Frage an Claudia Tausend bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Claudia Tausend
SPD
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Frage von Jan F. •

Frage an Claudia Tausend von Jan F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Tausend,

Was tun Sie und Ihre Partei um den Ausverkauf unserer schönen Stadt an ausländische Investoren (Gentrifizierung) zu verhindern bzw. einzudämmen? Wieso verkauft auch München sein Tafelsilber? Wieso werden Entmietungen, die Zerstörung des Kleingewerbes und der Abriss der letzten Hinterhöfe nicht verhindert? Wie lange werden Sie es zulassen, dass auf dem Altar der gnadenlosen Geschäftemacherei und Spekulation das Wohl des Bürgertums geopfert wird?

Mit Dank und herzlichen Grüßen
Jan Ateet F.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Frankl,

Wohnen ist in meinen Augen ein Grundrecht und ich es ist nicht hinnehmbar, dass steigende Mieten und Bodenpreise ein Leben in München für viele zunehmend unbezahlbar machen. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Münchner Rathausmit Oberbürgermeister Dieter Reiter an der Spitze nutzen alle Möglichkeiten einer Kommune, die Mieterinnen und Mieter der Stadt vor Verdrängung zu schützen, für den Erhalt bezahlbaren Wohnraums zu sorgen und die soziale Mischung zu erhalten. Die SPD im Münchner Rathaus hat immer konsequent die Instrumente genutzt, die Bund und Land einer Kommune einräumen.

München nutzt bereits die bestehenden Möglichkeiten und weist seit über 30 Jahren sogenannte Erhaltungssatzungsgebiete aus, wo immer es derzeit möglich ist. Derzeit gibt es 23 solche Gebiete, in denen 281.000 Einwohnerinnen und Einwohner in 160.000 Wohnungen leben. Das städtebauliche Instrument der Erhaltungssatzung (sogenannte „Milieuschutzsatzung“) zielt darauf ab, die der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem Gebiet zu erhalten. Aktuell dient die Erhaltungssatzung dem Milieuschutz und ist kein Instrument des individuellen Mieterschutzes. In Erhaltungssatzungsgebieten müssen Abbruch, bauliche Änderungen, Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und Nutzungsänderungen von Gebäuden speziell genehmigt werden. So kann die Stadt in diesen Gebieten zum Beispiel Luxusmodernisierungen, die die vorhandene Wohnbevölkerung verdrängen, in der Regel verhindern. Außerdem hat die Stadt in Erhaltungssatzungsgebieten ein Vorkaufsrecht, außer die Käuferin oder der Käufer verpflichtet sich zur Einhaltung bestimmter Vorgaben. Dieses Vorkaufsrecht wird bereits konsequent genutzt, um dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu sichern oder Mietergenossenschaften bei ihrer Gründung zu unterstützen. Dafür nimmt die Stadt einiges an Geld in die Hand.

Als Münchner SPD fordern wir hier die gesetzlichen Möglichkeiten auszuweiten, so dass ein besserer Schutz der gesamten Stadt möglich wird. Wir wollen die Ausweisung von Erhaltungssatzungen erleichtern und außerdem sie vom Milieuschutz zum Mieterschutz und ihre Anwendung auf kleinteilige Mischung aus Gewerbe, Handwerk, Einzelhandel und Gastronomie ausweiten. Wir würden außerdem gerne die Möglichkeit der Erhaltungssatzungen auf die Gesamtstadt für sogenannte „Kommunen mit erhöhtem Wohnungsbedarf“, was allerdings aufgrund der damit verbundenen Einschränkungen des Eigentumsrechts nach Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz schwierig werden dürfte – zumal mit dem derzeitigen Koalitionspartner im Bund.

Zum Schutz der Mieterinnen und Mieter konnte die SPD im Bund einige Verbesserungen erreichen: Wir haben eine Mietpreisbremse eingeführt und sie weiterentwickelt: Zu viel gezahlte Miete kann rückwirkend ab Beginn des Mietverhältnisses bis zu 30 Monate zurückgefordert werden. Wir haben den Betrachtungszeitraum für die ortsübliche Vergleichsmiete, also für den Mietspiegel auf sechs Jahre verlängert. Bereits zum 01.01.2019 ist das Mieterschutzgesetz in Kraft getreten, das wir gegen den Widerstand der Union durchgesetzt haben. Es schützt vor extremen Mieterhöhungen nach Modernisierungs- oder Sanierungsmaßnahmen. Vermieterinnen und Vermieter dürfen nur maximal acht Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Die Monatsmiete darf um nicht mehr als 3 Euro pro Quadratmeter innerhalb von sechs Jahren steigen. Zusätzlich haben wir das gezielte Herausmodernisieren von Mieterinnen und Mieter mit einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro belegt. Um es deutlich zu sagen: Ohne die SPD gäbe es in dieser Bundesregierung keine Verbesserungen im Mietrecht, die Mieterinnen und Mieter vor steigenden Mietpreisen und Verdrängung zu schützen.

Allerdings haben wir auch weitergehende Forderungen: Wir kämpfen weiterhin für eine Absenkung der Kappungsgrenzen und die Reform des Mietspiegels, der auch die Bestandsmieten einbeziehen soll. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat in München mit der Erhebung eines eigenen kommunalen Bestandsmietenspiegels gezeigt, welche dämpfende Wirkung dies hätte. Manche Vermieterinnen und Vermieter nutzen derzeit das Sonderkündigungsrecht wegen Eigenbedarfs als ein Mittel ihre Mieterinnen und Mieter zu verdrängen. Dieser Missbrauch der Eigenbedarfskündigungen wollen wir einschränken und stärker ahnden. Wir fordern außerdem einen tauglichen Straftatbestand gegen Mietwucher. Wir haben diesen Vorschlag mehrfach in Verhandlungen mit der Union eingebracht und wollen diese überfällige Reform so schnell wie möglich gesetzgeberisch umsetzen.

Auch vom Freistaat fordern wir mehr Engagement. Er muss seinerseits die gesetzlichen Grundlagen legen, Mieterinnen und Mieter besser zu schützen. Derzeit verhandelt der bayerische Verfassungsgerichtshof über unser Volksbegehren eines sechsjährigen Mietenstopps. Die Stadt München geht selbst bereits mit gutem Beispiel voran und setzt eine „Münchner Mietpreisbremse“ und einen „Münchner Mietenstopp“ bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften um.

Die Zweckentfremdung von Wohnraum für touristische und gewerbliche Nutzungen bekämpft die Stadt mit allen juristischen Mitteln. Wir haben dazu in München seit einigen Jahren eine erfolgreiche Sonderermittlungsgruppe und eine Online-Meldeplattform für Hinweise eingeführt. Als Münchner SPD fordern wir vom Freistaat, die Befugnisse der Stadt hier noch auszuweiten – insbesondere die Möglichkeit der Wiederbelegung leerstehenden oder zweckentfremdeten Wohnraums durch die Stadt sowie eine Registrierungspflicht für die Anbieter von Ferienwohnungen in Wohnraum einzuführen.

Kommunalpolitik spürt die Auswirkungen politischer Entscheidungen und Versäumnisse auf allen höheren Ebenen und muss mit den Folgen einen Umgang finden. Als Münchner SPD haben wir immer versucht, für die hier lebenden Menschen das Beste zu tun, sehr oft auch über unsere gesetzliche Zuständigkeit hinaus. Und es sei an dieser Stelle nochmal klargestellt: Auch in kritischen Zeiten hat München den kommunalen Mietwohnungsbestand nicht verkauft, sondern ausgeweitet. Eigene Grundstücke vergibt die Stadt im Rahmen des Erbbaurechts gegen Verpflichtung auf bezahlbare Mietobergrenzen und zwar vorrangig an genossenschaftliche, gemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaften. Andererseits hat auch eine reiche Stadt wie München finanzielle, rechtliche und faktische Grenzen dessen, was sie leisten kann. Die Stadt kann das Wohnungsproblem nicht allein lösen, auch Bund und Freistaat müssen die dringend benötigten Reformen im Planungs-, Bau- und Mietrecht anpacken. Im Bund konnten wir bereits einiges erreichen, werden aber auch weiter Druck auf den Koalitionspartner ausüben.

Mit freundlichen Grüßen
Claudia Tausend

 

 

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