Frage an Cem Özdemir bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Cem Özdemir
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Frage von Irmgard E. •

Frage an Cem Özdemir von Irmgard E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Herr Özdemir,

danke, dass Sie mir auch nach 6 Monaten noch eine Antwort schreiben. U.a. schreiben Sie: "woher wollen Sie wissen, dass ich "bekennender Muslim" bin? Bin ich denn quasi automatisch ein "bekennender Muslim", wenn ich einen türkischen Namen trage und einer türkischen Familie entstamme?"

Sie selbst bezeichnen sich in mehreren Interviews u. Talk-Shows als "Muslim"; (Orte u. Quellen reiche ich gerne nach). Das ist im Allgemeinen ein Bekenntnis, oder etwa nicht?

Muslim zu sein ist kein Schicksal, sondern eine Entscheidung. Nach muslimischen Recht wird man als Muslim geboren, wenn der Vater Muslim ist. Doch das ist änderbar, wenn man den entsprechenden Mut hat. Ich, als gewesene Muslima weiß das sehr wohl.

Weiterhin antworten sie auf meine Frage: Wie kommen Sie damit klar, gleichzeitig die islamischen und die westlichen Menschenrechte als richtig anzuerkennen? (Die islamischen Menschenrechte unterstehen - wie Sie sicher wissen - der Sharia, welche wiederum konträr zu den westlichen Menschenrechten steht.) mit:

"Was die Menschenrechte angeht. Für mich gibt es keine islamischen oder westlichen Menschenrechte. Es gibt Menschenrechte. Und das Grundgesetz ist mir näher als der Koran."

Das ist m. E. eine Nichtbeantwortung meiner Frage! Defakto gibt es diese beiden Menschenrechte.

Sie sind doch Politiker in Deutschland. In dieser Eigenschaft sollten Sie sich klar und deutlich äußern können, welche offizielle Menschrechtsauffassung die für Sie richtige ist. Die westliche (Generalversammlung 1948) oder die islamische (Kairo 1990). Wie Sie sicher sehr wissen, gibt es da kein Zwischending und deshalb bitte ich Sie noch einmal um die
präzise Beantwortung meiner Frage.

Mit freundlichen Grüßen
I. Eder

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Sehr geehrte Frau Eder,

ich definiere mich nicht ausschließlich oder wesentlich über das Muslim-Sein, verleugne es aber nicht. Die religiöse Herkunft ist Teil meiner Identität wie andere Bestandteile auch, etwa meine politische Heimat. Ich bin in einer muslimischen Familie aufgewachsen und meine Eltern haben mir Werte vermittelt. Das hinterlässt kulturelle Spuren, weshalb ich auch gerne den Begriff "Kultur-Muslime" verwende. Ich denke, bei Taufschein-Christen ist das nicht anders.

Ich mache aber andere nicht gleich zu Muslimen, nur weil sie muslimischer Herkunft sind. Ich kenne genügend Menschen, die sich selbst nicht als Muslim bezeichnen, auch wenn sie muslimischer Herkunft sind. Darauf will ich hinaus, wenn ich Sie frage, woher Sie wissen wollen, dass ich "bekennder Muslim" sei. Als solchen begreife ich mich nämlich gar nicht und als solchen habe ich mich auch nie bezeichnet. Genau hier kommt der Begriff "Kultur-Muslim" ins Spiel.

Und was die Menschenrechte angeht, war meine erste Antwort absolut unmissverständlich, weshalb ich sie gerne zitiere:

"Was die Menschenrechte angeht: Für mich gibt es keine islamischen oder westlichen Menschenrechte. Es gibt Menschenrechte. Und das Grundgesetz ist mir näher als der Koran."

Es liegt wohl auf Hand, dass ich damit die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte meine.

Ich hoffe, dass Ihre Fragen damit nun beantwortet sind.

Mit freundlichen Grüßen

Cem Özdemir

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