Würden Sie sich dafür einsetzen, im Rahmen der laufenden Pflegereform die Aufnahme von pflegenden Angehörigen in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu ermöglichen?

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Claudia Moll
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Frage von Thomas F. •

Würden Sie sich dafür einsetzen, im Rahmen der laufenden Pflegereform die Aufnahme von pflegenden Angehörigen in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu ermöglichen?

Sehr geehrte Frau Moll,

ich pflege meine Mutter in Vollzeit. Meine größte Ausgabe ist der mtl. Beitrag zur PKV.

Die meisten pfleg. Angehörigen haben Zugang zur GKV - als Rentner, Ehegatte oder tlw. berufstätig. Der Rest muss in die PKV.

Das ist eine große Belastung und führt auch zu Mehrkosten für die Gemeinschaft, weil die Eltern dann i.d.R. ins Pflegeheim müssen.

Es gab schon diverse Verbesserungen für pflegende Angehörigen, z.B. die Aufnahme in RV und ALV. Leider fehlt die GKV. Es ist eine Lücke.

M.E. werden die Kosten für die Aufnahme der pflegenden Angehörigen in die GKV überschätzt. Denkbar wäre auch eine Lösung mit Zusatzbeiträgen des pfleg. Angehörigen. Die PKV ist keine Lösung, da kaum noch bezahlbar.

Sind Ihnen Fallzahlen zum Kreis der Betroffenen und Kostenschätzungen bekannt? Würden Sie meinen Vorschlag unterstützen?

Ich weiß, dass der Wegfall der PKV das Problem auch lösen würde, aber darauf können wir nicht warten.

MfG

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Sehr geehrter Herr F.,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Wechsel aus der Privaten Krankenversicherung (PKV) in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für pflegende Angehörige. Ich verstehe Ihren Wunsch gut, teile Ihren Vorschlag so allerdings nicht. Gerade im Alter wollen viele Versicherte nachvollziehbar aus der PKV wieder in die GKV wechseln. Das ist ein grundsätzliches Problem der PKV im Alter und systembedingt innerhalb der Krankenversicherung. Die Beiträge steigen hier immer weiter an und berechnen sich gerade nicht nach dem tatsächlichen Einkommen. Zu Rückkehrmöglichkeiten und auch zur Beitragshöhe in der PKV empfehle ich daher immer eine sozialrechtliche Beratung im Einzelfall.

Die PKV basiert ja auf dem Individualprinzip. Der Zugang und die persönliche Entscheidung für die PKV und zum Leistungskatalog sind deswegen auch gesetzlich an besondere Voraussetzungen geknüpft (Wegfall der Versicherungspflicht, z.B. über den beruflichen Status oder die Jahresarbeitsentgeltgrenze). Ganz entscheidend ist auch die gesetzliche Regelung, dass in der PKV die eingezahlten Altersrückstellungen nicht übertragen werden können, weder innerhalb der PKV noch in die GKV. Hier sind die Versicherungsunternehmen und ihre Versicherten in ihren Eigentumsrechten auch grundrechtlich geschützt.

Die GKV beruht dagegen auf dem Solidarprinzip. Vereinfacht: Die Beiträge besonders der Jüngeren finanzieren in der GKV die höheren Krankheitskosten der Älteren. Für eine Rückkehr in die GKV gerade in späteren Jahren muss es deswegen ganz klare Regeln geben, sonst wäre die GKV mit ihrem Solidarprinzip benachteiligt. Das will der Gesetzgeber ausdrücklich verhindern, nämlich dass man in jüngeren Jahren in der PKV und dann in älteren Jahren in der GKV krankenversichert ist; unabhängig davon, ob man abhängig oder selbständig arbeitet oder auch Angehörige pflegt. Deswegen gibt es hier eine gesetzliche Altersgrenze und ab 55 Jahren ist ein Wechsel grundsätzlich nicht mehr zulässig. Davor ist ein Wechsel unter bestimmten Bedingungen noch möglich. Diese Regelung sollte im bestehenden System zum Schutz der Solidargemeinschaft in der GKV auch nicht weiter aufgeweicht werden.

Die Versicherten der sozialen Pflegeversicherung tragen bereits die Beiträge für Pflegezeiten z.B. in der Rentenversicherung. Die Finanzierung der Rentenpunkte in Pflegezeiten ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehr richtig, ist aber für die Pflegversicherung eigentlich eine versicherungsfremde Leistung und belastet diese. Diese Mittel fehlen bereits heute bei der Pflege. Die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf steigt rapide an und auch die Pflegekosten allgemein.

Trotz Beitragssteigerungen ist die Pflegeversicherung im Defizit; zum Jahresende 2022 in Höhe von 2,2 Milliarden Euro. Das Gesundheitsministerium erarbeitet deswegen aktuell ein Konzept zur nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung. Eine zusätzliche Belastung der gesetzlich Pflegeversicherten auch für Kosten der Krankenversicherung halte ich für den grundsätzlich falschen Weg, unabhängig von der Höhe. Ein konkretes Rechenmodell für die Rückkehr in die GKV und für die zusätzliche Finanzierung für pflegende Angehörige (Fallzahlen und Kostenschätzungen) gibt es meines Wissens nicht. Das wäre auch sehr schwierig zu erarbeiten, da es für die pflegenden Angehörigen bereits keine klare Definition gibt. Wir schätzen aktuell die Zahl der pflegenden Angehörigen auf 4,8 Millionen, davon sind etwa 2,5 Millionen Menschen noch erwerbstätig. Auch der Altersstruktur bei den pflegenden Angehörigen mit privater Krankenversicherung käme eine entscheidende Rolle zu. Und um wie viele betragsfreie Familienversicherungen würde es zusätzlich gehen?

Das sind alles Punkte, die m.E. die eigentlichen Probleme in der privaten Krankenversicherung im Alter nicht lösen. Ich halte es eher für sinnvoll, unsere Sozialversicherungssysteme wieder klarer voneinander abzugrenzen. Einen Sondertatbestand für pflegende Angehörige zum Wechsel von der PKV in die GKV kann ich aus diesen grundsätzlichen Erwägungen nicht befürworten. Aber mir ist wichtig, Ihnen meine Argumente zu erläutern. Denn unabhängig von der Pflegeversicherung sehe ich im System GKV und PKV einen dringenden Reformbedarf in Richtung einer Bürgerversicherung für alle; allerdings nicht über eine zusätzliche Belastung der Pflegeversicherung.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und möchte mich an dieser Stelle bei Ihnen ausdrücklich auch für Ihr Engagement in der häuslichen Pflege bedanken.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Moll

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