Frage an Christoph Matschie bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Frage an Christoph Matschie von Holger S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Gelesen habe ich, daß Sie sich für eine weitere Verbreitung des Mindestlohnes einsetzen wollen. Sehr richtig, finde ich. In diesem Zusammenhang bin ich aber auf ein Urteil des EuGH gestoßen, aus dem hervorgeht, daß das EU Recht dem nationalen Recht vorgeht. Nach dem Urteil des EuGH können ausländische Unternehmen, die Staatsaufträge in Deutschland annehmen, nicht dazu verpflichtet werden, Tariflöhne zahlen (Az.: C-346/06). "Die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, die sich aus der Verpflichtung zur Zahlung des tarifvertraglich vorgesehenen Entgelts an die Arbeitnehmer ergibt, ist im vorliegenden Fall insbesondere nicht durch den Zweck des Schutzes der Arbeitnehmer gerechtfertigt." Ebenso das Streikrecht (Urteil des EuGH zum Streikrecht im Fall „Viking“ und im Fall „Laval/Vaxholm “). Für micht stellt sich nun die Frage, wie Sie auf Landesebene Politik gestalten wollen, die im Zusammenhang mit dem Lissabon Vertrag möglicherweise nur bis zum nächsten Urteil der EuGH gültig ist bzw. Arbeitnehmerrechte sichern.

Vielen Dank
H. Senftleben

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SPD

Sehr geehrter Herr Senftleben,

ganz ehrlich, diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat mich alles andere als glücklich gemacht. Denn damit wurde das Verbindende in Europa auf den Markt reduziert. Wir brauchen aber ein Europa, dass auch den sozialen Zusammenhalt fördert.

Allerdings haben die europäischen Richter letztlich nur in der "Frage der Technik" interveniert. Sie haben sich nicht prinzipiell gegen die Koppelung von öffentlichen Aufträgen an Tarifverträge ausgesprochen. Sie fordern aber ein Gesetzt, das mit den Regeln der EU nicht kollidiert. Dafür gibt es verschiedene Ansätze, die eine gerechte Entlohnung ermöglichen sollen. Etwa einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag oder den Mindestlohn, nach EU-Entsenderichtlinie. Auch ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn würde ein passendes Modell sein.

Bezogen auf Thüringen ergeben sich daraus für mich folgende Ansätze:

- Als Ministerpräsident werde ich mit einem breiten Bündnis aus Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern darauf drängen, dass in Thüringen der Schutz von Tarifverträgen steigt. Inzwischen wirbt auch der Verband der Wirtschaft Thüringens schon jetzt für eine stärkere Tarifbindung, denn diese „sorgt für wettbewerbsfähige Arbeitsentgelte, gibt den Beschäftigten eine Perspektive und wirkt der Abwanderung entgegen.“

- Ich sorge dafür, dass die Thüringer Stimme im Bundesrat eine Stimme für einen gesetzlichen Mindestlohn wird. Erfahrungen in anderen europäischen Ländern – wie Großbritannien – haben gezeigt, dass die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns keine Jobs gefährdet. Im Gegenteil: Es gibt positive Effekte durch eine stärkere Binnenkonjunktur.

- In Thüringen soll als erster Schritt zumindest für öffentlich vergebene Aufträge ein eigener Mindestlohn als untere Schutzgrenze gelten. Deshalb wird die SPD im neuen Landtag sofort ein Thüringer Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge einbringen. Das Gesetz wird folgende Kernforderungen umsetzen: Der Thüringer Mindestlohn soll – nach erfolgreichem britischem Vorbild – alle zwei Jahre einstimmig durch eine unabhängige Kommission (Vertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft) vorgeschlagen und durch die Landesregierung festgesetzt werden. Orientierungsmarke sind 7,50 Euro pro Stunde. Der Thüringer Mindestlohn soll bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten. Öffentliche Aufträge sollen nur solche Unternehmen erhalten, die gültige Tarifverträge einhalten oder mindestens den Mindestlohn zahlen.

Mit freundlichen Grüßen
Christoph Matschie