Frage an Eva Högl bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
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Frage von Oliver H. •

Frage an Eva Högl von Oliver H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag, Frau Högl!

Ein Grundpfeiler der Demokratie ist das Recht, sich auf frei gewählte Art und Weise zu informieren. Dem gegenüber steht ein Geflecht aus Medienkonzernen, welche von jedem Wohnenden zwangsfinanziert werden. Obgleich immer wieder die angebliche Unabhängigkeit der "öffentlich-rechtlichen" Sendeanstalten behauptet wird, sind es doch maßgeblich Politiker und Interessenverbände, welche diese lenken. Die "Beitrag" genannte Abgabe wird von Fachleuten als steuerartig eingestuft und ist nicht allein deswegen juristisch sehr umstritten. Für die Eintreibung der Gebühr wurden Datenabgleiche mit den Einwohnermeldeämtern veranlasst, deren Umfang beispiellos ist und datenschutzrechtlich extrem bedenklich. Die Frage, ob die "Öffentlich-Rechtlichen" nun Staatssender sind oder nicht, wird stets danach beantwortet, wie es diesen Sender gerade in den Kram passt.
Wie Sie sehen gehört das Thema daher in viele Bereiche und ist von grundliegender Bedeutung. Daher meine Frage, welche konkreten Ideen und Maßnahmen Sie zur Reform oder Abschaffung dieses auf verschiedensten Ebenen unhaltbaren Rundfunksystems haben oder planen.

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihr Schreiben auf abgeordnetenwatch.de zum öffentlich-rechtlich Rundfunksystem und den erhobenen Rundfunkgebühren.

Sie stehen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem sehr kritisch gegenüber – sowohl ganz allgemein als auch in Bezug auf einzelne Aspekte. Ihre grundlegende Kritik kann ich nicht teilen. Ich bin der Überzeugung, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine zentrale Bedeutung zukommt und es sehr wichtig ist, dass es ihn gibt und dass wir ihn erhalten.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Anspruch, hochwertiges und unabhängiges Programm für alle Menschen anzubieten, politische Willensbildung zu fördern und übergreifende politische Debatten zu ermöglichen. Vor allem in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung ist dies von herausragender Bedeutung.

Ein rein privatorganisiertes Rundfunksystem mit dem dort vorherrschenden Quotendruck könnte diese Aufgabe nicht erfüllen. Zudem möchte ich nicht, dass rein wirtschaftliche Interessen entscheiden, welche Programme und Inhalte gezeigt werden und welche nicht. Denn hochwertige und vielfältige Medienangebote sind nur mit wirtschaftlicher und politischer Unabhängigkeit und langfristiger finanzieller Planbarkeit möglich.

Ihre Auffassung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk maßgeblich von Politiker*innen und Interessenverbände geleitet wird, teile ich nicht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist politisch und rechtlich Ländersache. Die 16 Bundesländer legen im Rundfunk- und Rundfunkgebührenstaatsvertrag den gesetzlichen Rahmen fest, den die Rundfunkanstalten dann autonom und politikfern ausfüllen. Dies gilt sowohl für die Rundfunkbeitragserhebung als auch für die programmliche Gestaltung. Es hat gute historische Gründe und ist bewährtes Prinzip, dass der Einfluss der Politik auf die Rundfunkausgestaltung auf ein Minimum begrenzt ist.

Zum System der Rundfunkgebühren:
Seit Januar 2013 gibt es statt der bisherigen gerätebezogenen Abgabe (etwa für Fernseher, Radio, Autoradio) einen pauschalen Beitrag je Haushalt. Das neue System halte ich für den richtigen Ansatz. Denn dem alten System mangelte es an Solidarität, da sich einige mit Falschangaben oder Verweigerung der Überprüfung aus der finanziellen Verantwortung stehlen konnten. Nun müssen sich jedoch alle beteiligen. Niemand kann sich seiner Verantwortung mehr entziehen. Unterm Strich ist der neue Rundfunkbeitrag somit gerechter und solidarischer. Das neue System funktioniert nur als Solidargemeinschaft, an der sich alle beteiligen. Nur so kann unabhängiger und hochwertiger Rundfunk gewährleistet werden.

Zur Verfassungsmäßigkeit der Rundfunkgebühren:
Von zwei Verfassungsgerichten der Länder wurde der Rundfunkbeitrag und seine Erhebung im Rahmen dessen Daten der Einwohnermeldeämter zu allen volljährigen Bürger*innen abgeglichen werden für verfassungsgemäß erklärt. Zuletzt folgte das Bundesverwaltungsgericht am 18. März 2016 dieser Auffassung. Das Bundesverfassungsgericht wird aller Voraussicht nach noch in diesem Jahr über eine Verfassungsbeschwerde darüber entscheiden, ob der Rundfunkbeitrag mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Zum Reformbedarf der Rundfunkgebühren:
Aus vielen Gesprächen mit Bürger*innen weiß ich, dass der Beitrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht selten einen wesentlichen Anteil an dem monatlich zur Verfügung stehenden Einkommen ausmacht. Nicht jede*m ist es möglich, die Gebühren ohne weiteres zu bezahlen.

Deshalb fordere ich, dass wir den Rundfunkbeitrag dort besser und sozial gerechter ausgestalten müssen, wo Nachbesserungen nötig sind.

Die Berliner SPD hat einen Antrag beschlossen, dass nicht nur Empfänger*innen von staatlichen Transferleistungen vom Beitrag befreit werden sollten. Auch Geringverdienende mit einem Einkommen knapp über dem Transferleistungssatz, vor allem Studierende, Rentner*innen und Selbstständige sollten eine Befreiung oder Verringerung des Beitrags erhalten. Die Regelungen zu Schwerstbehinderten sind ebenso einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses wurden aufgefordert, sich bei der Evaluation und eventuellen Nachbesserungen für die Beachtung dieser sozialen Gesichtspunkte einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Eva Högl