Frage an Dietmar Bartsch bezüglich Recht

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Dietmar Bartsch
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Frage von Marc E. •

Frage an Dietmar Bartsch von Marc E. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Bartsch,

ich bin schon langjähriges Mitglied der Partei und hoffe, dass die LINKE sehr bald sowohl in den Ländern als auch im Bund gestärkt vertreten sein wird.

Zu meiner Frage: ich möchte gerne wissen, ob in der LINKEn besprochen wurde, ob die von Herrn Justizminister Maas geplante Änderung des § 169 GVG gestoppt wird? Hierdurch wird der Gerichtssaal zur Showbühne verdreht, wodurch sowohl die Unabhängigkeit der Justiz als auch ein freies, nicht von Medien getriebenes Urteil gefährdet ist. Es sollte verhindert werden, dass aus den deutschen Gerichtsälen ein amerikanisches Court-TV ist.

Welche Position hat die LINKE im Bundestag hierzu?

mit freundlichen Grüßen

Marc Eichhardt

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Eichhardt,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich stimme Ihnen zu, dass die von Justizminister Heiko Maas geplante Änderung des § 169 GVG nicht dazu führen darf, dass der Gerichtssaal zur Showbühne verdreht und die Unabhängigkeit der Justiz durch einen erhöhten medialen Druck gefährdet wird. Das ist eine Entwicklung, die DIE LINKE keinesfalls möchte.

Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (EMöGG) ist nach unserer Auffassung so ausgestaltet, dass er Befürchtungen, wie Sie sie zum Ausdruck gebracht haben, Rechnung trägt.
Die geplanten Änderungen des § 169 GVG sind moderat und verfolgen lediglich das Ziel, dass die Gerichtsverfahren in der Öffentlichkeit besser wahrnehmbar werden. Einer medialen Massenverwertung wird durch die geplanten Änderungen des § 169 GVG nicht Tür und Tor geöffnet.

Der Regierungsentwurf des EMöGG beinhaltet im Wesentlichen Folgendes:

1) Medienübertragung: Entscheidungsverkündungen oberster Bundesgerichte sollen grundsätzlich von Medien übertragen werden können.
2) Gerichtsinterne Übertragung: Die Einrichtung von Arbeitsräumen für Medienvertreterinnen und -vertreter mit Tonübertragung soll für Verfahren mit einem erheblichen Medieninteresse gesetzlich geregelt werden
3) Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung: Eine audio-visuelle Dokumentation von Gerichtsverfahren, die eine herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung besitzen, soll bei näherer Bestimmung der Voraussetzungen und der Festlegung von Regelungen für eine begrenzte Verwendung ermöglicht werden.

Gegen eine ausschließliche Übertragung von Urteilen oberster Bundesgerichte durch die Medien ist aus Sicht der Fraktion DIE LINKE nichts einzuwenden. Wie Sie vielleicht wissen, werden auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bereits jetzt von den Medien übertragen, ohne dass dies die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts bislang gefährdet hätte.

Eine Übertragung von Entscheidungen oberster Bundesgerichte halten wir auch deshalb für gerechtfertigt, weil derartige Entscheidungen meist eine hohe gesellschaftliche Relevanz haben und dadurch auf ein gewisses öffentliches Interesse stoßen. Denn die eigentliche Gerichtsverhandlung findet nach wie vor unter Ausschluss von Bild- und Tonaufnahmen statt. Ebenso sind nach wie vor keine Bild- und Tonaufzeichnungen für Gerichtsverfahren von Gerichten unterhalb der Bundesgerichte vorgesehen.

Der Absicht, Medienübertragungen auch auf andere Gerichte oder das Gerichtsverfahren vor der Urteilsverkündung ausdehnen zu wollen, würde DIE LINKE nicht zustimmen.

Gegen eine gerichtsinterne Übertragung von Gerichtsverhandlungen bei erheblichem Medieninteresse, d.h. eine Einrichtung von Arbeitsräumen für Medienvertreterinnen und -vertreter in demselben Gerichtsgebäude, ist aus Sicht der Fraktion DIE LINKE nicht grundsätzlich etwas einzuwenden. Der NSU-Prozess in München hat eindrucksvoll aufgezeigt, dass das Medieninteresse durchaus – und berechtigterweise – beträchtlich sein kann. Um zu vermeiden, dass Teile der interessierten Öffentlichkeit ausgeschlossen werden (z.B. bei Losverfahren, wie sie beim Landgericht München im NSU-Prozess praktiziert wurden), ist die gerichtsinterne Übertragung von Gerichtsverhandlungen bei erheblichen Medieninteresse ein legitimer Weg.

Wir sind der Auffassung, mit den geplanten Änderungen des § 169 S. 2 GVG kann auch künftig jeder Bürger darauf vertrauen, dass seine Angelegenheit in einer von störenden äußeren Einflüssen unbeeinträchtigten mündlichen Verhandlung sorgfältig und unvoreingenommen erörtert wird.

Der Ermöglichung von audio-visuellen Dokumentationen von Gerichtsverfahren, die eine herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung besitzen, kann aus Sicht der Fraktion DIE LINKE nur dann zugestimmt werden, wenn dies in engen Grenzen erfolgt. Hier ist nicht auszuschließen, dass eine audio-visuelle Aufzeichnung des gesamten Prozessverlaufes Auswirkungen auf das prozessuale Verhalten von Verfahrensbeteiligten haben können. Daher ist es unabdingbar, genauer zu definieren, wann eine „herausragende geschichtliche Bedeutung“ zu bejahen ist und von wem sowie wofür genau die Aufzeichnungen verwendet werden dürfen.

Freundliche Grüße
Dietmar Bartsch

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