Frage an Fabio De Masi bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

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Fabio De Masi
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Frage von Baran P. •

Frage an Fabio De Masi von Baran P. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr De Masi,

zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich es sehr schade finde, dass Sie den Bundestag verlassen. Nun zu meinen Fragen.

Ich bin dieses Jahr Erstwähler und hätte eine Frage bezüglich des Steuerkonzeptes Ihrer Partei. Es sieht vor, dass der Spitzensteuersatz ab einem Einkommen von 65.000 Euro auf 53% angehoben werden soll bei einem Grundfreibetrag von 9.300 Euro.
Ein Arzt, der beispielsweise 6.000 Euro im Monat verdient, also 72.000 Euro im Jahr, müsste dann davon 28.860 Euro versteuern. Dazu würden ja auch noch die Versicherungsausgaben kommen; finden Sie nicht, dass das eine zu hohe Belastung für die obere Mittelschicht ist?

Meine zweite Frage bezieht sich auf die von Ihrer Partei geforderten Vermögenssteuer von 5%, die auf jeden Euro über 1.000.000 Euro Freibetrag berechnet werden soll.
Langfristig würde es ja bei einem angesparten Vermögen dazu kommen, dass sich das Vermögen immer weiter der 1.000.000 Euro annähert, da man jährlich etwas davon abgeben müsste.

Meine dritte Frage bezieht sich auf die von Ihrer Partei geforderten Einkommenssteuer von 75% ab einem Einkommen von 1.000.000 Euro. Bei solch hohen Abgaben würde es doch zwangsläufig dazu führen, dass Millionäre die deutsche Staatsbürgerschaft ablegen und ins Ausland auswandern würden, wo weniger Steuern zu bezahlen wären. Somit würde es dazu führen, dass der Staat am Ende weniger, statt mehr Einnahmen machen würde, da die reichen Menschen im Land dann ja einfach auswandern würden, statt zu bezahlen. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Mit freundlichen Grüßen,
B. P.

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Sehr geehrter Herr Polat,

vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Zu 1) Unser Steuerkonzept sieht einen Spitzensteuersatz von 53% wie unter Helmut Kohl vor, der aber deutlich später als der damalige und der heutige 42 %-Tarif greifen soll. Denn bei Einzelveranlagung greift der Tarif heute ab ca. 57.000 €, nach unserem Konzept erst ab 70.000 Euro. Dazu soll es auch einen deutlich höheren Grundfreibetrag von 14.400 € geben, der auch bei höheren Einkommen entlastet. Zu unterscheiden ist dieser Spitzensteuersatz von der heutigen Reichensteuer von 45 Prozent die ab ca. 260.000 Euro Jahreseinkommen greift und bei uns 60 Prozent betragen soll.

Mit unserem Steuerkonzept werden kleinere und mittlere Einkommen entlastet. Als Faustregel: Wer weniger als 6.500€ im Monat verdient, zahlt weniger Steuern als bisher (gilt hier für Single, Steuerklasse 1, kein Kind und bei Ehepartnern als Faustregel das Doppelte). Spitzensteuer bedeutet übrigens nicht, dass man 53 Prozent auf das gesamte Einkommen zahlt, sondern nur auf die Euros über der jeweiligen Einkommensgrenze. Die Besteuerung des gesamten Einkommens ist daher deutlich niedriger.

Mit 3.500 Euro netto gehört man in Deutschland bei den Einkommen bereits zu den oberen zehn Prozent. Man ist damit aber nicht steinreich. Die wirklich Reichen belastet man in der Tendenz auch nicht mit der Einkommenssteuer, da diese stärker über Kapitaleinkommen verfügen. Die Einkommenssteuer ist aber vom Aufkommen her sehr relevant. Vor allem, wenn man verhindern will, dass z. B. kleine und mittlere Einkommen überproportional über höhere Verbrauchssteuern heran gezogen werden.

Unser Entlastungsvolumen ist dabei für kleine und mittlere Einkommen auch im Vergleich zu anderen Parteien sehr hoch. Und das ohne dabei, wie etwa im Steuerkonzept der FDP mit jährlichen Einnahmeausfällen von 75 Mrd. Euro, bei Investitionen und Sozialstaat zu kürzen. Wir erreichen diese Entlastung bei Verzicht auf einen Kürzungshammer über die stärkere Belastung von Spitzeneinkommen, die aber wesentlich später greift als nach dem aktuellen Steuertarif., und geringer ausfällt als etwa nach der Nachkriegszeit in Deutschland.

Ich erläutere dies auch in zwei älteren Videos:
- Steuerkaraoke mit Norbert Walter-Borjans: https://www.youtube.com/watch?v=bo1oPEXhAA8&t=83s
- Rede im Bundestag: Gerechte Steuern – die Mitte entlasten! https://www.youtube.com/watch?v=GU56vo-geK0

Zu 2) Wir wollen Millionäre und Milliardäre besteuern. Die Vermögen in Deutschland sind extrem ungleich verteilt und die Konzentration nimmt aufgrund der hohen Renditen auf hohe Vermögen stetig zu.

Allein das reichste 1% besitzt rund ein Drittel des Nettovermögens in Deutschland. Die untere Hälfte besitzt hingegen unterm Strich fast nichts, wie es auch im der Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu unserem Konzept für eine einmalige Vermögensabgaben nach der Corona-Krise niedergelegt ist (siehe: https://www.fabio-de-masi.de/de/article/3207.diw-studie-verm%C3%B6gensabgabe-f%C3%BCr-das-oberste-prozent.html ).

Wichtig: Es geht immer um das Nettovermögen - also das Vermögen abzüglich der Schulden (z.B. Hauskredite).

Damit aufgrund der gestiegenen Immobilienpreise nicht Papiermillionäre getroffen werden, die etwa über ein Haus in der City verfügen, spreche ich mich für eine progressive Vermögenssteuer aus, die von einem Prozent (ab 1 Mio. Euro) auf fünf Prozent bei sehr hohen Vermögen (ab 50 Millionen Euro) ansteigt. Ein ähnliches Modell verfolgen der Deutsche Gewerkschaftsbund und der US-Senator Bernie Sanders. Dies bedeutet, dass jemand mit einem Nettovermögen von 1,1 Millionen Euro dann z.B. 1 Prozent auf 100.000 Euro (also 1.000 Euro) entrichten müsste. Für Betriebsvermögen wollen wir höhere Freibeträge von fünf Millionen Euro.

Siehe hierzu folgenden Artikel: https://www.fabio-de-masi.de/de/article/3688.verm%C3%B6gen-besteuern-demokratie-sch%C3%BCtzen.html

Der Parteivorstand der Linken hat sich kürzlich für ein solches progressives Modell im Entwurf des Wahlprogramms ausgesprochen und betritt daher keine Forderung mehr nach einer 5 Prozent Steuer auf Vermögen über dem Freibetrag von einer Million Euro.

Zu 3) Reichenflucht wird übertrieben. Zum einen ist der Großteil des Vermögens immobil. Denn Immobilien lassen sich nicht mal eben ins Ausland verlagern. Zum anderen ist es so, dass der Großteil der Vermögenden im eigenen Land wohnt, wie z.B. Elitenforscher Michael Hartmann in diesem Interview erwähnt (siehe z.B. https://www.wiwo.de/politik/deutschland/elitenforscher-michael-hartmann-nur-drei-der-300-reichsten-amerikaner-leben-im-ausland/20177454-2.html). Von den 1000 reichsten Menschen leben demnach nur weniger als 100 im Ausland. Auch für Vermögende ist Kultur und Sprache relevant.

Unser Vorschlag für eine Vermögensabgabe sieht außerdem vor, den Stichtag der Vermögensbewertung in die Vergangenheit zu legen, etwa auf den 1.1.2021, sodass man sich auch durch Verlagerung ins Ausland nicht der Abgabe entziehen kann. Es geht nur darum einen Teil der Vermögenszuwächse abzuschöpfen und so die Vermögenskonzentration abzubremsen. Viele Milliardäre erzielen etwa Renditen von über acht Prozent jährlich aufihre Vermögen, wie der renommierte Ungleichheitsforscher und Starökonom Piketty zeigt.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Abonnieren Sie gerne meinen Newsletter, um über meine politischen Aktivitäten auf dem Laufenden zu bleiben: https://www.fabio-de-masi.de/de/topic/3.newsletter.html.

Ihr,

Fabio De Masi

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