Sehr geehrter Herr Ramelow, wie stehen Sie zu Lobbyismus und inwieweit ist es wichtig für unsere Demokratie und inwieweit nicht? Was sind Maßnahmen, um es transparenter machen zu können?
Momentan sprechen wir im Unterricht über das Thema Lobbyismus und haben die Aufgabe bekommen, mit Abgeordneten aus dem Bundestag über das Thema in den Austausch zu kommen.
Lobbyismus ist nicht automatisch schlecht, entscheidend ist, wer Einfluss nimmt und unter welchen Bedingungen. Interessenvertretung gehört in einer pluralen Gesellschaft dazu. Gewerkschaften, Umweltverbände, Sozialinitiativen oder Bürgervereine bringen wertvolle Erfahrungen und Fachwissen ein, das in der Politik gebraucht wird. Wenn gesellschaftliche Gruppen ihre Anliegen an die Politik herantragen, ist das ein Teil demokratischer Beteiligung und kann den Entscheidungsprozess bereichern.
Das Problem entsteht dort, wo Lobbyismus im Verborgenen stattfindet und wo wirtschaftlich mächtige Akteure deutlich mehr Einfluss bekommen als alle anderen. Wenn Entscheidungen hinter geschlossenen Türen vorbereitet werden, wenn Gesetzestexte in Kanzleien von Konzernen entstehen oder wenn Abgeordnete nicht offenlegen müssen, mit wem sie sprechen und welche Interessen dabei eine Rolle spielen, dann wird Demokratie ausgehöhlt. In solchen Fällen entsteht der Eindruck, politische Entscheidungen würden nicht nach dem Gemeinwohl, sondern nach Kapitalinteressen gefällt. Das beschädigt Vertrauen und Vertrauen ist das Fundament jeder Demokratie.
Für mich ist deshalb entscheidend, dass Lobbyismus klare, verbindliche Regeln bekommt. Transparenz ist kein Selbstzweck, sondern eine demokratische Notwendigkeit. Wir brauchen ein Lobbyregister, das diesen Namen verdient, in dem sichtbar wird, wer Einfluss auf Gesetzgebung und Regierungspolitik nimmt. Ebenso wichtig ist die Offenlegung aller Nebentätigkeiten von Abgeordneten, damit mögliche Interessenkonflikte erkennbar sind. Auch Karenzzeiten für Regierungsmitglieder sind notwendig, um zu verhindern, dass Spitzenpolitikerinnen und -politiker direkt in gut bezahlte Lobbyjobs wechseln. Genauso steht für mich fest: Parteien dürfen nicht von großen Unternehmensspenden abhängig sein, sonst verschiebt sich das Kräfteverhältnis weiter zugunsten derjenigen, die ohnehin schon über Einfluss verfügen.
Demokratie lebt davon, dass politische Entscheidungen nachvollziehbar, ehrlich und im Interesse der Allgemeinheit getroffen werden. Wenn Einflussnahme transparent ist und allen gesellschaftlichen Kräften gleichermaßen offensteht, kann Lobbyarbeit hilfreich sein. Wenn sie aber im Geheimen stattfindet oder von finanzstarken Gruppen dominiert wird, gefährdet sie die demokratische Gleichheit. Daher ist es unsere Aufgabe, klare und strenge Regeln zu schaffen, die politische Integrität schützen und das Vertrauen der Menschen in die Politik stärken.
