Frage an Christiane Blömeke bezüglich Innere Sicherheit

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Christiane Blömeke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Melanie D. •

Frage an Christiane Blömeke von Melanie D. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Blömeke,

den Medien kann man immer häufiger entnehmen, dass die Jugendkriminalität immer stärker ansteigt und brutaler wird. Angesichts Ihrer "Zuständigkeit" zum Thema Kinder und Jugendliche würde ich gerne wissen, welche Maßnahmen Sie für sinnvoll halten um dem entgegen zu wirken?

Mit freundlichen Grüßen

M.Drewing

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Drewing,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die in der Tat- nicht zuletzt wegen der permanenten Berichterstattung in den Medien- viele Bürgerinnen und Bürger bewegt. Vermutlich ist es auch dem breiten Raum, den das Thema in den Medien einnimmt, zu verdanken, dass viele Menschen meinen Jugendkriminalität wäre angestiegen. Lassen Sie mich vorweg dieses korrigieren. Jugendkriminalität ist in ganz Deutschland - und auch in Hamburg- rückläufig. Zugenommen haben die schweren Gewalttaten, die von Jugendlichen ausgeübt werden. Ich schreibe dieses noch einmal zur Klarstellung, weil es mir wichtig ist dem Thema Jugendgewalt sachlich zu begegnen und weder die übertriebene Hysterie zu bedienen, die sich z.Zt. breit macht, noch das Thema zu verharmlosen. Jeder Fall von Jugendgewalt ist einer zu viel und macht die Defizite unserer Gesellschaft deutlich.

Damit bin ich auch gleich schon bei den Ursachen von Jugendgewalt. Es gibt inzwischen etliche Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen Risikofaktoren - wie Gewalterfahrung in der Familie, Armut, mangelnde Bildungschancen, Arbeitslosigkeit oder mangelnder Integration - zur Jugendgewalt nachweisen. Aus diesem Wissen heraus habe ich, gemeinsam mit meiner Fraktion, ein Konzept gegen Jugendgewalt entwickelt, dass an den Problemen der Jugendlichen ansetzt, die sie haben und nicht an denen, die sie machen. Jugendgewalt ist ein gesellschaftliches Problem und wer Jugendgewalt vermindern will, muss an den tieferen Ursachen für Gewalt ansetzen und die Lebenslagen der Jugendlichen verbessern.

Als erstes wäre es also wichtig Maßnahmen gegen die zunehmende Kinderarmut und die Jugendarbeitslosigkeit zu ergreifen und durch ein neues Bildungssystem für bessere Bildungschancen zu sorgen, sowie die Integration von Migranten zu verbessern.

Parallel dazu müssen präventive Maßnahmen in den Vordergrund gerückt werden, die bereits in den Familien beginnen. Hier möchte ich beispielsweise den Einsatz von Familienhebammen erwähnen, die bereits während der Schwangerschaft tätig werden und die Familien bis zu zwei Jahren betreuen können. Familienhebammen arbeiten dabei nicht nur medizinisch, sondern haben eine sozialpädagogische Zusatzausbildung und können so frühzeitig Probleme in den Familien auffangen. In der Folge ist es wichtig der Gewaltprävention in der KITA ein größeres Augenmerk zu geben. Erwähnen möchte ich hier u.a. die bessere Qualifizierung von ErzieherInnen auf diesem Gebiet, mehr Bewegungs - und Körpererfahrungsangebote und vor allem den früheren Zugang für Kinder in die KITA insbesondere aus belasteten Familien. Leider ist es z:zt. unter dem CDU Senat so, dass gerade diese Kinder erst ab drei Jahren ein Anrecht auf einen 5 Stunden Platz in der KITA haben .Für die Sprachbildung und eine gelungene Integration gerade bei Kindern von Migranten ist das viel zu spät!

Eine besondere Forderung der Grünen ist der Ausbau von spezifischer Jungenarbeit. Wir müssen uns klar machen, dass Jugendgewalt in der Regel Gewalt von Jungen ist. Oft gehen die Bildungseinrichtungen nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Jungen ein, die über keine positiven Vorstellungen von Männlichkeit verfügen. Benötigt werden Maßnahmen, die die unterschiedlichen Vorstellungen von Männlichkeit, Themen, wie Stärke und Schwäche oder Rollenklischees in der täglichen Arbeit aufgreifen. Das gilt natürlich nicht nur für die KITA, sondern insbesondere auch für die Schule.

Weitere Maßnahmen der GAL zur Bekämpfung von Jugendgewalt beziehen das gesamte Lebensumfeld der Jugendlichen ein. Dazu gehört vor allem eine Verstärkung von mobiler Jugendarbeit (Straßensozialarbeit), die dort tätig werden, wo die Jugendlichen sich aufhalten. Gerade dieser Punkt ist uns sehr wichtig, da im Moment die Auseinandersetzung mit problematischen Orten und Jugendlichen fast ausschließlich durch die Polizei erfolgt. so gibt es auf dem ganzen "Kiez" (Reeperbahn) keinen Straßensozialarbeiter, der die Arbeit der Polizei aus sozialpädagogischer Sicht ergänzen könnte. Das ist der falsche Weg!

Sehr verehrte Frau Drewing, Sie merken schon an den längeren Ausführungen, wie wichtig uns die Prävention in der Bekämpfung der Jugendgewalt ist. Sie sollte - zusammen mit besseren Bildungschancen und der Bekämpfung von Kinderarmut und Jugendarbeitslosigkeit- an erster Stelle stehen. Wenn Jugendliche dennoch zu Intensivtätern geworden sind, dann ist uns ganz wichtig, dass die Verfahrensdauer bis es zu einer Verurteilung kommt drastisch reduziert wird.. Für Fehlverhalten muss gelten, dass die Strafe auf dem Fuße folgt. Wartezeiten über Monate sind kontraproduktiv.
Vom justizpolitischen Ansatz zur Bekämpfung der Jugendgewalt lehnen wir längere Haftstrafen als Abschreckung, sowie den Warnschussarrest ab. Nachweislich werden 20 % mehr Jugendliche wieder rückfällig ( insgesamt 70 %!!!) wenn sie im geschlossenen Vollzug waren. Diese Zahlen belegen, dass mehr Härte nicht zwansläufig zu mehr Erfolg führt. Die sogenannten Erziehungscamps, die derzeit auch in der Diskussion sind, können wir uns für Hamburg - eingebettet in ein Gesamtkonzept und ausgestattet mit qualifiziertem Fachpersonal nach dem Vorbild des Gut Kragenhofes in Hessen- gut vorstellen. Sie wären eine sinnvolle Ergänzung des jetzigen Angebotes in Hamburg und eine weitere Möglichkeit jungen Intensivtätern durch einen strukturierten Tag und ein konsequentes Regelwerk zu begegnen.

Verehrte Frau Drewing, sicherlich ist meine Antwort schon viel zu lang geworden und dennoch gäbe es zu diesem Thema noch viel zu sagen. Sie können gerne noch einmal nachfragen, wenn Ihnen an der einen oder anderen Stelle etwas fehlt. Ansonsten haben Sie auch die Möglichkeit auf unserer Fraktionshomepage http://www.gal-fraktion.de unter meiner Abgeordnetenseite unter dem Schlagwort "zum Thema" noch einmal eine Zusammenfassung zum Thema Jugendgewalt nachzulesen.

Freundliche Grüße von
Christiane Blömeke