Frage an Eva Högl bezüglich Wirtschaft

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
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Frage von Götz D. D. •

Frage an Eva Högl von Götz D. D. bezüglich Wirtschaft

Auch wenn 90% der Bürger für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone plädieren, gäbe es sicherlich mehr Verständnis für eine Rettung maroder Länder, wenn diese geldwerte Sicherheiten (Grund und Boden , Gold etc) bieten würden, so wie das jeder Bürger leisten muß, der bei einer Bank einen Kredit in Anspruch nehmen will.
Warum besteht die Politik nicht darauf, was für jeden Bürger in Europa gilt?

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dittrich,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 11.09.2011.

Ich verstehe gut, dass Ihnen die aktuellen Entwicklungen der Finanzkrise und der massiven Staatsverschuldung Sorge bereiten.
Viele Menschen in Deutschland sind angesichts der aktuellen Debatte über die zu ergreifenden Maßnahmen zur Stabilisierung der Währungsunion und zur Unterstützung der hochverschuldeten Euro-Länder zutiefst verunsichert und machen sich Sorgen: Sorgen um die Stabilität unserer Währung, um das Ersparte und Erarbeitete und die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Diese Sorgen kommen durch berechtigte Fragen zum Ausdruck.

Als SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Europaausschusses des Bundestages bin ich mit der europäischen Finanzpolitik unserer Bundesregierung auch nicht zufrieden. Die Bundesregierung hat es versäumt, auf die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger einzugehen. Sie hat dringend notwendige Stabilisierungsmaßnahmen für den Euro immer wieder öffentlich bestritten, hinausgeschoben und am Ende viel zu spät in Angriff genommen.

Bereits jetzt bemüht sich Griechenland, ausstehende Steuern einzutreiben oder Staatsbesitz zu verkaufen, um so die bestehenden Haushaltslöcher zu schließen. Darüber hinaus besteht jedoch ein weiterer Bedarf an finanziellen Mitteln, um den Griechen aus dem Schuldenloch zu helfen.
Für die SPD steht fest, dass die Solidarität mit Griechenland und anderen finanzschwachen EU-Staaten nicht nur ein Akt der Nächstenliebe ist, sondern vielmehr im Interesse Deutschlands liegt. Die Rückkehr zu nationalen Währungen ginge mit einer massiven Verteuerung unserer Exporte einher, denn mit der Abwertung der anderen Währungen würde die D-Mark aufgewertet. Wechselkursrisiken führten zu weniger Handel. Aber rund 60 % unserer Exporte gehen in die EU. Lassen wir also die Eurozone zerbrechen, werden die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Arbeitsplatzabbau die Hauptleidtragenden sein. Der Schaden für Deutschland wäre kaum abzuschätzen.

Allerdings gebe ich Ihnen Recht, dass das Krisenmanagement unserer Bundesregierung nicht zur Eindämmung der Krise geführt hat. Es fehlt an einer wirksamen Strategie, die über das bloße Aufstocken der EU-Rettungsschirme hinausgeht. Die Ursachen der Krise müssen beseitigt werden!

Daher fordert die SPD folgende Maßnahmen:

1. Zum Funktionieren einer Währungsunion müssen die Leistungsbilanzen ausgeglichen sein. Deshalb sind die Ungleichgewichte symmetrisch abzubauen. Es muss endlich Schluss sein mit der Lohnzurückhaltung insbesondere in Deutschland. In den notleidenden Ländern müssen sich die Löhne und Gehälter an Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit orientieren.

2. Zwingend ist eine Banken- und Finanzmarktregulierung. Wir fordern die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer zur Eindämmung von Spekulationen. Wir brauchen mehr als Gläubigerbeteiligung: Mit der Rettung von unterkapitalisierten Banken durch Staatsgarantien muss Schluss sein. Wer ein hohes Risiko eingeht, muss auch dafür haften. Es kann nicht angehen, dass der Staat die Zeche zahlt. Als Gegengewicht zu privaten Ratingagenturen, die mit ihren Bewertungen über die Zukunft von Staaten urteilen, muss eine europäische Ratingagentur installiert werden, die die Bonität von Ländern bewertet.

3. Eurobonds gehören ebenso zur Lösung. Einerseits profitieren durch teilweise Gemeinschaftshaftung alle Länder von den insgesamt niedrigeren Zinsen. Auf der anderen Seite bleibt der Reformdruck auf verschuldete Staaten durch die weiter existierenden nationalen Anleihen bestehen. Sicher werden durch Eurobonds Aufschläge für Bundesanleihen fällig, diese werden aber letztlich günstiger sein als ein Zusammenbruch der Währungsunion bzw. ständig neue finanzielle Hilfspakete.

4. Wir fordern einen sofortigen und massiven Zinsnachlass für Griechenland. Zinszahlungen sind eben keine Strafmaßnahmen, die den Staat geißeln sollen. Wirtschaftliches Wachstum ist die Voraussetzung dafür, dass die Finanzierung der Schulden nicht durch neue Kredite erfolgen muss.

5. Ein sozialer Stabilitäts- und Wachstumspakt ist unsere Antwort auf das konservative Wettbewerbsmodell. Unser Ziel eines sozialdemokratischen Europas ist eine demokratische und soziale Wohlstandsunion. Europaweite Mindestlöhne, beispielsweise ausgerichtet an der Höhe nationaler Durchschnittseinkommen, sowie eine Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage mit einem Mindestsatz zur Vermeidung von Steuerdumping gehören ebenso wie eine europäische Sozialunion dazu.

6. Wir fordern eine vom Deutschen Bundestag und Europäischen Parlament kontrollierte Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Auch hier müssen wir mehr Demokratie wagen.

Die Abstimmung über den jetzt vorliegenden Entwurf für einen weiteren Europäischen Rettungsschirm (EFSF) sowie die zeitgleich vorgelegten Regeln für die Beteiligung des Deutschen Bundestages und den Schutz des Budgetrechts für das deutsche Parlament ist deshalb nur der erste Schritt zu einem finanziell stabilen und wirtschaftlich erfolgreichen Europa.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Eva Högl