Frage an Ernst Dieter Rossmann

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Ernst Dieter Rossmann
SPD
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Frage von Carolin G. •

Frage an Ernst Dieter Rossmann von Carolin G.

Sehr geehrter Herr Rossmann,

ich würde gern wissen, wie Sie zur Frage eines Frackingverbots in Deutschland stehen.

Mit freundlichen Grüßen, Carolin Gatzke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Gatzke,

herzlichen Dank für Ihre Schreiben zum Thema Fracking vom 30. Juni 2015.
Am 1. April wurde der Entwurf für ein Gesetzes- und Verordnungspaket betreffend des Einsatzes der Fracking-Technologie im Kabinett beschlossen. Seitdem hat es am 8. Juni eine Anhörung im zuständigen Fachausschuss und diverse sehr schwierige Verhandlungen mit dem Koalitionspartner CDU/CSU gegeben, weil die Wortführer bei der CDU/CSU hier eine sehr ablehnende Haltung gegenüber den Änderungsvorstellungen und -forderungen der SPD einnahmen.
Ich sehe die Bestimmungen im vorliegenden Gesetzentwurf in jedem Fall als einen wichtigen Schritt zur Umsetzung des Koalitionsvertrages und zur Schaffung einer der weltweit strengsten Regelungen für Fracking. Vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion und auch mit den Vorgaben des Koaltionsvertrages wird aber deutlich, dass es noch weitergehender Veränderungen sowohl im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) als auch im Bundesberggesetz (BBergG) bedarf, um Fracking in unkonventionellen Lagerstätten rechtssicher auszuschließen und der Priorität des Schutzes von Trinkwasser und Gesundheit umfänglich gerecht zu werden. Dabei ist klar, dass damit nicht auch solche Erdöl- und Erdgasförderungen erfasst werden, die bereits seit Jahrzehnten in Deutschland, insbesondere in Niedersachsen, Anwendung finden. Auch für diese Bereiche muss aber die erklärte Vorgabe gelten, dass Umwelt- und Gesundheitsschutz absoluten Vorrang genießen.
Aus schleswig-holsteinischer Perspektive gibt es mit den landeseigenen Energiewende-Zielen ein klares politisches „Nein“ von Landesregierung, Landtag und SPD-Landesparteitag zum sogenannten unkonventionellen Fracking. Die Umsetzung der Energiewende in Schleswig-Holstein ist auch mit planerischen Prioritäten und Abwägungen verbunden und letztlich auf die Akzeptanz der Menschen vor Ort angewiesen. Die Priorität liegt in Schleswig-Holstein beim Ausbau Erneuerbarer Energien und nicht in weiteren Technologien und Formen fossiler Energiegewinnung. Entsprechend hat die Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion aus Schleswig-Holstein auch sehr früh einige Eckpunkte für ihre Wunsche und Anforderungen an ein Fracking-Begrenzungsgesetz formuliert und in die Beratungen eingebracht. Diese Punkte lauten:
a) Vor dem genannten Hintergrund und der raumordnerischen Bedeutsamkeit von Fracking-Vorhaben sollte den Bundesländern über eine Länderklausel für Fracking-Verbote die Möglichkeit eines umfassenden Fracking-Verbots gegeben werden. Unabhängig von der hiernach landespolitisch grundsätzlich zu treffenden Entscheidung, Fracking-Vorhaben gänzlich auszuschließen, bedarf es aus länderübergreifenden Erwägungen folgender Klarstellungen und Änderungen
b) Gleichstellung der Regelung für unkonventionelles Fracking bei Erdgas und Erdöl: Auch wenn die Förderung von Erdöl mit der Fracking-Technologie heute in Deutschland noch keine Anwendung findet, ist nicht auszuschließen, dass es aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung auch zu Aufsuchungserlaubnissen für Erdölförderung durch unkonventionelles Fracking kommen wird. Aus den USA bekannte unkonventionelle Fracking-Verfahren umfassen auch Erdölförderung. Einige Vorgaben, Regelungen und Gebietsverbote in den Entwürfen zum Wasserhaushaltsgesetz und Bundesnaturschutzgesetz beziehen sich dennoch lediglich auf Fracking-Vorhaben im Erdgassektor. Der Gesetzgeber sollte frühzeitig klare Rahmenbedingungen schaffen und somit Vorhaben von Erdöl-Fracking mit aufgreifen (z.B. in § 13a I Nr. WHG-E oder § 33 Ia BNatSchG-E). Mit Blick auf die bundesweit unterschiedlich verorteten geologischen Vorkommen ist die genannte Gleichstellung insbesondere für Schleswig-Holstein von großer Relevanz.
c) Sicherstellung wasserrechtlicher Bedenken im BbergG: Nach geltendem Recht gibt es Unklarheit, inwieweit bei Genehmigungsverfahren nach BBergG auch wasserrechtliche Vorgaben berücksichtigt werden müssen. Durch den Regierungsentwurf wird zwar eine deutlichere Verzahnung von WHG und BBergG geschaffen. Um aber sicherzustellen, dass Erwägungen der Wasserbehörden auch beim bergrechtlichen Genehmigungsverfahren berücksichtigt und umgesetzt werden, bedarf es einer entsprechenden Verankerung im Bergrecht. Dazu sollte im BBergG auf die entsprechende Passage im WHG (§ 13a WHG) verwiesen und eine sinngemäße Anwendung vorgesehen werden.
d) Weiterentwicklung BBergG und Anpassung an die Prioritäten Gesundheits- und Trinkwasserschutz sowie Interessen des Gemeinwohls: Die Priorität zum Schutz der Gesundheit und des Trinkwassers muss sich auch in den Vorgaben des BBergG widerspiegeln. Der bisherige Grundsatz, wonach die Förderung und Sicherung von Rohstoffen vorrangige Interessen sind, wird mit den vorliegenden Entwürfen nicht aufgegeben. Insofern bedarf es im BBergG einer stärkeren Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen sowie einer Vorsorgeklausel für den Schutz der Umwelt.
e) Streichung der Einführung einer Experten-Kommission: Die Einsetzung einer Experten-Kommission zur Bewertung der Erprobungsmaßnahmen für unkonventionelles Fracking und mit Blick auf eine mögliche Einführung von kommerziellen Fracking-Vorhaben erscheint vor dem Hintergrund der realen Genehmigungspraxis nicht sachgemäß und sollte gestrichen werden. Darüber hinaus gibt es noch weiteren Änderungs- und Klärungsbedarf. Dabei wird auch zu überprüfen sein, ob die sog. 3.000 m-Grenze ein grundsätzliches Verbot von unkonventionellem Fracking vollziehen lässt oder gegebenenfalls ein äquivalentes Kriterium entwickelt werden müsste. Dies wäre etwa der Fall, wenn unkonventionelle Fracking-Vorhaben auch unterhalb der 3.000 m-Grenze vorstellbar bzw. nicht auszuschließen sind. Zudem gilt es eine Lösung für den Umgang mit Lagerstättenwasser und eine eingrenzende Definition von Probebohrungen zu finden.
Soweit die Forderungen und Anregungen, die wir als schleswig-holsteinische Landesgruppe in das laufende Beratungsverfahren in der Fraktion und in der Koalition eingebracht haben. Diese decken sich mit meinen persönlichen Maßstäben in der Diskussion über Fracking:
- Möglichst umfassender Schutz von Wasser und Boden.
- Absoluter Schutz (soweit man „absolut“ praktisch umsetzen kann), da wo Trinkwasser gewonnen wird und wo es ein Naturschutzgebiet, Natura 2000-Gebiet oder ähnliches gibt
- Klare Absicherung einer demokratisch-politischen Entscheidung, bei der die Letztentscheidung bei der Politik, d.h. Regierung und Parlament sein muss. Sachverständige sollen beraten, aber nicht entscheiden.
- Klare Absicherung, dass die Bundesländer in eigener Souveränität entscheiden können, ob sie Öl oder Gas fördern lassen wollen.
- Sehr enge Regelungen, was wissenschaftliche Versuche und Untersuchungen angeht.
Bei den Verhandlungen zeigt sich jetzt, dass einige Punkte bereits beim Koalitionspartner durchgesetzt wurden, andere werden in den abschließenden Beratungen noch zu klären sein. Konsens zeichnet sich mit unserem Koalitionspartner bei folgenden Punkten ab: bei höheren Umweltstandards im Bereich der konventionellen Erdgasförderung, bei der Streichung der 3.000-Meter-Grenze. im Bereich des Schiefer-und Kohleflözgases und bei der Einbeziehung von Fracking zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl in die Verbotsregelung. Zudem sollen Einzugsgebiete von Mineralwasservorkommen und von Stellen zur Entnahme von Wasser zur Herstellung von Lebensmitteln bundeseinheitlich geregelt werden. Beim Thema Lagerstättenwasser soll es deutliche Verschärfungen geben, und die Beweislastumkehr bei Bergschäden soll auch auf Erdbeben, die durch die Erdgasförderung entstehen können, ausgedehnt werden.
Die noch offenen Punkte werden wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner klären. Dabei gelten für uns weiterhin der Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ sowie die Notwendigkeit einer intensiven und sorgfältigen Beratung im Sinne der Fraktion und des Parlaments. Die endgültige Entscheidung im Parlament wurde daher vertagt. Das geplante Gesetzespaket werde erst nach der Sommerpause im Bundestag weiterberaten. Das Thema wird wahrscheinlich im Herbst entschieden. Es bleibt also noch Zeit, um unsere Vorstellungen in den Gesetzgebungsprozess einzubringen.

Mit freundlichen Grüßen
Ernst Dieter Rossmann