiner Gesamtheit zwar bisher nicht eindeutig für Vertragsverletzungsverfahren bezüglich Pushbacks gegen bestimmte Mitgliedstaaten, inkl. Griechenland, ausgesprochen. Für eine solch klare Forderung gab es bisher keine Mehrheit. Der Ausschuss hat jedoch bezüglich der Schiffskatastrophe vor Pylos die Europäische Kommission und die griechischen Behörden aufgefordert, umgehend eine unabhängige und transparente Untersuchung einzuleiten, um die Rolle der griechischen Küstenwache und Frontex klarzustellen. Erst gestern hat auch der Europäische Ombudsmann eine Untersuchung in der Sache eingeleitet.

Meine sozialdemokratische S&D-Fraktion hat sich darüber hinaus wiederholt für Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten ausgesprochen, die systematisch die Grundrechte von Migrant:innen verletzen. Diese Forderungen haben wir auch im LIBE-Ausschuss geäußert, aber auch schriftlich festgehalten. Hierbei verweise ich beispielsweise auf einen öffentlichen Brief der Fraktion an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom Oktober 2021 in dem wir die Eröffnung solcher Verfahren gegen Polen, Griechenland und Kroatien gefordert haben: https://www.socialistsanddemocrats.eu/sites/default/files/2021-10/sd-letter-to-president-von-der-leyen-on-migrant-pushbacks-at-eu-borders.211020.pdf

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit dieser Antwort dienen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Birgit Sippel

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