Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Ampel-Koalition derzeit, um den im Koalitionsvertrag niedergeschriebenen „föderalen europäischen Bundesstaat“ zu erreichen?

Das Foto zeigt die Bundestagsabgeordnete der Grünen Chantal Kopf.
Chantal Kopf
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von L. S. •

Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Ampel-Koalition derzeit, um den im Koalitionsvertrag niedergeschriebenen „föderalen europäischen Bundesstaat“ zu erreichen?

Sehr geehrte Frau Kopf,

die derzeitige Akkumulation von Krisen verschiebt selbstredend die Prioritäten der politischen Arbeit. Nichtsdestoweniger sehe ich in einem föderalen europäischen Bundesstaat eine Möglichkeit, gar eine Chance, diese Krisen besser bewältigen zu können, deshalb finde ich es schade, dass diesem Thema medial zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Europa könnte aktuell als Hoffnungsschimmer am dunklen Horizont aufleuchten, als gemeinschaftliche Lösung nationaler Probleme und somit dauerhaft mehr Akzeptanz erlangen. Diese eindeutig proeuropäische Haltung und den Mut, mehr Europa zu wagen, vermisse ich bisweilen in dieser prekären Lage.

Mit freundlichen Grüßen

Lukas S.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr S.

vielen Dank für Ihre sehr berechtigte Frage, die mir absolut aus dem Herzen spricht! Für uns Grüne ist völlig klar, dass immer mehr globale Herausforderungen wie der Klimawandel, die Unterstützung der Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen den russischen Aggressor, oder die Verteidigung unserer liberalen Werte und Interessen etwa gegenüber China nur mit einer starken Europäischen Union zu meistern sind. Dazu ist eine handlungsfähige Europäische Union notwendig, die von ihren Bürgerinnen und Bürgern aktiv und demokratisch mitgestaltet wird.

Mit dem Ziel einer demokratisch gefestigteren, handlungsfähigeren und strategisch souveräneren EU haben wir uns im Koalitionsvertrag für eine umfassende institutionelle Reform der EU ausgesprochen. Dafür setze ich mich als europapolitische Sprecherin meiner Fraktion ein, wie auch Außenministerin Annalena Baerbock und Europastaatsministerin Anna Lührmann. Auch wenn es ein langer Weg wird: Deutschland muss hier gemeinsam mit Frankreich vorangehen.

Mit der Konferenz zur Zukunft Europas hat die EU im Mai 2021 ein gewaltiges Bürgerbeteiligungsprojekt gestartet, um gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern weitere Schritte der Europäischen Integration zu vereinbaren, die angesichts der Ereignisse und erkannten Defizite lange überfällig sind. Das Ergebnis der Zukunftskonferenz kann sich sehen lassen. Sehr viele der vorgeschlagenen Maßnahmen reagieren auf die wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit: Energieunabhängigkeit herstellen, mehr Investitionen in Klimaschutz, Abschaffung nationaler Vetos, einheitliches europäisches Wahlrecht, Initiativrecht für das Europäische Parlament, qualifizierte Mehrheitsentscheidungen.

Wie geht es nun weiter? Im Koalitionsvertrag haben wir einen ambitionierten Weg vereinbart: „Erforderliche Vertragsänderungen unterstützen wir. Die Konferenz sollte in einen verfassungsgebenden Konvent münden und zur Weiterentwicklung zu einem föderalen europäischen Bundesstaat führen.“

Unser perspektivisches Ziel ist also tatsächlich eine Weiterentwicklung der Europäischen Union hin zu einer Föderalen Europäischen Republik mit einer europäischen Verfassung. Dabei geht es um eine neue, sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen den Ebenen. Wo die Übertragung von nationalstaatlichen Entscheidungsbefugnissen auf die europäische Ebene notwendig und sinnvoll ist, muss klar sein: Dort wo nationale Parlamente Kompetenzen abgeben, muss das Europäische Parlament an Kompetenzen gewinnen, braucht es ein europäisches Wahlrecht mit transnationalen Listen und einem Spitzenkandidat*innen-Prinzip. Das ist uns Grünen im Bundestag ein besonderes Anliegen, weshalb wir uns auch ausdrücklich für den vom EU-Parlament am 3. Mai 2022 beschlossenen neuen EU-Direktwahlakt einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Chantal Kopf

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