Frage an Elisabeth Motschmann

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Elisabeth Motschmann
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Frage von Thomas R. •

Frage an Elisabeth Motschmann von Thomas R.

Sehr verehrte Frau Motschmann,

Sie haben am 25.9.2014 gegen die Ablehnung von investor state dispute settlements, ISDS gestimmt. Ihr Abstimmungsverhalten wirft bei mir folgende Fragen auf:

1. Kommt nicht die die Einführung von der Einführung einer geheimen Parallel-Gerichtsbarkeit und die regulatorische Kooperation, RK in TTIP einem institutionellen Lobbyismus gleich?
2. Untergraben ISDS und besonders RK nicht die parlamentarische Demokratie? Dürfen Gesetzgebungsverfahen von Anfang an unter der Kontrolle der internationalen Konzerne stehen?
3. Darf der Staat sich seine regulatorische Kompetenz erkaufen müssen?

Ich bin Ihnen für Antworten zu diesen Fragen und für Begründungen Ihrer Zustimmung zu ISDS dankbar, mfG Dr. Risse

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Dr. Risse,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu der Problematik der Investor- Staat-Schiedsverfahren bei TTIP und CETA. Bitte gestatten Sie mir einige Erläuterungen zu dieser doch etwas schwierigen Materie:

Grundsätzlich sollen Investor-Staat-Schiedsverfahren vier zentrale Garantien geben:

• Schutz vor Diskriminierung ausländischer Unternehmen,
• Schutz vor entschädigungsloser Enteignung des Investors,
• Schutz vor unbilliger und ungerechter Behandlung sowie
• Garantie des freien Transfers von Kapital.

Dieses Verfahren ist keinesfalls neu – Deutschland ist ein Pionier des völkerrechtlichen Investitionsschutzes und hat 139 Investor-Staat-Schiedsverfahren abgeschlossen, wovon schon 131 in Kraft getreten sind.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Investor-Staat-Schiedsverfahren-Klauseln in den Außenhandelsabkommen weiterentwickelt. Neuere Investor-Staat-Schiedsverfahren beinhalten schon Klauseln, die das Recht des Staates unterstreichen, im öffentlichen Interesse, beispielsweise zum Schutz von Gesundheit und Umwelt, regulierend tätig zu werden. So ist beispielsweise bei CETA eine Regelung enthalten, der zufolge nicht-diskriminierende staatliche Maßnahmen im öffentlichen Interesse – wie beispielsweise dem Umwelt- und Gesundheitsschutz – nur in Ausnahmefällen eine entschädigungspflichtige indirekte Enteignung darstellen. Nach der CETA-Klausel ist das dann der Fall, wenn das Schiedsgericht zu dem Urteil kommt, dass die staatliche Maßnahme „manifest“ unverhältnismäßig ist. Nach deutschem Recht sind bereits „einfach“ unverhältnismäßige Gesetze verfassungswidrig. Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass das deutsche Rechtssystem einen wesentlich weitergehenden Schutz bietet als die CETA-Klauseln. Insofern ist davon auszugehen, dass Unternehmen eher das deutsche Rechtssystem in Anspruch nehmen.

Die EU-Kommission möchte mit den Investor-Staat-Schiedsverfahren bei CETA und TTIP Maßstäbe für moderne Investitionsschutzabkommen setzen. So könnten die entsprechenden Klauseln bei CETA und TTIP Vorbild sein, für das Investor-Staat-Schiedsverfahren mit China, welches derzeit von der EU-Kommission verhandelt wird.

Die Bundesregierung lehnt Investor-Staat-Schiedsverfahren in Freihandelsabkommen mit Rechtsstaaten ab. Begründung ist, dass man dort, wo es einen Rechtsstaat gibt, keine Investor-Staat-Schiedsverfahren braucht. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass in diesen Fällen unabhängige nationale Gerichte einen ausreichenden Rechtsschutz gewähren.

Die Mehrheit der EU-Staaten befürwortet aber Investor-Staat-Schiedsverfahren, weshalb bei CETA Investitionsschutzbestimmungen enthalten sind. Im Gegensatz zu TTIP haben die Mitgliedstaaten der EU-Kommission keine Vorgaben gemacht, so dass bei CETA Investor-Staat-Schiedsverfahren-Klauseln enthalten sind.

Wie die Verhandlungen genau ausgehen werden, ist derzeit nicht absehbar.

Insofern kann man nicht davon sprechen, dass es eine geheime Parallel-Gerichtsbarkeit gibt. Es ist zwar richtig, dass die Verhandlungen der Schiedsgerichte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Das Verfahren der Besetzung ist aber in der Regel in den Investor-Staat-Schiedsverfahren bestimmt.

Die regulatorische Kooperation darf nicht als Selbstaufgabe des Staates verstanden werden. Es ist nicht so, dass der Staat durch die regulatorische Kooperation auf seine gesetzliche Gestaltungsmacht verzichtet. Es handelt sich dabei – vereinfacht gesagt – lediglich um ein Konsultationsverfahren für die Betroffenen.

Die Frage, ob und wie Investor-Staat-Schiedsverfahren die parlamentarische Demokratie tangieren, ist durchaus umstritten. Ich bin der Meinung, dass hier das Parlament dem Abkommen, in dem die Investor-Staat-Schiedsverfahren geregelt sind, zustimmt und somit auch das Schiedsverfahren billigt. Persönlich finde ich es erstaunlich, dass diese Frage jetzt, wo es um Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada geht, zu einem Politikum stilisiert wird. Die 139 anderen Abkommen haben nicht annähernd ein solches öffentliches Interesse auf sich gezogen.

Auch nach Abschluss von CETA und TTIP werden Gesetzgebungsverfahren zu keinem Zeitpunkt unter der Kontrolle internationaler Konzerne stehen.

Mit der dritten Frage sprechen Sie wahrscheinlich die von Aktivisten immer wieder apostrophierte Problematik an, dass die Staaten aus Angst vor Schadensersatzforderungen internationaler Konzerne auf bestimmte gesetzgeberische Maßnahmen verzichten. Dies ist (siehe oben, Abs. 4) unzutreffend.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Motschmann