Warum soll die Löschung des Budgets für Corona-Pandemie-Folgen erfolgen?

Das Foto zeigt die Bundestagsabgeordnete der Grünen Chantal Kopf.
Chantal Kopf
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jörg H. •

Warum soll die Löschung des Budgets für Corona-Pandemie-Folgen erfolgen?

Sehr geehrte Frau Kopf,

Werden Sie sich für folgende Forderungen einsetzen?

Wir befinden uns in einer stillen humanitären Katastrophe: Ca. 2 Mio. Post-/ Long-Covid-, ME/CFS- und Post-Vac-Erkrankte, ohne Therapie, Anlaufstellen und adäquate Versorgung.
Viele arbeitsunfähig, schwer betroffen, hausgebunden oder sogar bettlägerig.
Bisherige Maßnahmen der Ampel: Nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Dies ist eine DIREKTE FOLGE DER PANDEMIE. Daher fordern wir 500 Mio. Euro je Jahr für 5 Jahre für die Forschung und Versorgung (Aufbau von Kompetenzzentren im KOA-Vertrag) der genannten Krankheitsbilder VOR DER LÖSCHUNG des "Kredites zur BEKÄMPFUNG DER PANDEMIEFOLGEN".

Mit freundlichen Grüßen
Jörg H.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Bitte entschuldigen Sie die verzögerte Antwort, aber ich erhalte eine Vielzahl von Anfragen und versuche, alle zu beantworten nach Rücksprache mit meinen zuständigen Fachkollegen und -kolleginnen.

In Kürze zuerst: im Haushalt für die nächsten Jahre sind über 200 Millionen Euro für Forschungsförderung zum Krankheitsbild selbst sowie zu Medikamenten und Therapien vorgesehen.

Nicht zuletzt durch zahlreiche  Schreiben von Bürger*innen wie Ihnen, aber auch durch unseren kontinuierlichen Austausch mit Betroffenenorganisationen wissen wir um die großen Einschnitte im Leben sowie die schwierige Lage, in der Betroffenen und ihre Angehörigen durch ihre Einschränkungen im Alltag und z.T. den dauerhaften Pflegebedarf sind. Für uns Grüne ist es ein wichtiges Anliegen, die Versorgung von ME/CFS-Erkrankten sowie Betroffenen von allen Symptomatiken, die sich unter Long-Covid, Post-Covid und Post-Vac einordnen lassen, zu verbessern und die Forschung sowie die Therapieentwicklung zu diesen Krankheitsbildern zu voranzutreiben. Einen Beitrag unserer Fachpolitikerin Linda Heitmann dazu finden Sie unter https://linda-heitmann.de/?s=ME%2FCFS. 

Obwohl ME/CFS als neurologische Erkrankung bereits seit 1969 anerkannt ist, haben viele Vorgängerregierungen dieser Erkrankung und den Betroffenen kaum Aufmerksamkeit gewidmet, obgleich wir Grüne (beispielsweise durch eine Kleine Anfrage vom 7. August 2019,  https://dserver.bundestag.de/btd/19/122/1912204.pdf?fbclid=IwAR0wrCUhCpAX8Ilf6k9RfCtPt8CeP2IfkAF67HYDezcb7cMPkjmpzRq6fko) die vorherige Regierung bereits dazu aufgefordert haben, sich des Themas endlich anzunehmen.

Erst seit grüner Regierungsbeteiligung haben wir in dieser Legislatur endlich die mangelhafte Versorgungs- und Forschungslage auf die politische Agenda gesetzt. Nicht zuletzt haben ME/CFS und Long-Covid als zwei Krankheitsbilder erstmals auch explizit Eingang in unseren Koalitionsvertrag gefunden.

Auch wenn es keinen Gesetzestext oder Koalitionsantrag gibt, der den Namen "ME/CFS" oder "Long Covid" trägt, so haben wir als Ampel doch seit Beginn der Legislatur eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Forschung und Versorgung gezielt zu verbessern:

Während für 2022 und 2023 Haushaltsmittel in Höhe von 22,5 Millionen Euro bereitgestellt und bewirtschaftet wurden, konnten wir trotz angespannter Haushaltslage in den letzten Haushaltsverhandlungen weitere über 200 Millionen für Forschungsförderung zum Krankheitsbild selbst sowie zu Medikamenten und Therapien für die nächsten Jahre veranschlagen. So können nicht nur neue Forschungshaben finanziert werden, sondern auch die Finanzierung von bereits laufenden Forschungsprojekten ist gesichert, darunter die Projekte im Rahmen der der Nationalen Klinischen Studiengruppe (NKSG) wie z.B. die klinische Studie an der Charité Berlin, in der die Wirksamkeit von vier Gruppen von bereits bekannten Medikamenten für die Behandlung von Patient*innen mit Long-Covid und ME/CFS erforscht wird.

Weiterhin ist es für uns Grüne ein ganz zentrales Anliegen, gemeinsam mit den Ampel- Partner*innen die Versorgungssituation durch Spezialambulanzen zu verbessern. Zu diesem Zweck haben wir im Rahmen des Krankenhausentlastungsgesetzes vom 20. Dezember 2022 den Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt, bis Ende 2023 eine Richtlinie für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid und Krankheitsbildern mit starken Erschöpfungs-Zuständen wie etwa ME/CFS erarbeiten.

Gleichzeitig wird dadurch festgelegt, wie den Versicherten ein zeitnaher Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot gesichert werden muss. Die Richtlinie ist in der finalen Abstimmung und wird voraussichtlich in Kürze veröffentlicht.

Eine erste Anlaufstelle stellt die neu eingerichtete Webseite ( https://www.bmg-longcovid.de/service) des BMG dar, die aktuelle Informationen zu Long Covid und Post-Covid, aber auch ME/CFS, bündelt und neben einer Liste an aktuellen Beratungs- und Unterstützungsangeboten auch mehrsprachige Informationen sowie telefonische Beratung für Erkrankte und Ärzt*innen anbietet.

Außerdem freue ich mich besonders über den Runden Tisch, der im Herbst 2023 einrichtet wurde. In regelmäßigen Treffen diskutieren Vertreter*innen aus der Wissenschaft, Betroffenenorganisation, Ärzteschaft, den Krankenkassen sowie aus der Politik intensiv die zusammenhängenden Themen Long-Covid, Post-Covid, Post-Vac sowie ME/CFS diskutieren und loten Handlungsmöglichkeiten, um die Versorgung zu verbessern. Ein konkretes Ergebnis des Runden Tischs ist es, dass das BMG das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) damit beauftragt hat, eine Liste von Arzneimitteln zu erarbeiten, die im Off-Label-Use bei Long-COVID- Patient*innen verordnet werden können. Die Liste dient als Empfehlung an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der Ausnahmen definieren kann, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Medikamente im Off-Label-Use übernehmen.

Dieses alles sind sehr wichtige Maßnahmen, die ihre Wirkung teilweise erst mit der Zeit zeigen werden. Als Politik können wir weder Curricula für die Fortbildungen von Mediziner*innen selbst festlegen noch selbst Schwerpunktarztpraxen und -kliniken einrichten. Unsere Handlungsmöglichkeiten liegen insbesondere darin verschiedene Stellschrauben in Gesetzesvorhaben, in Haushaltsberatungen oder in unserer Öffentlichkeitsarbeit zu drehen, um in unserem vielschichtigen Gesundheitssystem Änderungen im Sinne der bestmöglichen Beratung und Behandlung Betroffener voranzubringen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Chantal Kopf

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