Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker bezüglich Gesundheit

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Elisabeth Winkelmeier-Becker
CDU
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Frage von Dr. Stefan B. •

Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Dr. Stefan B. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Winkelmeier - Becker

ich bin in Ihrer Heimatstadt Siegburg als Orthopäde in eigener Praxis tätig. Dieser Beruf erfordert einen hohen Einsatz und die Arbeit wird belohnt durch die Wertschätzung durch die Patienten und den Erfolg des Handelns. Doch seit Jahren ist die Wertschätzung durch viele Politiker gekennzeichnet durch allgemeine Diskriminierung, zunehmende Einschränkung
selbstverantwortlicher Tätigkeit etc., auch erkennbar in der Änderung der Begriffe z.B. Arzt = Leistungsanbieter, Praxis = Betriebsstätte.
Sie haben der Gesundheitsreform und dem Gesundheitsfonds zugestimmt. In Folge dieser Entscheidungen wird den Bürgern erklärt, die Erhöhung Ihrer Kassenbeiträge würde verursacht durch erhöhte Arzthonorare. Sehr viele Arztgruppen, v.a. in den Reihen der Fachärzte, erleiden jedoch massive Einkommensverluste seit 01- 2009, bei den Orthopäden zwischen 20 und 30 %. Wie passt das zusammen?
Möchte die Regierung mit Hilfe der CDU auf diesem Wege die Praxislandschaft "bereinigen"? Wir möchte nicht alle Millionäre werden, wie Frau Schmidt erklärt. Aber wir möchten mit einem angemessenen Lohn für unsere engagierte und qualifizierte Tätigkeit bezahlt werden. Die Freude am Beruf leidet...

Mit freudlichen Grüssen aus Siegburg, Dr. S. Buchen.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Dr. Buchen,
vielen Dank für Ihre Anfrage.

Zunächst möchte ich Sie bitten, die verschiedenen Aspekte und Regelungszusammenhänge der Gesundheitsreform differenziert zu betrachten und nicht - wie vielfach in den Medien zu beobachten - Zusammenhänge und Verantwortlichkeiten zu vermischen und zu verwechseln. Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass Sie persönlich nicht wissen, wer für welche Entscheidungen im Gesundheitswesen, insbesondere für konkrete Vergütungsansprüche der verschiedenen Facharztleistungen zuständig ist und wie "das zusammen passt". Ich nehme aber gerne die Gelegenheit wahr, dies in diesem Forum für Sie noch einmal darzustellen:

Der Gesundheitsfonds wird vielfach für aktuelle Erhöhungen der Beiträge verantwortlich gemacht. Dazu muss man wissen: zur Einrichtung des Fonds sind gerade einmal 21 Personen beim Bundesversicherungsamt eingestellt worden, deren Kosten nun wirklich nicht weiter ins Gewicht fallen. Der Fonds führt in Bezug auf die Beiträge zunächst lediglich zu einer Angleichung der Beitragssätze, die zuvor bekanntlich von den Kassen selbst und mit deutlichen Unterschieden festgesetzt worden waren. In Zukunft zahlen alle Versicherten den gleichen Anteil ihres versicherungspflichtigen Einkommens; darunter sind viele, die aus günstigeren Kassen kommen und für die der Beitrag daher steigt, ebenso sind darunter viele, für die der Beitrag günstiger wird. Insgesamt wird das Aufkommen, das für die Gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung steht, durch die bloße Einrichtung des Fonds somit nicht wesentlich beeinflusst. Vorteil ist u.a., dass das Werben der einzelnen Kassen um die besonders zahlungskräftigen Versicherten ein Ende hat; alle Versicherten sind den Kassen nun unabhängig vom Einkommen gleich viel wert und lieb, da sie für alle Versicherten den gleichen Betrag aus dem Gesundheitsfonds erhalten.

Zeitgleich mit dieser Umstrukturierung der Einnahmenseite sind jedoch einige Neuerungen in Kraft getreten, durch die die Leistungen in der Gesetzlichen Krankenkasse verbessert werden. Gleichsam als Kehrseite erhöhen sich dadurch insgesamt die Ausgaben; und genau deshalb mussten auch die Einnahmen der Kassen angepasst werden. Dies wiederum hat sich dann steigernd auf die Beträge ausgewirkt. Ohne Einrichtung des Gesundheitsfonds hätten diese Ausgabensteigerungen ebenfalls zu einer Erhöhung der Beiträge geführt. Wenn heute viele Menschen ihren früheren Beitrag mit dem heutigen Beitrag zum Fonds vergleichen, ist das also nicht passend: Vergleichsmaßstab müsste jeweils der Betrag sein, den seine Kasse im Hinblick auf die Ausgabensteigerungen verlangt hätte; das wäre idR ein höherer Betrag gewesen. Der Gesundheitsfonds bietet übrigens auch die strukturellen Voraussetzungen, um ab 2009 einen ansteigenden Milliardenbetrag aus Steuermitteln des Bundeshaushaltes den Gesetzlichen Krankenkassen zufließen zu lassen. Damit macht es der Fonds gerade möglich, auf diesem Weg die Beitragszahler zu entlasten.

Der Hauptanteil der Ausgabensteigerungen in Höhe von 3,5 Mrd € entfällt auf die Finanzierung der Krankenhäuser. Für diese werden u.a. die Fallpauschalen angemessen erhöht.
Zu diesen Ausgabensteigerungen gehören aber auch, wie Sie ja selbst ansprechen, Honorarverbesserungen für Ärzte.
Und hier ist zu beachten, welche Stelle welche Entscheidungen zu treffen
hat: der Gesetzgeber hat mit der Gesundheitsreform u.a. gesetzliche Regelungen für das Abrechnungssystem verändert, indem Punktwerte für die einzelnen ärztlichen Leistungen nun einem festen Betrag in Euro und Cent zugeordnet werden. Damit wird das vorherige System vereinheitlicht, in dem - und hier komme ich zu einem weiteren wichtigen Akteur im Gesundheitssystem - die verschiedenen Kassenärztlichen Vereinigungen für ihr jeweiliges Gebiet verschiedene Abrechnungssysteme etabliert hatten, darunter z.T. mit einem floatenden Punktsystem, in dem der finanzielle Gegenwert einer ärztlichen Leistung erst zu Ende eines Quartals festgestellt werden konnte; dies ging mit einer erheblichen finanziellen Unsicherheit für die Ärzte einher. Dieser Punktwert berücksichtigt auch die Praxiskosten, ab einer bestimmten Menge sinkt der Punktwert jedoch auf einen niedrigeren Fixbetrag, da davon auszugehen ist, dass die Praxiskosten durch den übrigen Betrag bereits abgegolten sind. Den gesetzlichen Neuregelungen der Gesundheitsreform habe ich als Mitglied des Bundestages zugestimmt.

Das gesamte Finanzvolumen, das für Arzt-Honorare zur Verfügung steht, wird zwischen den Ärzten, den Krankenkassen und einem unparteiischen Vertreter des BMG ausgehandelt; damit steht dann fest, welcher Gesamtbetrag für die betreffenden Ärzte zur Verfügung steht. Hier ist in der Tat eine Ausgabensteigerung für die Gesamtheit der Arzthonorare um 2,7 bis 3 Milliarden Euro vereinbart worden; mit gutem Grund: Es soll mehr Geld zur Verfügung stehen z.B. für Hausärzte, deren Leistungen bislang oft weniger gut vergütet werden, für die Ärzte im ländlichen Raum und in strukturschwachen Gegenden, in denen z.B. wegen des geringeren Anteils an privat versicherten Patienten die Einkommenssituation wenig attraktiv ist und dort deshalb zu Unterversorgung führen kann. Der "Kuchen" ist also größer geworden. Die für unsere Region zuständige Kassenärztliche Vereinigung hat gut 6 % mehr Geld erhalten als für 2007.

Für die Verteilung dieses "Kuchens" ist nun allerdings nicht mehr der Gesetzgeber und damit ebenfalls nicht mehr Ihre örtliche Abgeordnete zuständig, sondern die von den Ärzten in eigener Verantwortung und Zuständigkeit gewählte Vertretung in der Kassenärztlichen Vereinigung. Dort wird der Modus festgelegt, nach dem die Vergütung der verschiedenen niedergelassenen Ärzte innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens erfolgt. Hier hat es nun ? ohne Beteiligung der Politik - eine Neuausrichtung der Vergütungsberechnung gegeben, die auf der einen Seite einige Praxen schlechter stellt als zuvor. Leider trifft auch hier wie so oft in der politischen Diskussion zu, dass diejenigen, die von einer Neuregelung profitieren, still bleiben, mit der Folge dass häufig die Unzufriedenen die öffentliche Diskussion bestimmen. Diese Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung hat nun Vor- und Nachteile. Sie berücksichtigt einige wichtige gesundheitspolitische Anliegen und die Interessen bisher schlechter gestellter Ärzte; auf der anderen Seite ist es sicher nachvollziehbar problematisch für die negativ betroffenen Praxen, wenn der status quo in einer solchen Größenordnung von 20 bis 30 % beeinträchtigt wird, während hohe Fixkosten unvermindert weiter aufzubringen sind; die Frage, ob hier nicht doch andere Verteilungsschlüssel angemessener, frühzeitigere Informationen und längere Übergangszeiten möglich gewesen wären, ist sicher berechtigt. Es ist jedoch eine Frage, die von der Kassenärztlichen Vereinigung zu beantworten wäre. Zur Zeitist es offenbar so, dass die Kassenärzlichen Vereinigungen einen größeren Anteil der zugeteilten Gelder zurückhalten; auch diese Beträge sind der Teil der Gesamtsumme, die im Laufe des Jahres der Vertragsärzten auszuzahlen sind. Das könnte sich vermutlich auch auf die Bilanz etlicher orthopädischer Praxen noch positiv auswirken. (vergleiche zum Ganzen den Artikel von Benedikt Fuest im Rheinischen Merkur Nr. 2, 2009, Seite 14)

Ich habe wirklich Verständnis dafür, dass die neue Regelung mit diesen Auswirkungen auf Ihre Praxis neben ernsten finanziellen Problemen Ärger und Frustration mit sich bringt, unter denen, wie Sie es zum Ausdruck bringen, "die Freude am Beruf leidet". Das Engagement für die Patienten, die Qualifikation der Fachärzte und den Anspruch auf ein angemessenes Honorar will gewiss niemand in Frage stellen, auch wenn die sehr schwierige und aufreibende Diskussion in den vergangenen Monaten zu einigen verbalen Spitzen, nicht zuletzt vielleicht auch bei der zuständigen Ministerin (übrigens SPD) geführt haben mag. Die Aufgabe, die der Politik und allen Akteuren im Gesundheitswesen gestellt ist, ist darauf gerichtet, unser auch im internationalen Vergleich weiterhin hohes Niveau an moderner medizinischer Versorgung aufrechtzuerhalten und auch in einer älter werdenden Gesellschaft allen Bürgern zugänglich zu machen, dabei die berechtigten Interessen der verschiedenen Leistungserbringer zu berücksichtigen und zugleich die Erwartung zu beachten, dass die Beiträge einigermaßen stabil bleiben. Diese Anforderungen sind z.T. gegenläufig und schwer zu vereinbaren; deshalb sind Kompromisse unumgänglich. Unumgänglich ist m.E. aber auch, dass die Diskussion sachlich bleibt und nicht in bewusster oder unbewusster Verwirrung Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten; Ursachen und Folgen miteinander vermengt werden. Dies erwarte ich auch von den Ärzten, die ihre Patienten über die Neuregelungen und Zusammenhänge informieren möchten. Das in den Wartezimmern einiger Ärzte ausliegende Material entspricht dem nicht immer zu 100 Prozent.
Mich würde noch interessieren, ob Sie Ihr Anliegen bei der Kassenärztlichen Vereinigung ebenfalls vorgebracht und welche Antwort Sie gegebenenfalls von dort erhalten haben.

Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker

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