Frage an Dietmar Bartsch bezüglich Finanzen

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Dietmar Bartsch
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Frage von Florian K. •

Frage an Dietmar Bartsch von Florian K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Bartsch,

es gibt die Idee, dass eine zu hohe Staatsquote zu weniger Wirtschaftsleistung fuehrt, da der Staat bei Leistungen, die auch sinnvoll privatwirtschaftlich erbracht werden koennten, grundsaetzlich ineffizienter wirtschaftet.

1. Inwieweit teilen Sie und/oder Ihre Partei diese Auffassung ?

Je nachdem in welchen Bereichen der Staat selbst aktiv wird, ist die Staatsquote entsprechend hoeher oder niedriger. Die Extreme dabei sind der Minimalstaat (Staatsquote 10-20%, nicht zulaessig in D wegen Sozialstaatsgebot) und der Kommunismus (Staatsquote 100% da alle Produktionsmittel in Staatshand, nicht zulaessig in D unter anderem wegen Eigentumsrecht). Zwischen diesen unzulaessigen Extremen gibt es einen grossen Spielraum den der Staat in die eine oder andere Richtung ausschoepfen kann.
Die Staatsquote in D schwankte in den letzten 35 Jahren immer zwischen 42 und 50%, davor war sie dauerhaft unter 40%.

2. Halten Sie und/oder Ihre Partei die langfristige Hoehe der Staatsquote fuer relevant?

3. Wenn ja, welche Staatsquote streben Sie oder Ihre Partei langfristig an?

4. Welche praktischen Erfolgsaussichten sehen Sie dabei fuer dieses Ziel in Anbetracht der politisch oder auch rechnerisch moeglichen Mehrheiten nach der Wahl?

Meine persoenliche Ansicht:
Jede Steuer ist eine Verletzung des Eigentumsrechtes. Verletzungen des Eigentumsrechtes - genauso wie aller anderen Grundrechte - sind nur zulaessig soweit sie zum Schutz der Rechte anderer unabdingbar notwendig und angemessen sind.
Da jede Staatsausgabe letzlich durch Steuern finanziert werden muss, handelt es sich bei jedem Ausgabenposten, bei dem sicher ist, dass er diesem Kriterium nicht gerecht wird um ein Eigentumsdelikt.

Vereinfacht gesagt:
Steuern fuer nutzlose Ausgaben erheben und eintreiben ist Diebstahl.

Was halten Sie oder Ihre Partei von dieser Ansicht?

Mit freundlichen Gruessen,
Florian Kren
(Mit meiner Ansicht will ich nicht ausdruecken, dass es tatsaechlich nachweislich nutzlose Posten im Bundeshaushalt gibt.)

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Kren,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 02.07.2009.

Die These von einer höheren Effizienz der Privatwirtschaft gegenüber dem Staat trifft zumindest in der aktuellen Finanzkrise nicht zu. Das Drücken der Staatsquote ist nach unserer Auffassung ein zentrales Anliegen neoliberaler Politik. Ziel dieser Politik ist es, den Sozialstaat einzudampfen und die verbleibenden Reste marktorientiert umzubauen. Um den Einfluss des Staates zu beschneiden, haben CDU/CSU und SPD, davor SPD und Grüne ihm finanzielle Möglichkeiten weggenommen. Zu diesem Zweck setzten sie zunächst umfangreiche Steuerentlastungen für Gutverdienende und Unternehmen durch. Die dadurch steigende staatliche Neuverschuldung wurde genutzt, um einen angeblichen politischen Sachzwang für Ausgabenkürzungen zu schaffen. "Erfolg" des Mittelentzugs ist die fortlaufende Absenkung der Staatsquote. Aus neoliberaler Sicht willkommene Wirkung: Der Sozialabbau erhöht den Druck auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, schlechte und unterbezahlte Jobs anzunehmen oder weiter zu ertragen.

Wir betrachten die Staatsquote nicht als Selbstzweck. Wir würden sie zum Beispiel teilweise gern senken, indem auf Rüstungsausgaben verzichtet wird. Wir wollen keine Steuergelder für nutzlose Ausgaben. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft, ausreichende soziale Leistungen und einen starken öffentlichen Beschäftigungsbereich. Wir wollen ein Zukunftsprogramm für zwei Millionen Arbeitsplätze auflegen: mit Investitionen von 100 Milliarden Euro pro Jahr in Bildung, Gesundheit, Klimaschutz, Infrastruktur und Verkehr die Krise bekämpfen. Darüber hinaus wollen wir einen Zukunftsfonds für eine nachhaltige Wirtschaft einrichten und mit 100 Milliarden Euro ausstatten. Um dies zu finanzieren, benötigt der Staat ausreichende finanzielle Mittel. Dies wollen wir durch eine stärkere Beteiligung der wirtschaftlich Leistungsfähigen an den Kosten des Gemeinwesens erreichen. Konkret heißt das eine höhere Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften, hoher Einkommen und der gerade in den letzten Jahren stark gestiegenen Unternehmensgewinne.

Freundliche Grüße

Dr. Dietmar Bartsch

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