Wie stehen Sie zum Brenner-Nordzulauf?

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Daniela Ludwig
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Frage von Andreas S. •

Wie stehen Sie zum Brenner-Nordzulauf?

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Sehr geehrter Herr S.,

das Thema Brenner-Nordzulauf hat unsere Region wie kaum ein anderes in den vergangenen Jahren bewegt – und wird es auch weiterhin tun. Vielen Bürgerinnen und Bürgern stellen sich in diesem Zusammenhang zahlreiche berechtigte Fragen. Diese müssen umfassend beantwortet werden. Mit der Entscheidung für die „Variante Violett“ ist für mich der Dialog nicht beendet - ganz im Gegenteil. Er muss weitergehen, um die noch offenen Fragen zu klären.

In den 1990er Jahren hat die Europäische Union Leitlinien für den Aufbau eines grenzüberschreitenden Verkehrsnetzes festgelegt. Ziel war u.a. die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene und die Anbindung von Randregionen an die EU. Dieses europäische Netz umfasst 58.000 km Straße, 70.000 km Schienenverbindungen und 12.000 km Binnenwasserstraßen. Der Brenner-Nordzulauf ist Teil des europäischen Skandinavien-Mittelmeer Korridors. Dieser erstreckt sich über den gesamten Kontinent von der nördlichen EU-Außengrenze in Finnland bis in den Mittelmeerraum (Sizilien).

Die Alpen bilden ein natürliches Hindernis für die Verkehrsverbindungen von Nord nach Süd. Alpenquerungen, die in der Lage sind, größere Mengen Güterverkehr und Personenverkehr zu bewältigen, beschränken sich auf drei Hauptrouten: 1. Mont-Cenis/ Fréjus/ Mont-Blanc (Frankreich), 2. San Bernardino/ Simplon/ Gotthard (Schweiz) und 3. Brenner (Österreich). Für eine Alternative zur Brenner-Route auf andere Alpen-Überquerungen fehlen die natürlichen Voraussetzungen.

Der alpenüberquerende Güterverkehr hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten (mit konjunkturellen Schwankungen) zugenommen. Waren es im Jahr 2000 noch 98,5 Millionen Tonnen, waren es im Jahr vor der Wirtschaftskrise (2008) 114,6 Millionen Tonnen und im Jahr 2019 bereits 116,3 Millionen Tonnen. Fast 2,8 Millionen LKW-Transitfahrten rollten 2019 über die Brennerautobahn. Mit der Eröffnung des Brennerbasis -Tunnels, ist von einem starken Anstieg im Schienengüterverkehr auszugehen. Das wirkt sich auch auf die Zukaufstrecken aus. Das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur überprüft regelmäßig, auf welchen Verkehrswegen Engpässe zu erwarten sind. Mit dem Bau von zwei neuen Gleisen des Nordzulaufs sollen langfristig die notwendigen Kapazitäten für das Verkehrsaufkommen gesichert werden.

In Österreich ist das viergleisige System des Brennernordzulaufs teilweise schon fertig. Auf dem Abschnitt Kundl - Baumkirchen im Tiroler Unterinntal verkehrt der Personenverkehr mit 220 km/h auf denselben Gleisen wie Güterzüge mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h. Auf der Bestandsstrecke wurden dadurch zusätzliche Kapazitäten für Regionalzüge frei. Die dreigleisige Einfahrt in den Hauptbahnhof Innsbruck wurde am 5. September 2019 in Betrieb genommen. Der Brennerbasistunnel ist damit mit der Bestandsstrecke der Brennerbahn verknüpft. Die Bohrungen für den Brenner-Basistunnel laufen.

Grundlage der Trassenführung war eine genaue Analyse der Siedlungsgebiete, Naturräume und bestehenden Infrastrukturen. Daraus ergab sich, wo der Bau der neuen Trasse rein tatsächlich nicht möglich ist. Übrig blieben die Regionen, die sich grundsätzlich für den Trassenverlauf eigneten. Anschließend wurde untersucht, wie anspruchsvoll die Umsetzung der Trasse in den jeweiligen Regionen wäre. Daraus ergaben sich 5 Varianten, über die anschließend öffentlich diskutiert wurde. Diese Varianten wurden dann intensiver betrachtet und Bauwerkspläne erstellt. Anschließend fand die notwendige Prüfung im Rahmen des Raumordnungsverfahrens statt. Als Ergebnis ging dann die „Variante Violett“ als Vorschlagstrasse aus dem Auswahlverfahren hervor.

Ende 2015 begann der Planungsdialog. 320 Dialogtermine haben seitdem stattgefunden. 110 Bürgervorschläge wurden in die Trassenentwicklung eingebunden. Die „Variante Violett" beinhaltet 60 Prozent Tunnellösung. Der Tunnel Laiming und der Tunnel Steinkirchen sind jeweils rund 13 Kilometer lang – Deutschlands längster Eisenbahntunnel. Der Tunnel im Gemeindegebiet Stephanskirchen ist 5,5 Kilometer lang. Insgesamt 31,5 Streckenkilometer, die in der Landschaft nicht sichtbar sind. Die verbleibenden Trassenkilometer laufen nach derzeitiger Planung oberirdisch.

Auf der Bestandsstrecke wird bereits unabhängig von Neubaustrecke investiert. Der Bund hat noch unter Bundesverkehrsminister Dobrindt ein umfangreiches Lärmschutzprogramm beschlossen. Dadurch wird mit Investitionen von 13,2 Millionen Euro und einem eigenen Pilotprojekt der Lärmschutz an der Bahnstrecke zwischen München und Kiefersfelden erheblich verbessert. Mit zusätzlichen Lärmschutzwänden in allen Orten an dieser Strecke, dem dauerhaften Schleifen der Gleise und dem Einbau von Schienenstegdämpfern erreichen wir eine deutliche Verbesserung beim Lärmschutz. Darüber hinaus fahren seit dem Jahr 2020 keine lauten Güterzüge mehr auf deutschen Gleisen. Alle Güterzüge wurden auf moderne Flüsterbremsen umgerüstet. Das Lärmschutzziel 2020 und damit die Halbierung des Schienenverkehrslärms – ausgehend vom Bezugsjahr 2008 – wurde erreicht!

Es handelt sich nicht um ein regionales Verkehrsprojekt, das in Stadt und Landkreis Rosenheim entschieden wird. Es ist ein europäisches Projekt, das auch ohne das Zutun unserer Region verwirklicht werden kann. Durch einen intensiven Bürgerdialog und politische Intervention ist es bisher gelungen, die jetzige Trasse mit ihrer massiven Untertunnelung zu bekommen. Ohne aktiven Einsatz wäre das nicht passiert.

Es gibt noch Streckenabschnitte, in denen Verbesserungen erforderlich sind. Das betrifft vor allem die Region nördlich von Rosenheim. Dort müssen weiterhin Tunnellösungen geprüft werden. Geklärt werden muss insbesondere die Innquerung und die Einfädelung auf die Bestandstrasse. Es laufen bereits Untersuchungen zur Möglichkeit einer Unterquerung des Inns sowohl zwischen Flintsbach und Nussdorf als auch zwischen Leonhardspfunzen und Langenpfunzen. Ebenso wird in eine Machbarkeitsstudie für eine bergmännische Verknüpfungsstelle investiert. Ich setze mich dafür ein, weitere Streckenabschnitte zu untertunneln.

Mit freundlichen Grüßen
Daniela Ludwig

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