Frage an Detlef Müller bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Detlef Müller
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Frage von Tamás N. •

Frage an Detlef Müller von Tamás N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Müller,

heute hat das Bundeskabinett den, kurzfristig noch verschärften [1] , Gesetzentwurf für Internetsperren beschlossen. [2]

Mich würde im Hinblick auf eine bevorstehende Abstimmung im Bundestag Ihre Haltung zu dem Thema interessieren, auch weil mir spontan gleich mehrere rechtsstaatliche Prinizpen einfallen die aus meiner Sicht verletzt werden:

- die Liste wird von keiner richterlichen Instanz geprüft und ist natürlich geheim (Gewaltenteilung?, Angst der Bürger vor versentlich falschem Klick - kenne Sie http://www.tinyurl.com ? - und daher Repression, willkürliche Zensur [die angeblichen Sperrlisten anderer Länder die im Internet kursieren sind voll von harmlosen Adressen])

- IP-Adressen, die auf eine Stopp-Seite zugreifen sollen jetzt doch geloggt und ermittlungstechnisch ausgewertet werden (Generalverdacht)

- dieses Zitat der Justizministerin (!): "Eine Strafbarkeit liege schon in dem Moment vor, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass es sich um ein Versehen oder eine automatische Weiterleitung gehandelt habe." [2] (Umkehr der Beweislast)

- nur Provider mit mehr als 10,000 Kunden, und keine öffentlichen Einrichtungen, filtern (Grundsatz der Gleichbehandlung?)

Dass die Sperre auch technischer Sicht lächerlich ist (so kursieren Videos wie man sie in 20 Sekunden umgehen kann), ist dabei zweitranging, da ich befürchte sobald es erstmal umgesetzt ist, wird man schnell nach effektivieren technischen Lösungen schauen. In China klappt es ja auch ganz gut.

[1] http://www.heise.de/ct/Kinderporno-Sperren-Provider-sollen-Nutzerzugriffe-loggen-duerfen--/news/meldung/136450
[2] http://www.heise.de/newsticker/Bundeskabinett-beschliesst-Gesetzesentwurf-zu-Kinderporno-Sperren--/meldung/136556

Ich lese in Ihren Antworten oft, dass Sie sich die Zustimmung zu allerlei Gesetzen, die die verfassungsverbürgten Bürgerrechte in letzter Zeit sehr bedenklich eingeschränkt haben nicht leicht gemacht hätten. Das möchte ich auch hoffen.

mit freundlichen Grüßen,
Tamás Novák

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Sehr geehrter Herr Novak,

vielen Dank für Ihre Anfrage bei „Abgeordnetenwatch.de“.

Grundsätzlich halte ich das Sperren des Zugangs zu kinderpornografischen Internetseiten für eine sinnvolle Maßnahme, und es ist richtig, dies gesetzlich zu regeln. Leider verzeichnet die polizeiliche Kriminalstatistik seit Jahren einen Anstieg bei der Verbreitung der Kinderpornographie im Netz. So ist allein in Deutschland im Zeitraum von 2006 auf 2007 ein Zuwachs von 111 Prozent zu verzeichnen (2936 auf 6206 Fälle).

Gleichzeitig weiß ich aber, dass es sich bei der Sperrung von Seiten nur um eine flankierende Maßnahme handelt kann, da solche Sperren mit entsprechenden technischen Kenntnissen umgangen werden können.

Entscheidend ist es, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Verbreitung von Kinderpornografie vorzugehen. Dringlich ist es meines Erachtens, die Server abzuschalten, auf denen kinderpornografisches Material gepostet wird.

Wir sind jetzt am Beginn des parlamentarischen Verfahrens für ein Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen. Es wird auch eine Anhörung zu diesem Thema geben, ich bin mir auch sicher, dass noch Einwände aus dem BMJ bzw. BMI, die teilweise eine andere Rechtsauffassung als das BMFSFJ vertreten, noch Einfluss auf den Gesetzentwurf nehmen werden.

Ich persönlich bin gegen „Schnellschüsse“ bei der Sperrung von Seiten. Meiner Meinung nach ist ein sicheres rechtstaatliches Verfahren nötig, auch halte ich einen richterlichen Beschluss für nötig.

Gestatten Sie mir allerdings noch eine Bemerkung. Ihren Vergleich zwischen der beabsichtigten Sperrung von Kinderpornoseiten und der Internetzensur in China halte ich für unangebracht und wenig Ziel führend. Bitte bedenken Sie: Hinter jedem Bild und jedem Film steckt eine schwere Straftat und ein traumatisiertes und missbrauchtes Kind. Dies mit der der Internetzensur in China zu vergleichen ist ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht der Opfer.

Mit freundlichen Grüßen

Detlef Müller, MdB

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