Frage an Cemile Giousouf

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Cemile Giousouf
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Frage von Oliver L. •

Frage an Cemile Giousouf von Oliver L.

Guten Tag Fr. Giousouf

Mich interessiert ob Sie sich persönlich überhaupt einmal mit dem Themen der geplanten Freihandelsabkommen und deren Konsequenzen für die Gesellschaft auseinandergesetzt haben?

Wie kann es sein das private Schiedsgerichte dazu ermächtigt werden sollen, in Bezug auf deren eigenen wirtschaftliche Interessen rechtskräftige Urteile zu fällen, hinter verschlossenen Türen wohlgemerkt, die dann weitreichenden Einfluss auf die Gesellschaft haben? Ich möchte Sie jetzt nicht persönlich angreifen, aber können Sie solch eine Entscheidung mit ihrem Gewissen überhaupt noch vereinbaren?

Als Bsp. können Sie sich ja mit dem Fall Phillip Morris gegen Urugay beschäftigen und sich mal die Auswirkungen solch einer "Wirtschaftspolitik" anschauen.

Falls Sie es nicht wissen. Phillip Morris hat extra seinen Firmensitz in die Schweiz verlegt um solch eine Klage starten zu können. Noch ein Tip. Schauen Sie sich mal die Gewinne dieses riesigen Konzernes an, und stellen diese dann mal dem Bruttoinlandsproduktes des Staates Urugay gegenüber.

Mfg:Oliver Loewen

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Loewen,

vielen Dank für Ihre Frage. Ihre Befürchtungen zu TTIP teile ich nicht. Bisher eingegangene Verpflichtungen Deutschlands aus Abkommen, die gegenseitige Protektionen abbauen, wie beispielsweise der Europäische Binnenmarkt, waren keineswegs mit Einschränkungen der Demokratie verbunden, sondern haben uns im Gegenteil viele Chancen und Möglichkeiten eröffnet. Nach meiner festen Überzeugung ist dies auch bei TTIP der Fall. Dennoch nehme ich Ihre Sorgen sehr ernst. Ich erläutere Ihnen gerne den Sachstand und meinen Standpunkt:

Im Moment werden durch die Vertragspartner gegenseitige Verhandlungspositionen ausgetauscht. Die nächste Stufe ist die Einigung auf einen Vertragstext. Wenn ein Vertragstext ausgehandelt ist, muss er nicht nur durch die Vertragspartner unterzeichnet werden, sondern bedarf, da es bei TTIP um ein sog. Gemischtes Abkommen handeln wird, neben der Zustimmung des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rats auch einer Ratifizierung durch die 28 EU-Mitgliedstaaten – also in Deutschland durch den Bundestag und den Bundesrat.
Dieses aufwändige demokratisch-legitimierte Verfahren, um zu einem Freihandelsabkommen zu kommen, ist an sich schon so umfassend, dass die widerstrebenden Interessen bestmöglich artikuliert werden können. Darin sehe ich gerade eine Chance für die Demokratie und die Willensbildung.

Zu einzelnen Befürchtungen: Niedere Standards: Die Argumentation hier die hohen europäischen da die niedrigen amerikanischen Standards ist in vielerlei Hinsicht unzutreffend. So sind bei Lebensmitteln oder Kinderspielzeug vielfach die Standards in der USA höher als in Europa. Auch die Befürchtung, dass bei dem Abkommen quer durch alle Bereiche die Standards angeglichen werden sollen, ist nicht zutreffend. Das EU-Parlament hat klar gemacht, das es das (beispielsweise bei Kennzeichnungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln) nicht mittragen würde. Auch die kulturelle Vielfalt und regionale Marken und Produkte wird es weiter mit der Herkunft aus den sie namensgebenden Regionen geben. Das haben EU-Kommission und Parlament schon bekräftigt.

Also wird es durch TTIP weder zu niedrigeren Schutzstandards in der EU im Lebensmittelbereich, bei Arbeitnehmerrechten, im Gesundheits- und Verbraucherschutz, noch zur Beeinträchtigung der kulturellen Vielfalt, zur Aufgabe unserer Rechtssystems sowie der Hoheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten zur Gesetzgebung und Regulierung kommen. Vielmehr werden z. B. Standards und Normen nur dort angeglichen, wo ein mindestens gleich hohes Schutzniveau zum bisherigen Schutzniveau sichergestellt wird.

Zur Frage der Transparenz und des Verfahrens bei den Vertragsverhandlungen merke ich an, dass auch die vorherigen Handelsabkommen zwischen der EU und den USA bzw. Kanada immer von der Exekutive ausgehandelt worden sind - also in diesem Fall von der EU-Kommission in Abstimmung mit den Regierungen der Mitgliedsstaaten. Insofern läuft der Vorwurf vom „verhandelt im stillen Kämmerlein“ in die Leere, denn bilaterale oder multilaterale Abkommen werden immer von der Exekutive ausgehandelt. Es ist aber so, dass die EU-Kommission regelmäßig die Mitgliedstaaten und die nationalen Parlamente über den Stand der Verhandlungen informiert. In Deutschland führt die Bundesregierung durch das Bundeswirtschaftsministerium eine Beteiligung der Wirtschaftsverbände und von zivilgesellschaftlichen Gruppen durch. Die Bundesregierung informiert darüber hinaus den Bundestag sowie die Bundesländer über den Verhandlungsverlauf.

Zu den Schiedsgerichten und den Investitionsschutzklauseln, ist zu sagen, dass sich die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission in dieser Frage immer kritisch geäußert hat. Dazu hat außerdem eine öffentliche Konsultation stattgefunden. Die Verhandlungen zu diesem Punkt wurden zunächst ausgesetzt.

Die Position der Bundesregierung ist eindeutig: Sofern Investoren mit kommunalem Verwaltungshandeln oder Ratsentscheidungen nicht einverstanden sind, darf neben dem Verwaltungsgerichtsweg kein weiterer außergerichtlicher Klageweg eröffnet werden.

Grundsätzlich ist aber auch festzuhalten, dass besondere Schiedsverfahren für Investoren sinnvoll sein können. Wenn sich z.B. deutsche Mittelständler in den USA an ein Schiedsgericht wenden können, anstatt auf irgendein Gericht in einem amerikanischen Bundesstaat angewiesen zu sein. TTIP bedeutet auch die Chance, den bereits bestehenden Investitionsschutz zu verbessern.

Um sich ein vollständiges Bild von TTIP zu machen, empfehle ich möglichst breit und tief Informationen heranzuziehen. Bitte berücksichtigen Sie dabei auch Beiträge, die neben den Risiken und Problemen auch Chancen und Potentiale herausarbeiten, wie z.B. Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.), Auswirkungen von TTIP, Teil 1: Wirtschaftliche Effekte für die Transatlantischen Partner, Drittländer und der Einfluss auf die Welthandelsordnung, Teil 2: Konsequenzen für die Politik der Europäischen Union, die Transatlantische Integration, China und die Welthandelsordnung

Die deutsche Fassung der Studie finden Sie hier:

Teil 1: http://www.kas.de/wf/de/33.38104/
Teil 2: http://www.kas.de/wf/de/33.38105/

Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat darüber hinaus im Herbst eine Arbeitsgruppe gebildet, um die Verhandlungen zu TTIP konstruktiv vom Bundestag her zu begleiten und umfassend über das geplante Abkommen zu informieren.
Frühzeitig vor Ratifizierung von TTIP im Bundestag planen wir einen hochrangig besetzten Kongress der gesamten CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu TTIP im Reichstagsgebäude, um fachübergreifend öffentlich über die mit TTIP verbundenen Chancen und Herausforderungen zu informieren.
Im Verlaufe der Beratungen der Arbeitsgruppe ist geplant, in geeigneter Weise Ergebnisse, Forderungen und „rote Linien“ aus Sicht der Arbeitsgruppe TTIP zu erarbeiten, um diese in die TTIP-Beratungen einbringen zu können.

Viele Grüße

Ihre
Cemile Giousouf