Frage an Cem Özdemir bezüglich Verkehr

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Cem Özdemir
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Uta H. •

Frage an Cem Özdemir von Uta H. bezüglich Verkehr

.. Wirtschaft, Städtebau und Stadtentwicklung, Finanzen, Inneres und Justiz, Demokratie und Bürgerrechte --------- das alles sind Themen, die sich im Thema Stuttgart21 und NBS bündeln. Herr Özdemir - wie ist Ihre Haltung zur Frage, ob das Land eine Feststellungsklage führen soll, um klarzustellen, ob das Land verpflichtet werden kann, weitere Gelder als die zugesagten 960 Mio Euro in das Projekt einzuzahlen - und ob bei dieser Gelegenheit grundsätzlich geklärt werden kann, ob diese Zusage der beiden letzten MP´s von Baden-Württ. überhaupt verfassungskonform ist. Weiter möchte ich gerne wissen, warum um alles das Thema "unnütze -schädliche- Großprojekte" aus dem Bundestagswahlkampf so bemüht herausgehalten werden soll - was befürchtet man von GRÜNer Seite? möglicherweise dass die Konstellation Schwarz-Grün dann nicht zustande kommen könnte (Macht ???)
In diesem Zusammenhang stelle ich die Frage, warum um alles man nicht konzentriert daran arbeitet, das Projekt S21 und NBS zu stoppen um den größten Schaden, den noch gar nicht eingetreten ist, zu verhindern. Ich meine dabei nicht nur den finanziellen Schaden, sondern auch den, der durch die vielfältigen Eingriffe in den Grundwasser- und Mineralwasserhorizont geschehen werden u.u.u. ... - Dem Versprechen von Abgeordneten und Regierung, Schaden vom Volk abzuwenden, würde so wenigstens Genüge getan.
Ein anderes Thema im GRÜNen Wahlprogramm ist die Frauenquote. Wie stehen Sie dazu ? Würden Sie nicht eher dafür kämpfen, dass die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Mann und Frau endlich wahr wird, gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezahlt wird - wenn das so ist, dann stellt sich die Frage nach Können und Kompetenz und nicht nach Geschlecht. Ob den Frauen damit gutgetan wird, wenn man sie per Quote in Führungspositionen hievt, ist mehr als fraglich.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Hees,

eines kann ich Ihnen versichern: auf jeder Veranstaltung, die ich in den letzten Wochen und Monaten besucht habe, ist Stuttgart 21 ein relevantes Thema, das die Bürgerinnen und Bürger beschäftigt und bewegt. Auch außerhalb Stuttgarts. Am 30. August 2013 findet um 19:00 Uhrr im Gewerkschaftshaus in Stuttgart eine weitere Veranstaltung zur Bahnpolitik statt: Gemeinsam mit Toni Hofreiter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, werde ich über das Thema "Welche Bahn-Infrastruktur brauchen wir? S21, Bahn-Chaos in Mainz - Die Deutsche Bahn auf falschen Gleisen!" diskutieren.

Stuttgart 21 ist nach wie vor eines der umstrittensten Verkehrsgroßprojekte in unserem Land. Bündnis 90/Die Grünen hat stets auf die Risiken und Defizite des Projekts hingewiesen, gerade was die Kostenprognose und Leistungsfähigkeit angeht. Wie Sie wissen, hat bei der Volksabstimmung am 27. November 2011 eine Mehrheit im Land und auch in Stuttgart gegen den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung gestimmt. Das Projekt war im Anschluss daran weiterhin umstritten, gerade angesichts der massiven Kostensteigerungen. Doch auch der Aufsichtsrat der Bahn hat schließlich am 05. März 2013 trotz erheblich gestiegener Kosten für den Bau des Tiefbahnhofs votiert. Der Kostenrahmen wurde um 2 Mrd. auf ca. 6,5 Mrd. Euro erhöht. Die baden-württembergische Landesregierung steht zu ihrem vertraglich vereinbarten Zuschuss von 930 Mio. Euro. Sie hat aber auch wiederholt klar gemacht, dass sie sich darüber hinaus nicht an weiteren Mehrkosten beteiligen wird. Hierzu gibt es einen einstimmigen Beschluss des Kabinetts.

Diese Entscheidungen (wie zuletzt die des Bahn-Aufsichtsrates) sind aus unserer Sicht zu respektieren, auch wenn wir sie aus inhaltlichen Gründen für falsch empfinden. Es bedeutet jedenfalls nicht, dass wir deshalb unsere Meinung ändern, was den Bahnhof angeht. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Bahnknoten Stuttgart modernisiert werden muss - Stuttgart 21 ist und bleibt aus unserer Sicht aber die falsche Antwort.

Was eine Feststellungsklage angeht: Ich begrüße es, dass die Landesregierung alle rechtlichen Optionen prüft, die in der aktuellen Situation in Betracht kommen. Dazu zählt auch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage gegen die Bahn. Klar ist aber: Auch bei einer solchen Klage müsste mit einem Rechtsstreit über mehrere Jahre gerechnet werden.

Ich möchte auch daran erinnern, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung Verantwortung für die Fortführung dieses Projektes trägt: Stuttgart 21 wurde dieses Jahr - gerade im Vorfeld der Entscheidung des Bahn-Aufsichtsrates - im Kanzleramt auf Gedeih und Verderb durchgedrückt. Die KritikerInnen der Grünen scheinen das mitunter zu ignorieren. Das ist sehr bedauerlich, wenn hier quasi der Gärtner zum Bock gemacht wird.

Jedes Thema, das die Menschen interessiert und bewegt, spielt im Wahlkampf eine Rolle. Nur eines ist dabei auch klar: Wir werden uns nicht hinstellen und behaupten, das Projekt aufhalten zu können. Das wäre weder seriös noch glaubwürdig angesichts des bekannten Ausgangs der Volksabstimmung und der Entscheidung des Bahn-Aufsichtsrates. Auch wenn jetzt viele Enttäuschungen bei der grünen Landesregierung abgeladen werden, möchten wir doch auf eines hinweisen: Die Pro-Stuttgart 21 Parteien waren und sind: CDU, SPD und FDP, im Stuttgarter Gemeinderat ergänzt durch die Freien Wähler.

Es ist zugleich im Interesse des Landes und der Bürgerinnen und Bürger genau hinzusehen angesichts offensichtlicher Problemen und bekannter Risiken. Gerade die Erfahrungen mit Großprojekten wie dem Berliner Flughafen sollten uns lehren, weiterhin genau hinzuschauen - sei es bei den Kosten, beim Brandschutz oder dem Schutz vor Beeinträchtigungen der Umwelt. Dieser Pflicht werden wir konstruktiv-kritisch und gewissenhaft nachkommen.

Aktuell erfolgt eine unabhängige Prüfung der Kostenrisiken durch den Bundesrechnungshof. Es ist offen, wann der Bundesrechnungshof sein Prüfergebnis veröffentlichen wird. Wenn in diesem Zusammenhang nochmals eine deutliche Kostenüberschreitung ermittelt wird, dann werden wir fordern, dass der Aufsichtsrat sich erneut mit dem Projekt befasst. Ich gebe hierbei aber zu bedenken, dass neben der CDU/CSU und FDP bekanntermaßen auch die SPD hinter dem Projekt steht, ungeachtet der bislang schon bekannten Kostensteigerungen. Deswegen sollten sich alle Kritiker/innen gezielt auch an die Vertreter der Pro-S21-Parteien wenden, um uns aktiv zu unterstützen.

Zu Ihrer Frage nach einer schwarz-grünen Koalition: Wir haben immer wieder klar gemacht, dass wir eigenständig für unsere Ideen und Inhalte kämpfen. Wir kämpfen in diesem Bundestagswahlkampf für starke GRÜNE in einer Regierungskoalition mit der SPD, weil wir in diesem Regierungsbündnis die besten Chancen sehen, unsere politischen Inhalte umzusetzen.

Zum Thema Frauenquote: Selbstverpflichtungen der Wirtschaft blieben
bislang ohne den erwünschten Effekt, daher braucht es eine gesetzliche Regelung. Wir fordern ein Entgeltgleichheitsgesetz. Frauen erhalten im Schnitt noch immer 22 % weniger Lohn als Männer. Wir fordern eine 50%-Quote für Frauen in Aufsichtsräten - die Hälfte der Macht, ganz einfach. Der Anteil weiblicher Führungskräfte in Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft ist nach wie vor gering: er liegt in Aufsichtsräten bei etwas mehr als einem Zehntel. Die Mehrheit der Führungskräfte hat eine juristische oder wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung. Der Anteil der Hochschulabsolventinnen liegt hier aber seit Jahren über dem männlicher Absolventen - damit kann eine mangelnde Qualifikation von Frauen in diesem Bereich diese Unterrepräsentanz nicht rechtfertigen. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass nicht zuletzt traditionelle Denk- und Verhaltensmuster zur „gläsernen Decke“ beitragen und eine Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte verhindern. Dadurch fehlen dann weibliche Vorbilder und Rollenmodelle, die andere Frauen auf ihrem Weg motivieren können. Wir wollen aber echte Gleichberechtigung für alle - damit Frauen und Männer Macht und Verantwortung gerecht teilen und niemand diskriminiert wird.

Mit freundlichen Grüßen

Cem Özdemir

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